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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper.
Continent bereits durchstrichen haben; dagegen führen zu westlichen Küsten
(in Europa, wie in Neu-Californien und Nootka) westliche Winde Luftschich-
ten herbei, die sich im strengsten Winter in Berührung mit der großen ocea-
nischen Wasserfläche erwärmt haben. Nach diesen Ideen habe ich die ge-
nauere Kenntniß der niedrigsten Temperatur, zu welcher das Atlantische
Meer
außerhalb dem Golfstrohme, zwischen dem 40sten und 50sten Grade
der Breite, (also in den Breiten von Spanien, Frankreich und Deutschland)
herabsinkt, einer besonderen Untersuchung werth gehalten. Ich habe ge-
funden, daß im Monat Januar das Meerwasser in 40° Breite nicht unter
10°,7; in 45° Breite nicht unter 9°,8 herabsinkt. Der allgemein verehrte
Geograph von Ostindien, Major Rennell, der sich seit dreißig Jahren mit
der Richtung der Ströhmungen im Atlantischen Ocean beschäftigt, und mir
bei meinem neuesten Aufenthalt in England einen Theil seiner handschrift-
lichen Materialien mitgetheilt hat, findet für 50 Grad Breite, also in der
Zone des nördlichen Deutschlands, eine Winter-Temperatur des Meerwassers
welche die Luftschichten selbst in dem glücklichen Klima von Marseille im
Januar nicht erreichen. Wenn die relative Ausdehnung von Asien und Nord-
Amerika
, von der Südsee und dem nördlichen Atlantischen Ocean anders
wäre, als sie jetzt ist, so würde, durch ungleiche Erwärmung der festen
und flüssigen Theile der Erdoberfläche, das ganze System der Winde in der
nördlichen Hemisphäre, sowohl ihrer Richtung, als ihrer Stärke nach, ver-
ändert werden.

Unser Europa verdankt ein milderes Klima seiner Erdstellung (seinem
Positions-Verhältnisse gegen das nahe Meer) und seiner gegliederten Gestal-
tung. Europa ist der westliche Theil des alten Continents, und hat also
den großen, schon an sich kältemindernden und dazu noch vom Golfstrom
theilweise erwärmten Atlantischen Ocean in Westen. Zwischen den Meri-
dianen, in denen Europa sich hinstreckt, fällt die Äquatorial-Zone nicht in
das Becken des Oceans, wie südlich von dem, eben deshalb kälteren Asien.
Der Welttheil, der unter allen den größten Theil des tropischen Klimas ge-
nießt, das sandbedeckte Afrika, ist so gelegen, daß Europa von den Luft-
schichten erwärmt wird, welche über Afrika aufsteigend, sich von dem Äqua-
tor gegen den Nordpol ergießen. Ohne die Existenz des Mittelländischen
Meeres
würde der Einfluß des nahen Afrika's auf Temperatur und geogra-
phische Verbreitung von Pflanzen und Thieren noch wirksamer seyn. Der

über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper.
Continent bereits durchstrichen haben; dagegen führen zu westlichen Küsten
(in Europa, wie in Neu-Californien und Nootka) westliche Winde Luftschich-
ten herbei, die sich im strengsten Winter in Berührung mit der großen ocea-
nischen Wasserfläche erwärmt haben. Nach diesen Ideen habe ich die ge-
nauere Kenntniß der niedrigsten Temperatur, zu welcher das Atlantische
Meer
außerhalb dem Golfstrohme, zwischen dem 40sten und 50sten Grade
der Breite, (also in den Breiten von Spanien, Frankreich und Deutschland)
herabsinkt, einer besonderen Untersuchung werth gehalten. Ich habe ge-
funden, daß im Monat Januar das Meerwasser in 40° Breite nicht unter
10°,7; in 45° Breite nicht unter 9°,8 herabsinkt. Der allgemein verehrte
Geograph von Ostindien, Major Rennell, der sich seit dreißig Jahren mit
der Richtung der Ströhmungen im Atlantischen Ocean beschäftigt, und mir
bei meinem neuesten Aufenthalt in England einen Theil seiner handschrift-
lichen Materialien mitgetheilt hat, findet für 50 Grad Breite, also in der
Zone des nördlichen Deutschlands, eine Winter-Temperatur des Meerwassers
welche die Luftschichten selbst in dem glücklichen Klima von Marseille im
Januar nicht erreichen. Wenn die relative Ausdehnung von Asien und Nord-
Amerika
, von der Südsee und dem nördlichen Atlantischen Ocean anders
wäre, als sie jetzt ist, so würde, durch ungleiche Erwärmung der festen
und flüssigen Theile der Erdoberfläche, das ganze System der Winde in der
nördlichen Hemisphäre, sowohl ihrer Richtung, als ihrer Stärke nach, ver-
ändert werden.

