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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
verschiedenen Nevados, nach der Gesammtheit meiner
Messungen, nur um 38 Toisen schwanken, dass die
mittlere Höhe selbst zu 14760 Fuss oder 2460 Toisen
anzurechnen ist und dass diese Grenze, 16° bis 18°
südlicher vom Aequator, in Bolivia, wegen des Ver-
hältnisses der mittleren Jahrestemperatur zur mitt-
leren Temperatur der heissesten Monate, wegen der
Masse, Ausdehnung und grösseren Höhe der umlie-
genden wärmestrahlenden Plateaux, wegen der Trok-
kenheit der Atmosphäre und wegen des völligen
Mangels alles Schneefalles von März bis November,
volle 2670 Toisen hoch liegt. Die untere Grenze des
perpetuirlichen Schnees, die keineswegs mit der isother-
men Curve von 0° zusammenfällt, steigt demnach hier
ausnahmsweise, statt zu sinken, indem man sich vom
Aequator entfernt. Aus ganz analogen Ursachen der
Wärmestrahlung in nahen Hochebenen liegt die Schnee-
grenze zwischen 30°3/4 und 31° nördlicher Breite, am
nördlichen tibetischen Abhange des Himalaya, in
2600 Toisen Höhe, wenn am südlichen, indischen Ab-
hange sie nur 1950 Toisen Höhe erreicht. Durch die-
sen merkwürdigen Einfluss der Gestaltung der Erd-
oberfläche ist ausserhalb der Wendekreise, ein be-
trächtlicher Theil von Inner-Asien von Ackerbauenden,
mönchisch-regierten, aber doch in Gesittung fortge-
schrittenen Völkern bewohnt, wo unter dem Aequator
in Südamerika der Boden mit ewigem Eise bedeckt ist.

Wir nahmen unseren Rückweg nach dem Dorfe
Calpi etwas nördlicher als die Llanos de Sisgun durch
den pflanzenreichen Paramo de Pungupala. Schon um
5 Uhr Abends waren wir wieder bei dem freundlichen
Pfarrer von Calpi. Wie gewöhnlich folgte auf den
nebelverhüllten Tag der Expedition die heiterste

Besteigung des Chimborazo.
verschiedenen Nevados, nach der Gesammtheit meiner
Messungen, nur um 38 Toisen schwanken, dass die
mittlere Höhe selbst zu 14760 Fuss oder 2460 Toisen
anzurechnen ist und dass diese Grenze, 16° bis 18°
südlicher vom Aequator, in Bolivia, wegen des Ver-
hältnisses der mittleren Jahrestemperatur zur mitt-
leren Temperatur der heissesten Monate, wegen der
Masse, Ausdehnung und grösseren Höhe der umlie-
genden wärmestrahlenden Plateaux, wegen der Trok-
kenheit der Atmosphäre und wegen des völligen
Mangels alles Schneefalles von März bis November,
volle 2670 Toisen hoch liegt. Die untere Grenze des
perpetuirlichen Schnees, die keineswegs mit der isother-
men Curve von 0° zusammenfällt, steigt demnach hier
ausnahmsweise, statt zu sinken, indem man sich vom
Aequator entfernt. Aus ganz analogen Ursachen der
Wärmestrahlung in nahen Hochebenen liegt die Schnee-
grenze zwischen 30°¾ und 31° nördlicher Breite, am
nördlichen tibetischen Abhange des Himalaya, in
2600 Toisen Höhe, wenn am südlichen, indischen Ab-
hange sie nur 1950 Toisen Höhe erreicht. Durch die-
sen merkwürdigen Einfluss der Gestaltung der Erd-
oberfläche ist ausserhalb der Wendekreise, ein be-
trächtlicher Theil von Inner-Asien von Ackerbauenden,
mönchisch-regierten, aber doch in Gesittung fortge-
schrittenen Völkern bewohnt, wo unter dem Aequator
in Südamerika der Boden mit ewigem Eise bedeckt ist.

Wir nahmen unseren Rückweg nach dem Dorfe
Calpi etwas nördlicher als die Llanos de Sisgun durch
den pflanzenreichen Paramo de Pungupala. Schon um
5 Uhr Abends waren wir wieder bei dem freundlichen
Pfarrer von Calpi. Wie gewöhnlich folgte auf den
nebelverhüllten Tag der Expedition die heiterste

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[200/0027] Besteigung des Chimborazo. verschiedenen Nevados, nach der Gesammtheit meiner Messungen, nur um 38 Toisen schwanken, dass die mittlere Höhe selbst zu 14760 Fuss oder 2460 Toisen anzurechnen ist und dass diese Grenze, 16° bis 18° südlicher vom Aequator, in Bolivia, wegen des Ver- hältnisses der mittleren Jahrestemperatur zur mitt- leren Temperatur der heissesten Monate, wegen der Masse, Ausdehnung und grösseren Höhe der umlie- genden wärmestrahlenden Plateaux, wegen der Trok- kenheit der Atmosphäre und wegen des völligen Mangels alles Schneefalles von März bis November, volle 2670 Toisen hoch liegt. Die untere Grenze des perpetuirlichen Schnees, die keineswegs mit der isother- men Curve von 0° zusammenfällt, steigt demnach hier ausnahmsweise, statt zu sinken, indem man sich vom Aequator entfernt. Aus ganz analogen Ursachen der Wärmestrahlung in nahen Hochebenen liegt die Schnee- grenze zwischen 30°¾ und 31° nördlicher Breite, am nördlichen tibetischen Abhange des Himalaya, in 2600 Toisen Höhe, wenn am südlichen, indischen Ab- hange sie nur 1950 Toisen Höhe erreicht. Durch die- sen merkwürdigen Einfluss der Gestaltung der Erd- oberfläche ist ausserhalb der Wendekreise, ein be- trächtlicher Theil von Inner-Asien von Ackerbauenden, mönchisch-regierten, aber doch in Gesittung fortge- schrittenen Völkern bewohnt, wo unter dem Aequator in Südamerika der Boden mit ewigem Eise bedeckt ist. Wir nahmen unseren Rückweg nach dem Dorfe Calpi etwas nördlicher als die Llanos de Sisgun durch den pflanzenreichen Paramo de Pungupala. Schon um 5 Uhr Abends waren wir wieder bei dem freundlichen Pfarrer von Calpi. Wie gewöhnlich folgte auf den nebelverhüllten Tag der Expedition die heiterste

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/27>, abgerufen am 26.04.2024.