Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Jakob, zum Nachtheil des armen Esau, eine Brille
verkaufen; allein was konnte der alte blinde Vater
dafür, daß er einen jüdischen Erzvater gezeugt
hatte, war er ja doch selbst einer!

Unser Vater Jakob war -- so weit unsere
Nachrichten reichen -- der schlaueste von allen. Wie
er den arglosen Esau durch schändlichen Betrug um
den Segen und die Rechte der Erstgeburt brachte,
so prellte er nachher durch zauberische und andere
Mittel seinen Schwiegerpapa Laban um den größ-
ten Theil seiner Heerden und um sein übriges Ver-
mögen, und zog damit, wie ein Schelm heimlich
von dannen. Wir können daher nicht umhin, ihn
als ein Jdeal aller jüdischen Tugenden zur Nach-
ahmung zu empfehlen. Nach der Behauptung un-
serer Rabbinen gesegneten Andenkens war der Vater
Jakob sehr fromm. Er studierte Tag und Nacht
im Gesetz, und war so bibelfest, daß er alle Psal-
me Davids, die bekanntlich erst lange nach seiner
Zeit geschrieben wurden, auswendig wußte *). Selbst
die Steine verehrten ihn deshalb, denn, als er
auf seinem Zuge nach Haran sich eines Steins zum
Kopfkissen bedienen mußte, fiengen alle Steine plötz-
lich an, mit einander zu streiten. Einer sprach:
auf mich soll der Gerechte sein Haupt legen; der
andere rief: nein, auf mir soll er ruhen! und so
gieng es fort, bis endlich, um Mord und Todschlag

zwi-
*) Bereschith Rabba und R. Bechai's Auslegung etc.

Jakob, zum Nachtheil des armen Eſau, eine Brille
verkaufen; allein was konnte der alte blinde Vater
dafuͤr, daß er einen juͤdiſchen Erzvater gezeugt
hatte, war er ja doch ſelbſt einer!

Unſer Vater Jakob war — ſo weit unſere
Nachrichten reichen — der ſchlaueſte von allen. Wie
er den argloſen Eſau durch ſchaͤndlichen Betrug um
den Segen und die Rechte der Erſtgeburt brachte,
ſo prellte er nachher durch zauberiſche und andere
Mittel ſeinen Schwiegerpapa Laban um den groͤß-
ten Theil ſeiner Heerden und um ſein uͤbriges Ver-
moͤgen, und zog damit, wie ein Schelm heimlich
von dannen. Wir koͤnnen daher nicht umhin, ihn
als ein Jdeal aller juͤdiſchen Tugenden zur Nach-
ahmung zu empfehlen. Nach der Behauptung un-
ſerer Rabbinen geſegneten Andenkens war der Vater
Jakob ſehr fromm. Er ſtudierte Tag und Nacht
im Geſetz, und war ſo bibelfeſt, daß er alle Pſal-
me Davids, die bekanntlich erſt lange nach ſeiner
Zeit geſchrieben wurden, auswendig wußte *). Selbſt
die Steine verehrten ihn deshalb, denn, als er
auf ſeinem Zuge nach Haran ſich eines Steins zum
Kopfkiſſen bedienen mußte, fiengen alle Steine ploͤtz-
lich an, mit einander zu ſtreiten. Einer ſprach:
auf mich ſoll der Gerechte ſein Haupt legen; der
andere rief: nein, auf mir ſoll er ruhen! und ſo
gieng es fort, bis endlich, um Mord und Todſchlag

