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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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der Wüste so wenig Papierhändler, als Papier-
mühlen waren? Was er den Juden auf den zwei
Tafeln gab, war nichts weiter, als das Sitten-
gesetz, (der Dekalogos) und um dasselbe in Stein
zu graben, bedurfte er nicht weniger, als vierzig
Tage, die er mit dieser Arbeit beschäftigt auf dem
Sinai zubrachte. Wie lange Zeit müßte er also
gehabt haben, wenn er alle fünf Bücher, die un-
ter seinem Namen bekannt sind, hätte in Stein
oder in Holz eingraben wollen? Wenigstens zwei-
hundert Jahre! Er konnte es durch Andre thun
lassen! sagt man. Dann hätte er aber jeden Buch-
staben und jedes Wort ihnen vorsagen müssen.
Wahrlich, eine Arbeit, die weit schwieriger gewe-
sen seyn, und noch viel länger gedauert haben
würde.

Der Jesuit Kircher und Andre wollen freilich
in Aegypten Zeichnungen gefunden haben, die einer
Buchstabenschrift ähnelten; allein wäre dies wirklich
der Fall, so waren jene Zeichnungen gewiß weit
spätern Ursprungs.

Hätte Moses schon eine Buchstabenschrift ge-
kannt, und sie benutzen können, so hätte er sicher-
lich sein Gesetz nicht blos auf ein paar zerbrechliche
steinerne Tafeln, die tausend Zufällen unterworfen
waren, eingegraben; sondern er wäre wohl so klug
gewesen, wie unsere Gesetzgeber, und hätte eine
Menge Abschriften von seinen Verordnungen unter
das Volk vertheilt. Dadurch würde er seinen Zweck

der Wuͤſte ſo wenig Papierhaͤndler, als Papier-
muͤhlen waren? Was er den Juden auf den zwei
Tafeln gab, war nichts weiter, als das Sitten-
geſetz, (der Dekalogos) und um daſſelbe in Stein
zu graben, bedurfte er nicht weniger, als vierzig
Tage, die er mit dieſer Arbeit beſchaͤftigt auf dem
Sinai zubrachte. Wie lange Zeit muͤßte er alſo
gehabt haben, wenn er alle fuͤnf Buͤcher, die un-
ter ſeinem Namen bekannt ſind, haͤtte in Stein
oder in Holz eingraben wollen? Wenigſtens zwei-
hundert Jahre! Er konnte es durch Andre thun
laſſen! ſagt man. Dann haͤtte er aber jeden Buch-
ſtaben und jedes Wort ihnen vorſagen muͤſſen.
Wahrlich, eine Arbeit, die weit ſchwieriger gewe-
ſen ſeyn, und noch viel laͤnger gedauert haben
wuͤrde.

Der Jeſuit Kircher und Andre wollen freilich
in Aegypten Zeichnungen gefunden haben, die einer
Buchſtabenſchrift aͤhnelten; allein waͤre dies wirklich
der Fall, ſo waren jene Zeichnungen gewiß weit
ſpaͤtern Urſprungs.

Haͤtte Moſes ſchon eine Buchſtabenſchrift ge-
kannt, und ſie benutzen koͤnnen, ſo haͤtte er ſicher-
lich ſein Geſetz nicht blos auf ein paar zerbrechliche
ſteinerne Tafeln, die tauſend Zufaͤllen unterworfen
waren, eingegraben; ſondern er waͤre wohl ſo klug
geweſen, wie unſere Geſetzgeber, und haͤtte eine
Menge Abſchriften von ſeinen Verordnungen unter
das Volk vertheilt. Dadurch wuͤrde er ſeinen Zweck

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[300/0334] der Wuͤſte ſo wenig Papierhaͤndler, als Papier- muͤhlen waren? Was er den Juden auf den zwei Tafeln gab, war nichts weiter, als das Sitten- geſetz, (der Dekalogos) und um daſſelbe in Stein zu graben, bedurfte er nicht weniger, als vierzig Tage, die er mit dieſer Arbeit beſchaͤftigt auf dem Sinai zubrachte. Wie lange Zeit muͤßte er alſo gehabt haben, wenn er alle fuͤnf Buͤcher, die un- ter ſeinem Namen bekannt ſind, haͤtte in Stein oder in Holz eingraben wollen? Wenigſtens zwei- hundert Jahre! Er konnte es durch Andre thun laſſen! ſagt man. Dann haͤtte er aber jeden Buch- ſtaben und jedes Wort ihnen vorſagen muͤſſen. Wahrlich, eine Arbeit, die weit ſchwieriger gewe- ſen ſeyn, und noch viel laͤnger gedauert haben wuͤrde. Der Jeſuit Kircher und Andre wollen freilich in Aegypten Zeichnungen gefunden haben, die einer Buchſtabenſchrift aͤhnelten; allein waͤre dies wirklich der Fall, ſo waren jene Zeichnungen gewiß weit ſpaͤtern Urſprungs. Haͤtte Moſes ſchon eine Buchſtabenſchrift ge- kannt, und ſie benutzen koͤnnen, ſo haͤtte er ſicher- lich ſein Geſetz nicht blos auf ein paar zerbrechliche ſteinerne Tafeln, die tauſend Zufaͤllen unterworfen waren, eingegraben; ſondern er waͤre wohl ſo klug geweſen, wie unſere Geſetzgeber, und haͤtte eine Menge Abſchriften von ſeinen Verordnungen unter das Volk vertheilt. Dadurch wuͤrde er ſeinen Zweck

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/334>, abgerufen am 25.11.2024.