besser erreicht haben, als durch jene steinernen Ta- feln, deren Jnhalt nur selten den Jsraeliten vor- gelesen und manchen vielleicht gar nicht bekannt wurde.
Er that, was unter seinen Verhältnissen mög- lich war. Diejenigen Gesetze, welche zunächst auf die Sittlichkeit der Juden einwirken sollten, gab er ihnen schriftlich; die lithurgischen und andern Verordnungen, so er machte, ertheilte er münd- lich, und setzte die zahlreiche Priesterzunft ein, um über die Beobachtung dieser beiden Arten der Ge- bote zu wachen. Hieraus erklärt sich auch die jü- dische Ueberlieferung von einem schriftlichen und mündlichen Gesetz, welches Moses soll gegeben haben.
Moses war also eben so wenig Verfasser des Pentateuchs, wie Josua, die Richter, Ruth, Sa- muel, die Könige, Esther und Susanna jene Bü- cher geschrieben haben, die nach ihnen benaunt sind. Selbst die Psalme Davids erhielten sich wahrschein- lich lange Zeit blos durch mündliche Fortpflanzung bei den Juden, wie die Gesänge Ossians bei den Caledoniern, bis sie endlich von einem israelitischen Macpherson gesammelt und niedergeschrieben, viel- leicht auch hin und wieder geändert wurden. Dies benimmt indessen der heiligen Schrift so wenig etwas von ihrer Göttlichkeit und ihrem Werth, als Ossi- ans unsterblichen Gesängen es an ihrem dichterischen Gehalt geschadet hätte, wenn der Verfasser nicht
beſſer erreicht haben, als durch jene ſteinernen Ta- feln, deren Jnhalt nur ſelten den Jſraeliten vor- geleſen und manchen vielleicht gar nicht bekannt wurde.
Er that, was unter ſeinen Verhaͤltniſſen moͤg- lich war. Diejenigen Geſetze, welche zunaͤchſt auf die Sittlichkeit der Juden einwirken ſollten, gab er ihnen ſchriftlich; die lithurgiſchen und andern Verordnungen, ſo er machte, ertheilte er muͤnd- lich, und ſetzte die zahlreiche Prieſterzunft ein, um uͤber die Beobachtung dieſer beiden Arten der Ge- bote zu wachen. Hieraus erklaͤrt ſich auch die juͤ- diſche Ueberlieferung von einem ſchriftlichen und muͤndlichen Geſetz, welches Moſes ſoll gegeben haben.
Moſes war alſo eben ſo wenig Verfaſſer des Pentateuchs, wie Joſua, die Richter, Ruth, Sa- muel, die Koͤnige, Eſther und Suſanna jene Buͤ- cher geſchrieben haben, die nach ihnen benaunt ſind. Selbſt die Pſalme Davids erhielten ſich wahrſchein- lich lange Zeit blos durch muͤndliche Fortpflanzung bei den Juden, wie die Geſaͤnge Oſſians bei den Caledoniern, bis ſie endlich von einem iſraelitiſchen Macpherſon geſammelt und niedergeſchrieben, viel- leicht auch hin und wieder geaͤndert wurden. Dies benimmt indeſſen der heiligen Schrift ſo wenig etwas von ihrer Goͤttlichkeit und ihrem Werth, als Oſſi- ans unſterblichen Geſaͤngen es an ihrem dichteriſchen Gehalt geſchadet haͤtte, wenn der Verfaſſer nicht
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beſſer erreicht haben, als durch jene ſteinernen Ta-
feln, deren Jnhalt nur ſelten den Jſraeliten vor-
geleſen und manchen vielleicht gar nicht bekannt
wurde.
Er that, was unter ſeinen Verhaͤltniſſen moͤg-
lich war. Diejenigen Geſetze, welche zunaͤchſt auf
die Sittlichkeit der Juden einwirken ſollten, gab er
ihnen ſchriftlich; die lithurgiſchen und andern
Verordnungen, ſo er machte, ertheilte er muͤnd-
lich, und ſetzte die zahlreiche Prieſterzunft ein, um
uͤber die Beobachtung dieſer beiden Arten der Ge-
bote zu wachen. Hieraus erklaͤrt ſich auch die juͤ-
diſche Ueberlieferung von einem ſchriftlichen und
muͤndlichen Geſetz, welches Moſes ſoll gegeben
haben.
Moſes war alſo eben ſo wenig Verfaſſer des
Pentateuchs, wie Joſua, die Richter, Ruth, Sa-
muel, die Koͤnige, Eſther und Suſanna jene Buͤ-
cher geſchrieben haben, die nach ihnen benaunt ſind.
Selbſt die Pſalme Davids erhielten ſich wahrſchein-
lich lange Zeit blos durch muͤndliche Fortpflanzung
bei den Juden, wie die Geſaͤnge Oſſians bei den
Caledoniern, bis ſie endlich von einem iſraelitiſchen
Macpherſon geſammelt und niedergeſchrieben, viel-
leicht auch hin und wieder geaͤndert wurden. Dies
benimmt indeſſen der heiligen Schrift ſo wenig etwas
von ihrer Goͤttlichkeit und ihrem Werth, als Oſſi-
ans unſterblichen Geſaͤngen es an ihrem dichteriſchen
Gehalt geſchadet haͤtte, wenn der Verfaſſer nicht
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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