Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ueber den neusten Zustand des Freistaats von Centro-Amerika oder Guatemala. In: Herta, Bd. 6 (1826), S. 131-161.

Bild:
<< vorherige Seite

A. v. Humboldt, über den neuesten Zustand
"den indischen Archipelagus knüpfend, dazu gelangen, eine wich-
"tige Stelle in der Reihe der Nationen einzunehmen. Leider sind
"wir bis jetzt ganz in der Schattenseite unsers Planeten geblie-
"ben und wenn ich einen Blick auf die Karten werfe, die zu uns
"aus Europa herüberkommen, so finden wir mit Mühe in dem
"verzerrten Bilde des Landes, die Bergketten und Flüsse und die
"Namen unserer volkreichsten Städte. Als ich im Jahr 1823 die
"Hauptstadt Mexiko verließ, hoffte ich Jhren längst geäußerten
"Wunsch, daß doch endlich einmal die Gebirge von Oaxaka und
"Guatemala gemessen werden möchten, durch eigene Bemühungen
"zu erfüllen. Jch hatte mich mit einem guten Barometer und
"Thermometern versehen. Leider zerbrach das Barometer schon in
"Venta salata, und es blieb mir nur übrig, nach der Methode,
"welche ihr gelehrter Freund Caldas mit Jhnen in Südamerika
"oft angewandt hat, durch Bestimmung des Süd-Punktes, die
"Höhen annähernd zu bestimmen. Diese Temperatur-Beobachtun-
"gen hoffe ich Jhnen bald zu senden."

Ein Theil des Landes von Mittel-Amerika, besonders in der
Provinz Quesaltenango, welche jetzt ein Departemento des Staats
von Guatemala bildet, giebt von Waitzen und von allen andern
Cerealien die reichsten Aernten. Ja im Departemento de Solola
und in einem Theil des jetzt zu Mexiko geschlagenen Staats von
Chiapa, sind bewohnte Gebirgs Ebenen, so hoch, daß man sie
bisweilen stundenlang mit Reif (escarcha) bedeckt sieht.

Da die Hauptstadt von Mittel-Amerika nicht zwei Mal,
wie man gewöhnlich glaubt, sondern vier Mal ihren Sitz verän-
dert hat, und da stets in den alten Wohnplätzen eine gewisse
Volksmenge zurückgeblieben ist; so sind durch diese Veränderungen
der Aehnlichkeit der Namen wegen, viele geographische Verwirrun-
gen entstanden.

Nachdem Pedro de Alvarado*) den 14ten Mai 1524 nach
einer großen Schlacht Herr des Landes geworden war, wählte er
endlich den Ort, welchen die Eingebornen Tyacuaba, die Mexika-
ner aber in aztequischer Sprache Almolonga (Wasserstrom) nann-

*) Die älteste Stadt in der Republik von Centro-Amerika ist Kartago
im Staat von Costa-Rica. Jn den Archiven von Kartago werden noch
Dokumente von 1520 aufbewahrt.

A. v. Humboldt, uͤber den neueſten Zuſtand
„den indiſchen Archipelagus knuͤpfend, dazu gelangen, eine wich-
„tige Stelle in der Reihe der Nationen einzunehmen. Leider ſind
„wir bis jetzt ganz in der Schattenſeite unſers Planeten geblie-
„ben und wenn ich einen Blick auf die Karten werfe, die zu uns
„aus Europa heruͤberkommen, ſo finden wir mit Muͤhe in dem
„verzerrten Bilde des Landes, die Bergketten und Fluͤſſe und die
„Namen unſerer volkreichſten Staͤdte. Als ich im Jahr 1823 die
„Hauptſtadt Mexiko verließ, hoffte ich Jhren laͤngſt geaͤußerten
„Wunſch, daß doch endlich einmal die Gebirge von Oaxaka und
„Guatemala gemeſſen werden moͤchten, durch eigene Bemuͤhungen
„zu erfuͤllen. Jch hatte mich mit einem guten Barometer und
„Thermometern verſehen. Leider zerbrach das Barometer ſchon in
„Venta ſalata, und es blieb mir nur uͤbrig, nach der Methode,
„welche ihr gelehrter Freund Caldas mit Jhnen in Suͤdamerika
„oft angewandt hat, durch Beſtimmung des Suͤd-Punktes, die
„Hoͤhen annaͤhernd zu beſtimmen. Dieſe Temperatur-Beobachtun-
„gen hoffe ich Jhnen bald zu ſenden.″

Ein Theil des Landes von Mittel-Amerika, beſonders in der
Provinz Queſaltenango, welche jetzt ein Departemento des Staats
von Guatemala bildet, giebt von Waitzen und von allen andern
Cerealien die reichſten Aernten. Ja im Departemento de Solola
und in einem Theil des jetzt zu Mexiko geſchlagenen Staats von
Chiapa, ſind bewohnte Gebirgs Ebenen, ſo hoch, daß man ſie
bisweilen ſtundenlang mit Reif (escarcha) bedeckt ſieht.

