Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

sinniger, als man sie bei irgend einem heidnischen
Volke findet, wurden von den eigennützigsten Prie-
stern ausgebrütet, und von dem dummen Volke ge-
glaubt. So waren dann diese Schulen keineswe-
ges Anstalten zur Bildung und Aufklärung des
Volks; sondern sie dienten blos, das ungeheure Ge-
bäude des Aberglaubens und der Pfaffenherrschaft
noch stärker zu befestigen, und die verworrenen Gei-
ster noch mehr zu verwirren.

Besonders zeichnete sich unter diesen Verfinste-
rern der Rabbiner Hillel aus, welcher etwa 30
Jahre vor Christi Geburt Vorsteher des Sanhedrins
zu Jerusalem war, und allen Sagen und Satzun-
gen das Ansehen göttlicher Offenbarungen zuschrieb.
Vergebens widersetzte sich ihm Schammai, der
Stifter der Karaiten; Hillels Parthei siegte, und
seine Familie erhielt sich noch mehrere Jahrhunderte
lang nach der Zerstörung Jerusalems im Besitze ho-
her geistlicher Würden unter den Juden. Hillel
legte also den Grund zu dem nachmaligen göttlichen
Ansehen, welches der Talmud bis auf unsere Zei-
ten bei den Jsraeliten behauptet.

Diese Sammlung rabbinischer Lehrsätze, Schrift-
auslegungen und Sagen ward jedoch weit später
zusammen getragen. Der traurige Zustand der Ju-
den nach der Auflösung ihres Staats durch die Rö-
mer und der Wunsch, ihnen die mündlichen Ueber-
lieferungen zu erhalten, veranlaßten den Rabbi Je-
huda Hannasi
oder Juda den Heiligen (Rabbenu

ſinniger, als man ſie bei irgend einem heidniſchen
Volke findet, wurden von den eigennuͤtzigſten Prie-
ſtern ausgebruͤtet, und von dem dummen Volke ge-
glaubt. So waren dann dieſe Schulen keineswe-
ges Anſtalten zur Bildung und Aufklaͤrung des
Volks; ſondern ſie dienten blos, das ungeheure Ge-
baͤude des Aberglaubens und der Pfaffenherrſchaft
noch ſtaͤrker zu befeſtigen, und die verworrenen Gei-
ſter noch mehr zu verwirren.

Beſonders zeichnete ſich unter dieſen Verfinſte-
rern der Rabbiner Hillel aus, welcher etwa 30
Jahre vor Chriſti Geburt Vorſteher des Sanhedrins
zu Jeruſalem war, und allen Sagen und Satzun-
gen das Anſehen goͤttlicher Offenbarungen zuſchrieb.
Vergebens widerſetzte ſich ihm Schammai, der
Stifter der Karaiten; Hillels Parthei ſiegte, und
ſeine Familie erhielt ſich noch mehrere Jahrhunderte
lang nach der Zerſtoͤrung Jeruſalems im Beſitze ho-
her geiſtlicher Wuͤrden unter den Juden. Hillel
legte alſo den Grund zu dem nachmaligen goͤttlichen
Anſehen, welches der Talmud bis auf unſere Zei-
ten bei den Jſraeliten behauptet.