zwi-
*) Bereſchith Rabba und R. Bechai’s Auslegung ꝛc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0314" n="280"/>
Jakob, zum Nachtheil des armen E&#x017F;au, eine Brille<lb/>
verkaufen; allein was konnte der alte blinde Vater<lb/>
dafu&#x0364;r, daß er einen ju&#x0364;di&#x017F;chen Erzvater gezeugt<lb/>
hatte, war <hi rendition="#g">er</hi> ja doch &#x017F;elb&#x017F;t einer!</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er Vater Jakob war &#x2014; &#x017F;o weit un&#x017F;ere<lb/>
Nachrichten reichen &#x2014; der &#x017F;chlaue&#x017F;te von allen. Wie<lb/>
er den arglo&#x017F;en E&#x017F;au durch &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Betrug um<lb/>
den Segen und die Rechte der Er&#x017F;tgeburt brachte,<lb/>
&#x017F;o prellte er nachher durch zauberi&#x017F;che und andere<lb/>
Mittel &#x017F;einen Schwiegerpapa Laban um den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Theil &#x017F;einer Heerden und um &#x017F;ein u&#x0364;briges Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, und zog damit, wie ein Schelm heimlich<lb/>
von dannen. Wir ko&#x0364;nnen daher nicht umhin, ihn<lb/>
als ein Jdeal aller ju&#x0364;di&#x017F;chen Tugenden zur Nach-<lb/>
ahmung zu empfehlen. Nach der Behauptung un-<lb/>
&#x017F;erer Rabbinen ge&#x017F;egneten Andenkens war der Vater<lb/>
Jakob &#x017F;ehr fromm. Er &#x017F;tudierte Tag und Nacht<lb/>
im Ge&#x017F;etz, und war &#x017F;o bibelfe&#x017F;t, daß er alle P&#x017F;al-<lb/>
me Davids, die bekanntlich er&#x017F;t lange nach &#x017F;einer<lb/>
Zeit ge&#x017F;chrieben wurden, auswendig wußte <note place="foot" n="*)">Bere&#x017F;chith Rabba und R. Bechai&#x2019;s Auslegung &#xA75B;c.</note>. Selb&#x017F;t<lb/>
die Steine verehrten ihn deshalb, denn, als er<lb/>
auf &#x017F;einem Zuge nach Haran &#x017F;ich eines Steins zum<lb/>
Kopfki&#x017F;&#x017F;en bedienen mußte, fiengen alle Steine plo&#x0364;tz-<lb/>
lich an, mit einander zu &#x017F;treiten. Einer &#x017F;prach:<lb/>
auf mich &#x017F;oll der Gerechte &#x017F;ein Haupt legen; der<lb/>
andere rief: nein, auf mir &#x017F;oll er ruhen! und &#x017F;o<lb/>
gieng es fort, bis endlich, um Mord und Tod&#x017F;chlag<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zwi-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0314] Jakob, zum Nachtheil des armen Eſau, eine Brille verkaufen; allein was konnte der alte blinde Vater dafuͤr, daß er einen juͤdiſchen Erzvater gezeugt hatte, war er ja doch ſelbſt einer! Unſer Vater Jakob war — ſo weit unſere Nachrichten reichen — der ſchlaueſte von allen. Wie er den argloſen Eſau durch ſchaͤndlichen Betrug um den Segen und die Rechte der Erſtgeburt brachte, ſo prellte er nachher durch zauberiſche und andere Mittel ſeinen Schwiegerpapa Laban um den groͤß- ten Theil ſeiner Heerden und um ſein uͤbriges Ver- moͤgen, und zog damit, wie ein Schelm heimlich von dannen. Wir koͤnnen daher nicht umhin, ihn als ein Jdeal aller juͤdiſchen Tugenden zur Nach- ahmung zu empfehlen. Nach der Behauptung un- ſerer Rabbinen geſegneten Andenkens war der Vater Jakob ſehr fromm. Er ſtudierte Tag und Nacht im Geſetz, und war ſo bibelfeſt, daß er alle Pſal- me Davids, die bekanntlich erſt lange nach ſeiner Zeit geſchrieben wurden, auswendig wußte *). Selbſt die Steine verehrten ihn deshalb, denn, als er auf ſeinem Zuge nach Haran ſich eines Steins zum Kopfkiſſen bedienen mußte, fiengen alle Steine ploͤtz- lich an, mit einander zu ſtreiten. Einer ſprach: auf mich ſoll der Gerechte ſein Haupt legen; der andere rief: nein, auf mir ſoll er ruhen! und ſo gieng es fort, bis endlich, um Mord und Todſchlag zwi- *) Bereſchith Rabba und R. Bechai’s Auslegung ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/314
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/314>, abgerufen am 23.11.2024.