des Menschen den traurigsten Einfluß. Man fülle in einen Becher voll Grünspan den köstlichsten Wein, und dieser wird sich in Gift verkehren. Die herr- lichste Religion kann durch äußerr Formen und fremdartige Zusätze den schlimmsten Charakter an- nehmen. Dies lehrt uns die Geschichte der christ- lichen Kirche.
Wollen wir immerhin der jüdischen Religions- lehre es zugestehen, daß sie ursprünglich manche Begriffe und selbst äußere Gebräuche enthielt, die des höchsten Wesens würdig und geschickt waren, vortheilhaft auf die Sittlichkeit ihrer Bekenner zu wirken; so thaten doch viele andere gerade das Ge- gentheil, und sind als Keim der gänzlichen Entsitt- lichung des israelitischen Volks zu betrachten. Hie- her gehört namentlich der Glaube, daß Jsrael das einzige auserwählte Volk Gottes, daß Gott ein rachgieriges, aber durch den Tod eines unschuldigen Thieres versöhnbares Wesen sey; ferner die Menge von Opfern und Büßungen, die für den ärmern Theil des Volks sehr drückend, für den reichern aber ein willkommenes Mittel waren, auf eine wohlfeite Art alle Bosheiten und Schandthaten abzubüßen. Wo religiöser Wahn dem Menschen verstattet, den Mangel rechtschaffener Gesinnungen und Handlun- gen durch Opfer zu ersetzen, da ist es mit der sittlichen Veredlung sehr traurig bestellt.
Leider, muß ich bekennen, daß ich hier an eine
des Menſchen den traurigſten Einfluß. Man fuͤlle in einen Becher voll Gruͤnſpan den koͤſtlichſten Wein, und dieſer wird ſich in Gift verkehren. Die herr- lichſte Religion kann durch aͤußerꝛ Formen und fremdartige Zuſaͤtze den ſchlimmſten Charakter an- nehmen. Dies lehrt uns die Geſchichte der chriſt- lichen Kirche.
Wollen wir immerhin der juͤdiſchen Religions- lehre es zugeſtehen, daß ſie urſpruͤnglich manche Begriffe und ſelbſt aͤußere Gebraͤuche enthielt, die des hoͤchſten Weſens wuͤrdig und geſchickt waren, vortheilhaft auf die Sittlichkeit ihrer Bekenner zu wirken; ſo thaten doch viele andere gerade das Ge- gentheil, und ſind als Keim der gaͤnzlichen Entſitt- lichung des iſraelitiſchen Volks zu betrachten. Hie- her gehoͤrt namentlich der Glaube, daß Jſrael das einzige auserwaͤhlte Volk Gottes, daß Gott ein rachgieriges, aber durch den Tod eines unſchuldigen Thieres verſoͤhnbares Weſen ſey; ferner die Menge von Opfern und Buͤßungen, die fuͤr den aͤrmern Theil des Volks ſehr druͤckend, fuͤr den reichern aber ein willkommenes Mittel waren, auf eine wohlfeite Art alle Bosheiten und Schandthaten abzubuͤßen. Wo religioͤſer Wahn dem Menſchen verſtattet, den Mangel rechtſchaffener Geſinnungen und Handlun- gen durch Opfer zu erſetzen, da iſt es mit der ſittlichen Veredlung ſehr traurig beſtellt.
Leider, muß ich bekennen, daß ich hier an eine
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des Menſchen den traurigſten Einfluß. Man fuͤlle
in einen Becher voll Gruͤnſpan den koͤſtlichſten Wein,
und dieſer wird ſich in Gift verkehren. Die herr-
lichſte Religion kann durch aͤußerꝛ Formen und
fremdartige Zuſaͤtze den ſchlimmſten Charakter an-
nehmen. Dies lehrt uns die Geſchichte der chriſt-
lichen Kirche.
Wollen wir immerhin der juͤdiſchen Religions-
lehre es zugeſtehen, daß ſie urſpruͤnglich manche
Begriffe und ſelbſt aͤußere Gebraͤuche enthielt, die
des hoͤchſten Weſens wuͤrdig und geſchickt waren,
vortheilhaft auf die Sittlichkeit ihrer Bekenner zu
wirken; ſo thaten doch viele andere gerade das Ge-
gentheil, und ſind als Keim der gaͤnzlichen Entſitt-
lichung des iſraelitiſchen Volks zu betrachten. Hie-
her gehoͤrt namentlich der Glaube, daß Jſrael das
einzige auserwaͤhlte Volk Gottes, daß Gott ein
rachgieriges, aber durch den Tod eines unſchuldigen
Thieres verſoͤhnbares Weſen ſey; ferner die Menge
von Opfern und Buͤßungen, die fuͤr den aͤrmern
Theil des Volks ſehr druͤckend, fuͤr den reichern aber
ein willkommenes Mittel waren, auf eine wohlfeite
Art alle Bosheiten und Schandthaten abzubuͤßen.
Wo religioͤſer Wahn dem Menſchen verſtattet, den
Mangel rechtſchaffener Geſinnungen und Handlun-
gen durch Opfer zu erſetzen, da iſt es mit der
ſittlichen Veredlung ſehr traurig beſtellt.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/29>, abgerufen am 23.11.2024.
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