Dieſe Sammlung rabbiniſcher Lehrſaͤtze, Schrift-
auslegungen und Sagen ward jedoch weit ſpaͤter
zuſammen getragen. Der traurige Zuſtand der Ju-
den nach der Aufloͤſung ihres Staats durch die Roͤ-
mer und der Wunſch, ihnen die muͤndlichen Ueber-
lieferungen zu erhalten, veranlaßten den Rabbi Je-
huda Hannaſi
oder Juda den Heiligen (Rabbenu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="52"/>
&#x017F;inniger, als man &#x017F;ie bei irgend einem heidni&#x017F;chen<lb/>
Volke findet, wurden von den eigennu&#x0364;tzig&#x017F;ten Prie-<lb/>
&#x017F;tern ausgebru&#x0364;tet, und von dem dummen Volke ge-<lb/>
glaubt. So waren dann die&#x017F;e Schulen keineswe-<lb/>
ges An&#x017F;talten zur Bildung und Aufkla&#x0364;rung des<lb/>
Volks; &#x017F;ondern &#x017F;ie dienten blos, das ungeheure Ge-<lb/>
ba&#x0364;ude des Aberglaubens und der Pfaffenherr&#x017F;chaft<lb/>
noch &#x017F;ta&#x0364;rker zu befe&#x017F;tigen, und die verworrenen Gei-<lb/>
&#x017F;ter noch mehr zu verwirren.</p><lb/>
        <p>Be&#x017F;onders zeichnete &#x017F;ich unter die&#x017F;en Verfin&#x017F;te-<lb/>
rern der Rabbiner <hi rendition="#g">Hillel</hi> aus, welcher etwa 30<lb/>
Jahre vor Chri&#x017F;ti Geburt Vor&#x017F;teher des Sanhedrins<lb/>
zu Jeru&#x017F;alem war, und allen Sagen und Satzun-<lb/>
gen das An&#x017F;ehen go&#x0364;ttlicher Offenbarungen zu&#x017F;chrieb.<lb/>
Vergebens wider&#x017F;etzte &#x017F;ich ihm <hi rendition="#g">Schammai,</hi> der<lb/>
Stifter der Karaiten; Hillels Parthei &#x017F;iegte, und<lb/>
&#x017F;eine Familie erhielt &#x017F;ich noch mehrere Jahrhunderte<lb/>
lang nach der Zer&#x017F;to&#x0364;rung Jeru&#x017F;alems im Be&#x017F;itze ho-<lb/>
her gei&#x017F;tlicher Wu&#x0364;rden unter den Juden. Hillel<lb/>
legte al&#x017F;o den Grund zu dem nachmaligen go&#x0364;ttlichen<lb/>
An&#x017F;ehen, welches der Talmud bis auf un&#x017F;ere Zei-<lb/>
ten bei den J&#x017F;raeliten behauptet.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Sammlung rabbini&#x017F;cher Lehr&#x017F;a&#x0364;tze, Schrift-<lb/>
auslegungen und Sagen ward jedoch weit &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
zu&#x017F;ammen getragen. Der traurige Zu&#x017F;tand der Ju-<lb/>
den nach der Auflo&#x0364;&#x017F;ung ihres Staats durch die Ro&#x0364;-<lb/>
mer und der Wun&#x017F;ch, ihnen die mu&#x0364;ndlichen Ueber-<lb/>
lieferungen zu erhalten, veranlaßten den Rabbi <hi rendition="#g">Je-<lb/>
huda Hanna&#x017F;i</hi> oder Juda den Heiligen (Rabbenu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0086] ſinniger, als man ſie bei irgend einem heidniſchen Volke findet, wurden von den eigennuͤtzigſten Prie- ſtern ausgebruͤtet, und von dem dummen Volke ge- glaubt. So waren dann dieſe Schulen keineswe- ges Anſtalten zur Bildung und Aufklaͤrung des Volks; ſondern ſie dienten blos, das ungeheure Ge- baͤude des Aberglaubens und der Pfaffenherrſchaft noch ſtaͤrker zu befeſtigen, und die verworrenen Gei- ſter noch mehr zu verwirren. Beſonders zeichnete ſich unter dieſen Verfinſte- rern der Rabbiner Hillel aus, welcher etwa 30 Jahre vor Chriſti Geburt Vorſteher des Sanhedrins zu Jeruſalem war, und allen Sagen und Satzun- gen das Anſehen goͤttlicher Offenbarungen zuſchrieb. Vergebens widerſetzte ſich ihm Schammai, der Stifter der Karaiten; Hillels Parthei ſiegte, und ſeine Familie erhielt ſich noch mehrere Jahrhunderte lang nach der Zerſtoͤrung Jeruſalems im Beſitze ho- her geiſtlicher Wuͤrden unter den Juden. Hillel legte alſo den Grund zu dem nachmaligen goͤttlichen Anſehen, welches der Talmud bis auf unſere Zei- ten bei den Jſraeliten behauptet. Dieſe Sammlung rabbiniſcher Lehrſaͤtze, Schrift- auslegungen und Sagen ward jedoch weit ſpaͤter zuſammen getragen. Der traurige Zuſtand der Ju- den nach der Aufloͤſung ihres Staats durch die Roͤ- mer und der Wunſch, ihnen die muͤndlichen Ueber- lieferungen zu erhalten, veranlaßten den Rabbi Je- huda Hannaſi oder Juda den Heiligen (Rabbenu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/86
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/86>, abgerufen am 08.05.2024.