Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 5, S. 389-420.Abhandlungen. Land; der Streit hielt aber nicht an; der Oceanzieht sich von neuem zurück. Die Inseln Coche und Cuagua sind Untiefen, die aus dem Wasser hervorkamen; die große Ebene (le Salado,) auf der Cumana liegt, gehörte zum Meerbusen von Ca- riaco, eine Ebene, die nur um 51/2 Toisen übers Meer erhaben ist. Der Hügel, auf dem das Schloß S. Antonio liegt, war eine Insel in diesem Golf, indem ein Arm des Meeres im Norden des Tatora- qual durch die Charas gegen Punta delegada hin gieng, wie eine Menge von beynahe unveränderten Muscheln beweißt. Hier und zu Barcelona be- merkt man, daß das Meer sich täglich zurückzieht, im Hafen von Barcelona hat es in 20 Jahren über 900 Toisen verloren. Ist diese Abnahme des Mee- res allgemein im Meerbusen von Mexico, oder ist es hier wie im mittelländischen Meer, daß es auf einem Punkt gewinnt, indem es auf einem andern verliert? Dieser Rückgang des Meeres darf mit ei- nem andern wahrhaftigen und leicht erklärbaren Phänomen nicht verwechselt werden, nämlich mit der Verminderung des süßen Wassers, des Regens und der Flüsse in diesem Continent. Der Orinoco, wie wir ihn heut zu Tage sehen, ist nicht mehr der Schatten von dem, was er ehedem war, vielleicht noch vor 1000 Jahren, nach Aussage der Spuren, die das Wasser an beiden Ufern, in der Höhe von 70 bis 80 Toisen zurückgelassen hat, wohin jene höhern, schwarzen Streifen (des Graphit abfetzen- den Flusses), die man da sieht, gehören. Diese Spuren haben seit langer Zeit die Aufmerksamkeit ungebildeter Europäer erregt, welche den Barra- guan, die Cueva de Atarnipe (den Begräbnißort der India-
Abhandlungen. Land; der Streit hielt aber nicht an; der Oceanzieht ſich von neuem zurück. Die Inſeln Coche und Cuagua ſind Untiefen, die aus dem Waſſer hervorkamen; die große Ebene (le Salado,) auf der Cumana liegt, gehörte zum Meerbuſen von Ca- riaco, eine Ebene, die nur um 5½ Toiſen übers Meer erhaben iſt. Der Hügel, auf dem das Schloß S. Antonio liegt, war eine Inſel in dieſem Golf, indem ein Arm des Meeres im Norden des Tatora- qual durch die Charas gegen Punta delegada hin gieng, wie eine Menge von beynahe unveränderten Muſcheln beweißt. Hier und zu Barcelona be- merkt man, daß das Meer ſich täglich zurückzieht, im Hafen von Barcelona hat es in 20 Jahren über 900 Toiſen verloren. Iſt dieſe Abnahme des Mee- res allgemein im Meerbuſen von Mexico, oder iſt es hier wie im mittelländiſchen Meer, daß es auf einem Punkt gewinnt, indem es auf einem andern verliert? Dieſer Rückgang des Meeres darf mit ei- nem andern wahrhaftigen und leicht erklärbaren Phänomen nicht verwechſelt werden, nämlich mit der Verminderung des ſüßen Waſſers, des Regens und der Flüſſe in dieſem Continent. Der Orinoco, wie wir ihn heut zu Tage ſehen, iſt nicht mehr der Schatten von dem, was er ehedem war, vielleicht noch vor 1000 Jahren, nach Ausſage der Spuren, die das Waſſer an beiden Ufern, in der Höhe von 70 bis 80 Toiſen zurückgelaſſen hat, wohin jene höhern, ſchwarzen Streifen (des Graphit abfetzen- den Fluſſes), die man da ſieht, gehören. Dieſe Spuren haben ſeit langer Zeit die Aufmerkſamkeit ungebildeter Europäer erregt, welche den Barra- guan, die Cueva de Atarnipe (den Begräbnißort der India-
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Abhandlungen.
Land; der Streit hielt aber nicht an; der Ocean
zieht ſich von neuem zurück. Die Inſeln Coche
und Cuagua ſind Untiefen, die aus dem Waſſer
hervorkamen; die große Ebene (le Salado,) auf
der Cumana liegt, gehörte zum Meerbuſen von Ca-
riaco, eine Ebene, die nur um 5½ Toiſen übers
Meer erhaben iſt. Der Hügel, auf dem das Schloß
S. Antonio liegt, war eine Inſel in dieſem Golf,
indem ein Arm des Meeres im Norden des Tatora-
qual durch die Charas gegen Punta delegada hin
gieng, wie eine Menge von beynahe unveränderten
Muſcheln beweißt. Hier und zu Barcelona be-
merkt man, daß das Meer ſich täglich zurückzieht,
im Hafen von Barcelona hat es in 20 Jahren über
900 Toiſen verloren. Iſt dieſe Abnahme des Mee-
res allgemein im Meerbuſen von Mexico, oder iſt
es hier wie im mittelländiſchen Meer, daß es auf
einem Punkt gewinnt, indem es auf einem andern
verliert? Dieſer Rückgang des Meeres darf mit ei-
nem andern wahrhaftigen und leicht erklärbaren
Phänomen nicht verwechſelt werden, nämlich mit
der Verminderung des ſüßen Waſſers, des Regens
und der Flüſſe in dieſem Continent. Der Orinoco,
wie wir ihn heut zu Tage ſehen, iſt nicht mehr der
Schatten von dem, was er ehedem war, vielleicht
noch vor 1000 Jahren, nach Ausſage der Spuren,
die das Waſſer an beiden Ufern, in der Höhe von
70 bis 80 Toiſen zurückgelaſſen hat, wohin jene
höhern, ſchwarzen Streifen (des Graphit abfetzen-
den Fluſſes), die man da ſieht, gehören. Dieſe
Spuren haben ſeit langer Zeit die Aufmerkſamkeit
ungebildeter Europäer erregt, welche den Barra-
guan, die Cueva de Atarnipe (den Begräbnißort der
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