Da die Hauptſtadt von Mittel-Amerika nicht zwei Mal,
wie man gewoͤhnlich glaubt, ſondern vier Mal ihren Sitz veraͤn-
dert hat, und da ſtets in den alten Wohnplaͤtzen eine gewiſſe
Volksmenge zuruͤckgeblieben iſt; ſo ſind durch dieſe Veraͤnderungen
der Aehnlichkeit der Namen wegen, viele geographiſche Verwirrun-
gen entſtanden.

Nachdem Pedro de Alvarado*) den 14ten Mai 1524 nach
einer großen Schlacht Herr des Landes geworden war, waͤhlte er
endlich den Ort, welchen die Eingebornen Tyacuaba, die Mexika-
ner aber in aztequiſcher Sprache Almolonga (Waſſerſtrom) nann-

*) Die aͤlteſte Stadt in der Republik von Centro-Amerika iſt Kartago
im Staat von Coſta-Rica. Jn den Archiven von Kartago werden noch
Dokumente von 1520 aufbewahrt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0022" n="150"/><fw place="top" type="header">A. v. Humboldt, u&#x0364;ber den neue&#x017F;ten Zu&#x017F;tand</fw><lb/>
&#x201E;den indi&#x017F;chen Archipelagus knu&#x0364;pfend, dazu gelangen, eine wich-<lb/>
&#x201E;tige Stelle in der Reihe der Nationen einzunehmen. Leider &#x017F;ind<lb/>
&#x201E;wir bis jetzt ganz in der Schatten&#x017F;eite un&#x017F;ers Planeten geblie-<lb/>
&#x201E;ben und wenn ich einen Blick auf die Karten werfe, die zu uns<lb/>
&#x201E;aus Europa heru&#x0364;berkommen, &#x017F;o finden wir mit Mu&#x0364;he in dem<lb/>
&#x201E;verzerrten Bilde des Landes, die Bergketten und Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und die<lb/>
&#x201E;Namen un&#x017F;erer volkreich&#x017F;ten Sta&#x0364;dte. Als ich im Jahr 1823 die<lb/>
&#x201E;Haupt&#x017F;tadt Mexiko verließ, hoffte ich Jhren la&#x0364;ng&#x017F;t gea&#x0364;ußerten<lb/>
&#x201E;Wun&#x017F;ch, daß doch endlich einmal die Gebirge von Oaxaka und<lb/>
&#x201E;Guatemala geme&#x017F;&#x017F;en werden mo&#x0364;chten, durch eigene Bemu&#x0364;hungen<lb/>
&#x201E;zu erfu&#x0364;llen. Jch hatte mich mit einem guten Barometer und<lb/>
&#x201E;Thermometern ver&#x017F;ehen. Leider zerbrach das Barometer &#x017F;chon in<lb/>
&#x201E;Venta &#x017F;alata, und es blieb mir nur u&#x0364;brig, nach der Methode,<lb/>
&#x201E;welche ihr gelehrter Freund Caldas mit Jhnen in Su&#x0364;damerika<lb/>
&#x201E;oft angewandt hat, durch Be&#x017F;timmung des Su&#x0364;d-Punktes, die<lb/>
&#x201E;Ho&#x0364;hen anna&#x0364;hernd zu be&#x017F;timmen. Die&#x017F;e Temperatur-Beobachtun-<lb/>
&#x201E;gen hoffe ich Jhnen bald zu &#x017F;enden.&#x2033;</p><lb/>
        <p>Ein Theil des Landes von Mittel-Amerika, be&#x017F;onders in der<lb/>
Provinz Que&#x017F;altenango, welche jetzt ein <hi rendition="#aq">Departemento</hi> des Staats<lb/>
von Guatemala bildet, giebt von Waitzen und von allen andern<lb/>
Cerealien die reich&#x017F;ten Aernten. Ja im <hi rendition="#aq">Departemento de Solola</hi><lb/>
und in einem Theil des jetzt zu Mexiko ge&#x017F;chlagenen Staats von<lb/>
Chiapa, &#x017F;ind bewohnte Gebirgs Ebenen, &#x017F;o hoch, daß man &#x017F;ie<lb/>
bisweilen &#x017F;tundenlang mit Reif <hi rendition="#aq">(escarcha)</hi> bedeckt &#x017F;ieht.</p><lb/>
        <p>Da die Haupt&#x017F;tadt von <hi rendition="#g">Mittel-Amerika</hi> nicht zwei Mal,<lb/>
wie man gewo&#x0364;hnlich glaubt, &#x017F;ondern vier Mal ihren Sitz vera&#x0364;n-<lb/>
dert hat, und da &#x017F;tets in den alten Wohnpla&#x0364;tzen eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Volksmenge zuru&#x0364;ckgeblieben i&#x017F;t; &#x017F;o &#x017F;ind durch die&#x017F;e Vera&#x0364;nderungen<lb/>
