Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

sten gegen Christen zu Verfolgungen auf, und ver-
gaßen, indem sie täglich die gräßlichsten Mordscenen
herbeiführten, und die armen Gemordeten zur ewi-
gen Hölle verfluchten, ganz die Lehre des großen
Gekreuzigten: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht
gerichtet! Verdammet nicht, so werdet ihr nicht ver-
dammet! Man erlaubte sich die schändlichsten Be-
trügereien, um das, was man Christenthum nann-

einer thätigen, zum Wohl der Menschen gestifteten
Anstalt abkam, desto mehr spekulirte man jenseit
der Gränzen des menschlichen Verstandes; man
fand Geheimnisse, und machte endlich den ganzen
Unterricht der christlichen Lehre zum Geheimnisse.
Nachdem die Bücher des neuen Testaments als Ka-
non in die Kirche eingeführt wurden, bewies man
aus ihnen, ja gar aus Büchern der Jüdischen Ver-
fassung, die man selten in der Ursprache lesen konn-
te, und von deren erstem Sinn man längst abge-
kommen war, was sich schwerlich aus ihnen bewei-
sen ließ. Damit häuften sich Ketzereien und Systeme,
denen zu entkommen man das schlimmste Mittel
wählte, Kirchenversammlungen und Syno-
den.
Wie viele derselben sind eine Schande des
Christenthums und des gesunden Verstandes! Stolz
und Unduldsamkeit riefen sie zusammen; Zwietracht,
Partheilichkeit, Grobheit und Bübereien herrschten
auf denselben, und zuletzt waren es Uebermacht,
Willkühr, Trotz, Kuppelei, Betrug oder ein Zufall,
die unter dem Namen des heiligen Geistes für die
ganze Christenheit, ja für Zeit und Ewigkeit ent-
schieden."
I. Bändchen. 6

ſten gegen Chriſten zu Verfolgungen auf, und ver-
gaßen, indem ſie taͤglich die graͤßlichſten Mordſcenen
herbeifuͤhrten, und die armen Gemordeten zur ewi-
gen Hoͤlle verfluchten, ganz die Lehre des großen
Gekreuzigten: Richtet nicht, ſo werdet ihr auch nicht
gerichtet! Verdammet nicht, ſo werdet ihr nicht ver-
dammet! Man erlaubte ſich die ſchaͤndlichſten Be-
truͤgereien, um das, was man Chriſtenthum nann-

