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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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Der große Einfluß, welchen diese geistlichen Hir-
ten auf die Gemüther der arglosen Menschen er-
warben, sicherte ihnen nicht allein Reichthum und
Ansehen, sondern auch Herrschaft und Macht. Jh-
re Worte und Winke galten für Befehle der Göt-
ter, deren Diener und Vertraute sie waren. Statt
der sonst freiwilligen, wurden jetzt gezwungene Opfer,
die bei Verlust des zeitlichen Glücks oder gar bei
Strafe der ewigen Verdammniß nicht versäumt wer-
den durften, angeordnet; die Geschenke, welche
man ehemals freiwillig den Priestern gegeben, wur-
den von diesen, unter dem Vorwande göttlicher Be-
fehle, in nothwendige Abgaben verwandelt *); die
Zehnten wurden eingeführt, und selbst die arme
Wittwe mußte von den wenigen Aehren, welche sie
und ihre Waisen auf den Stoppelfeldern des Rei-
chen mit Kummer und Thränen gesammelt hatten,
dem geistlichen Herrscher einen Zehnten entrichten.
Das ungeheure Dogma ward erfunden, und gieng
späterhin in fast alle sogenannten positiven Reli-

nen, wo alle Ketten des Aberglaubens und der
Finsterniß zersprengt und das Pfaffenthum bis auf
die letzten Spuren vertilgt werden mögen.
*) Es gieng damit, wie mit den Steuern an weltliche
Landesherren. Auch diese waren freiwillige Geschen-
ke, die man anfangs nur durch höfliche Vitten em-
pfieng, (daher Königsbeede, Königsbitte.) Nach-
mals schuf man sie in Zwangsabgaben um, die man
im Weigerungsfalle durch Exekutionen beitrieb.

Der große Einfluß, welchen dieſe geiſtlichen Hir-
ten auf die Gemuͤther der argloſen Menſchen er-
warben, ſicherte ihnen nicht allein Reichthum und
Anſehen, ſondern auch Herrſchaft und Macht. Jh-
re Worte und Winke galten fuͤr Befehle der Goͤt-
ter, deren Diener und Vertraute ſie waren. Statt
der ſonſt freiwilligen, wurden jetzt gezwungene Opfer,
die bei Verluſt des zeitlichen Gluͤcks oder gar bei
Strafe der ewigen Verdammniß nicht verſaͤumt wer-
den durften, angeordnet; die Geſchenke, welche
man ehemals freiwillig den Prieſtern gegeben, wur-
den von dieſen, unter dem Vorwande goͤttlicher Be-
fehle, in nothwendige Abgaben verwandelt *); die
Zehnten wurden eingefuͤhrt, und ſelbſt die arme
Wittwe mußte von den wenigen Aehren, welche ſie
und ihre Waiſen auf den Stoppelfeldern des Rei-
chen mit Kummer und Thraͤnen geſammelt hatten,
dem geiſtlichen Herrſcher einen Zehnten entrichten.
Das ungeheure Dogma ward erfunden, und gieng
ſpaͤterhin in faſt alle ſogenannten poſitiven Reli-

nen, wo alle Ketten des Aberglaubens und der
Finſterniß zerſprengt und das Pfaffenthum bis auf
die letzten Spuren vertilgt werden moͤgen.
*) Es gieng damit, wie mit den Steuern an weltliche
Landesherren. Auch dieſe waren freiwillige Geſchen-
ke, die man anfangs nur durch hoͤfliche Vitten em-
pfieng, (daher Koͤnigsbeede, Koͤnigsbitte.) Nach-
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[12/0046] Der große Einfluß, welchen dieſe geiſtlichen Hir- ten auf die Gemuͤther der argloſen Menſchen er- warben, ſicherte ihnen nicht allein Reichthum und Anſehen, ſondern auch Herrſchaft und Macht. Jh- re Worte und Winke galten fuͤr Befehle der Goͤt- ter, deren Diener und Vertraute ſie waren. Statt der ſonſt freiwilligen, wurden jetzt gezwungene Opfer, die bei Verluſt des zeitlichen Gluͤcks oder gar bei Strafe der ewigen Verdammniß nicht verſaͤumt wer- den durften, angeordnet; die Geſchenke, welche man ehemals freiwillig den Prieſtern gegeben, wur- den von dieſen, unter dem Vorwande goͤttlicher Be- fehle, in nothwendige Abgaben verwandelt *); die Zehnten wurden eingefuͤhrt, und ſelbſt die arme Wittwe mußte von den wenigen Aehren, welche ſie und ihre Waiſen auf den Stoppelfeldern des Rei- chen mit Kummer und Thraͤnen geſammelt hatten, dem geiſtlichen Herrſcher einen Zehnten entrichten. Das ungeheure Dogma ward erfunden, und gieng ſpaͤterhin in faſt alle ſogenannten poſitiven Reli- *) *) Es gieng damit, wie mit den Steuern an weltliche Landesherren. Auch dieſe waren freiwillige Geſchen- ke, die man anfangs nur durch hoͤfliche Vitten em- pfieng, (daher Koͤnigsbeede, Koͤnigsbitte.) Nach- mals ſchuf man ſie in Zwangsabgaben um, die man im Weigerungsfalle durch Exekutionen beitrieb. *) nen, wo alle Ketten des Aberglaubens und der Finſterniß zerſprengt und das Pfaffenthum bis auf die letzten Spuren vertilgt werden moͤgen.

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/46>, abgerufen am 20.04.2024.