der Aehnlichkeit der Namen wegen, viele geographi&#x017F;che Verwirrun-<lb/>
gen ent&#x017F;tanden.</p><lb/>
        <p>Nachdem Pedro de Alvarado<note place="foot" n="*)"> Die a&#x0364;lte&#x017F;te Stadt in der Republik von Centro-Amerika i&#x017F;t Kartago<lb/>
im Staat von Co&#x017F;ta-Rica. Jn den Archiven von Kartago werden noch<lb/>
Dokumente von 1520 aufbewahrt.</note> den 14ten Mai 1524 nach<lb/>
einer großen Schlacht Herr des Landes geworden war, wa&#x0364;hlte er<lb/>
endlich den Ort, welchen die Eingebornen Tyacuaba, die Mexika-<lb/>
ner aber in aztequi&#x017F;cher Sprache <hi rendition="#aq">Almolonga</hi> (Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;trom) nann-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0022] A. v. Humboldt, uͤber den neueſten Zuſtand „den indiſchen Archipelagus knuͤpfend, dazu gelangen, eine wich- „tige Stelle in der Reihe der Nationen einzunehmen. Leider ſind „wir bis jetzt ganz in der Schattenſeite unſers Planeten geblie- „ben und wenn ich einen Blick auf die Karten werfe, die zu uns „aus Europa heruͤberkommen, ſo finden wir mit Muͤhe in dem „verzerrten Bilde des Landes, die Bergketten und Fluͤſſe und die „Namen unſerer volkreichſten Staͤdte. Als ich im Jahr 1823 die „Hauptſtadt Mexiko verließ, hoffte ich Jhren laͤngſt geaͤußerten „Wunſch, daß doch endlich einmal die Gebirge von Oaxaka und „Guatemala gemeſſen werden moͤchten, durch eigene Bemuͤhungen „zu erfuͤllen. Jch hatte mich mit einem guten Barometer und „Thermometern verſehen. Leider zerbrach das Barometer ſchon in „Venta ſalata, und es blieb mir nur uͤbrig, nach der Methode, „welche ihr gelehrter Freund Caldas mit Jhnen in Suͤdamerika „oft angewandt hat, durch Beſtimmung des Suͤd-Punktes, die „Hoͤhen annaͤhernd zu beſtimmen. Dieſe Temperatur-Beobachtun- „gen hoffe ich Jhnen bald zu ſenden.″ Ein Theil des Landes von Mittel-Amerika, beſonders in der Provinz Queſaltenango, welche jetzt ein Departemento des Staats von Guatemala bildet, giebt von Waitzen und von allen andern Cerealien die reichſten Aernten. Ja im Departemento de Solola und in einem Theil des jetzt zu Mexiko geſchlagenen Staats von Chiapa, ſind bewohnte Gebirgs Ebenen, ſo hoch, daß man ſie bisweilen ſtundenlang mit Reif (escarcha) bedeckt ſieht. Da die Hauptſtadt von Mittel-Amerika nicht zwei Mal, wie man gewoͤhnlich glaubt, ſondern vier Mal ihren Sitz veraͤn- dert hat, und da ſtets in den alten Wohnplaͤtzen eine gewiſſe Volksmenge zuruͤckgeblieben iſt; ſo ſind durch dieſe Veraͤnderungen der Aehnlichkeit der Namen wegen, viele geographiſche Verwirrun- gen entſtanden. Nachdem Pedro de Alvarado *) den 14ten Mai 1524 nach einer großen Schlacht Herr des Landes geworden war, waͤhlte er endlich den Ort, welchen die Eingebornen Tyacuaba, die Mexika- ner aber in aztequiſcher Sprache Almolonga (Waſſerſtrom) nann- *) Die aͤlteſte Stadt in der Republik von Centro-Amerika iſt Kartago im Staat von Coſta-Rica. Jn den Archiven von Kartago werden noch Dokumente von 1520 aufbewahrt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_zustand_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_zustand_1826/22
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den neusten Zustand des Freistaats von Centro-Amerika oder Guatemala. In: Herta, Bd. 6 (1826), S. 131-161, hier S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_zustand_1826/22>, abgerufen am 24.11.2024.