einer thaͤtigen, zum Wohl der Menſchen geſtifteten
Anſtalt abkam, deſto mehr ſpekulirte man jenſeit
der Graͤnzen des menſchlichen Verſtandes; man
fand Geheimniſſe, und machte endlich den ganzen
Unterricht der chriſtlichen Lehre zum Geheimniſſe.
Nachdem die Buͤcher des neuen Teſtaments als Ka-
non in die Kirche eingefuͤhrt wurden, bewies man
aus ihnen, ja gar aus Buͤchern der Juͤdiſchen Ver-
faſſung, die man ſelten in der Urſprache leſen konn-
te, und von deren erſtem Sinn man laͤngſt abge-
kommen war, was ſich ſchwerlich aus ihnen bewei-
ſen ließ. Damit haͤuften ſich Ketzereien und Syſteme,
denen zu entkommen man das ſchlimmſte Mittel
waͤhlte, Kirchenverſammlungen und Syno-
den.
Wie viele derſelben ſind eine Schande des
Chriſtenthums und des geſunden Verſtandes! Stolz
und Unduldſamkeit riefen ſie zuſammen; Zwietracht,
Partheilichkeit, Grobheit und Buͤbereien herrſchten
auf denſelben, und zuletzt waren es Uebermacht,
Willkuͤhr, Trotz, Kuppelei, Betrug oder ein Zufall,
die unter dem Namen des heiligen Geiſtes fuͤr die
ganze Chriſtenheit, ja fuͤr Zeit und Ewigkeit ent-
ſchieden.‟
I. Baͤndchen. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="33"/>
&#x017F;ten gegen Chri&#x017F;ten zu Verfolgungen auf, und ver-<lb/>
gaßen, indem &#x017F;ie ta&#x0364;glich die gra&#x0364;ßlich&#x017F;ten Mord&#x017F;cenen<lb/>
herbeifu&#x0364;hrten, und die armen Gemordeten zur ewi-<lb/>
gen Ho&#x0364;lle verfluchten, ganz die Lehre des großen<lb/>
Gekreuzigten: Richtet nicht, &#x017F;o werdet ihr auch nicht<lb/>
gerichtet! Verdammet nicht, &#x017F;o werdet ihr nicht ver-<lb/>
dammet! Man erlaubte &#x017F;ich die &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;ten Be-<lb/>
tru&#x0364;gereien, um das, was man Chri&#x017F;tenthum nann-<lb/><note xml:id="seg2pn_6_2" prev="#seg2pn_6_1" place="foot" n="*)">einer tha&#x0364;tigen, zum Wohl der Men&#x017F;chen ge&#x017F;tifteten<lb/>
An&#x017F;talt abkam, de&#x017F;to mehr &#x017F;pekulirte man jen&#x017F;eit<lb/>
der Gra&#x0364;nzen des men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tandes; man<lb/>
fand Geheimni&#x017F;&#x017F;e, und machte endlich den ganzen<lb/>
Unterricht der chri&#x017F;tlichen Lehre zum Geheimni&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Nachdem die Bu&#x0364;cher des neuen Te&#x017F;taments als Ka-<lb/>
non in die Kirche eingefu&#x0364;hrt wurden, bewies man<lb/>
aus ihnen, ja gar aus Bu&#x0364;chern der Ju&#x0364;di&#x017F;chen Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung, die man &#x017F;elten in der Ur&#x017F;prache le&#x017F;en konn-<lb/>
te, und von deren er&#x017F;tem Sinn man la&#x0364;ng&#x017F;t abge-<lb/>
kommen war, was &#x017F;ich &#x017F;chwerlich aus ihnen bewei-<lb/>
&#x017F;en ließ. Damit ha&#x0364;uften &#x017F;ich Ketzereien und Sy&#x017F;teme,<lb/>
denen zu entkommen man das &#x017F;chlimm&#x017F;te Mittel<lb/>
wa&#x0364;hlte, <hi rendition="#g">Kirchenver&#x017F;ammlungen</hi> und <hi rendition="#g">Syno-<lb/>
den.</hi> Wie viele der&#x017F;elben &#x017F;ind eine Schande des<lb/>
Chri&#x017F;tenthums und des ge&#x017F;unden Ver&#x017F;tandes! Stolz<lb/>
und Unduld&#x017F;amkeit riefen &#x017F;ie zu&#x017F;ammen; Zwietracht,<lb/>
Partheilichkeit, Grobheit und Bu&#x0364;bereien herr&#x017F;chten<lb/>
auf den&#x017F;elben, und zuletzt waren es Uebermacht,<lb/>
Willku&#x0364;hr, Trotz, Kuppelei, Betrug oder ein Zufall,<lb/>
die unter dem Namen des heiligen Gei&#x017F;tes fu&#x0364;r die<lb/>
ganze Chri&#x017F;tenheit, ja fu&#x0364;r Zeit und Ewigkeit ent-<lb/>
&#x017F;chieden.&#x201F;</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ba&#x0364;ndchen. 6</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0067] ſten gegen Chriſten zu Verfolgungen auf, und ver- gaßen, indem ſie taͤglich die graͤßlichſten Mordſcenen herbeifuͤhrten, und die armen Gemordeten zur ewi- gen Hoͤlle verfluchten, ganz die Lehre des großen Gekreuzigten: Richtet nicht, ſo werdet ihr auch nicht gerichtet! Verdammet nicht, ſo werdet ihr nicht ver- dammet! Man erlaubte ſich die ſchaͤndlichſten Be- truͤgereien, um das, was man Chriſtenthum nann- *) *) einer thaͤtigen, zum Wohl der Menſchen geſtifteten Anſtalt abkam, deſto mehr ſpekulirte man jenſeit der Graͤnzen des menſchlichen Verſtandes; man fand Geheimniſſe, und machte endlich den ganzen Unterricht der chriſtlichen Lehre zum Geheimniſſe. Nachdem die Buͤcher des neuen Teſtaments als Ka- non in die Kirche eingefuͤhrt wurden, bewies man aus ihnen, ja gar aus Buͤchern der Juͤdiſchen Ver- faſſung, die man ſelten in der Urſprache leſen konn- te, und von deren erſtem Sinn man laͤngſt abge- kommen war, was ſich ſchwerlich aus ihnen bewei- ſen ließ. Damit haͤuften ſich Ketzereien und Syſteme, denen zu entkommen man das ſchlimmſte Mittel waͤhlte, Kirchenverſammlungen und Syno- den. Wie viele derſelben ſind eine Schande des Chriſtenthums und des geſunden Verſtandes! Stolz und Unduldſamkeit riefen ſie zuſammen; Zwietracht, Partheilichkeit, Grobheit und Buͤbereien herrſchten auf denſelben, und zuletzt waren es Uebermacht, Willkuͤhr, Trotz, Kuppelei, Betrug oder ein Zufall, die unter dem Namen des heiligen Geiſtes fuͤr die ganze Chriſtenheit, ja fuͤr Zeit und Ewigkeit ent- ſchieden.‟ I. Baͤndchen. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/67
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/67>, abgerufen am 07.05.2024.