Unser Europa verdankt ein milderes Klima seiner Erdstellung (seinem
Positions-Verhältnisse gegen das nahe Meer) und seiner gegliederten Gestal-
tung. Europa ist der westliche Theil des alten Continents, und hat also
den großen, schon an sich kältemindernden und dazu noch vom Golfstrom
theilweise erwärmten Atlantischen Ocean in Westen. Zwischen den Meri-
dianen, in denen Europa sich hinstreckt, fällt die Äquatorial-Zone nicht in
das Becken des Oceans, wie südlich von dem, eben deshalb kälteren Asien.
Der Welttheil, der unter allen den größten Theil des tropischen Klimas ge-
nießt, das sandbedeckte Afrika, ist so gelegen, daß Europa von den Luft-
schichten erwärmt wird, welche über Afrika aufsteigend, sich von dem Äqua-
tor gegen den Nordpol ergießen. Ohne die Existenz des Mittelländischen
Meeres
würde der Einfluß des nahen Afrika's auf Temperatur und geogra-
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[311/0018] über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. Continent bereits durchstrichen haben; dagegen führen zu westlichen Küsten (in Europa, wie in Neu-Californien und Nootka) westliche Winde Luftschich- ten herbei, die sich im strengsten Winter in Berührung mit der großen ocea- nischen Wasserfläche erwärmt haben. Nach diesen Ideen habe ich die ge- nauere Kenntniß der niedrigsten Temperatur, zu welcher das Atlantische Meer außerhalb dem Golfstrohme, zwischen dem 40sten und 50sten Grade der Breite, (also in den Breiten von Spanien, Frankreich und Deutschland) herabsinkt, einer besonderen Untersuchung werth gehalten. Ich habe ge- funden, daß im Monat Januar das Meerwasser in 40° Breite nicht unter 10°,7; in 45° Breite nicht unter 9°,8 herabsinkt. Der allgemein verehrte Geograph von Ostindien, Major Rennell, der sich seit dreißig Jahren mit der Richtung der Ströhmungen im Atlantischen Ocean beschäftigt, und mir bei meinem neuesten Aufenthalt in England einen Theil seiner handschrift- lichen Materialien mitgetheilt hat, findet für 50 Grad Breite, also in der Zone des nördlichen Deutschlands, eine Winter-Temperatur des Meerwassers welche die Luftschichten selbst in dem glücklichen Klima von Marseille im Januar nicht erreichen. Wenn die relative Ausdehnung von Asien und Nord- Amerika, von der Südsee und dem nördlichen Atlantischen Ocean anders wäre, als sie jetzt ist, so würde, durch ungleiche Erwärmung der festen und flüssigen Theile der Erdoberfläche, das ganze System der Winde in der nördlichen Hemisphäre, sowohl ihrer Richtung, als ihrer Stärke nach, ver- ändert werden. Unser Europa verdankt ein milderes Klima seiner Erdstellung (seinem Positions-Verhältnisse gegen das nahe Meer) und seiner gegliederten Gestal- tung. Europa ist der westliche Theil des alten Continents, und hat also den großen, schon an sich kältemindernden und dazu noch vom Golfstrom theilweise erwärmten Atlantischen Ocean in Westen. Zwischen den Meri- dianen, in denen Europa sich hinstreckt, fällt die Äquatorial-Zone nicht in das Becken des Oceans, wie südlich von dem, eben deshalb kälteren Asien. Der Welttheil, der unter allen den größten Theil des tropischen Klimas ge- nießt, das sandbedeckte Afrika, ist so gelegen, daß Europa von den Luft- schichten erwärmt wird, welche über Afrika aufsteigend, sich von dem Äqua- tor gegen den Nordpol ergießen. Ohne die Existenz des Mittelländischen Meeres würde der Einfluß des nahen Afrika's auf Temperatur und geogra- phische Verbreitung von Pflanzen und Thieren noch wirksamer seyn. Der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/18>, abgerufen am 24.11.2024.