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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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selbst, vor ihrem Tode, oder die übrigbleibenden Verwand-
ten, oder die Gemeine zu befördern. Das Betragen der
Vormünder erfordert eine noch genauere und doppelt wach-
same Aufsicht.

5. Um die Sicherheit der Unmündigen zu befördern,
und zu verhindern, dass man sich nicht ihrer Unerfahren-
heit oder Unbesonnenheit zu ihrem Nachtheil bediene, muss
der Staat diejenigen ihrer, allein für sich vorgenommenen
Handlungen, deren Folgen ihnen schädlich werden könnten,
für ungültig erklären, und diejenigen, welche sie zu ihrem
Vortheil auf diese Weise benutzen, bestrafen.

6. Alles was hier von Unmündigen gesagt worden, gilt
auch von solchen, die ihres Verstandes beraubt sind; nur
mit den Unterschieden, welche die Natur der Sache selbst
zeigt. Auch darf niemand eher als ein solcher angesehen
werden, ehe er nicht, nach einer, unter Aufsicht des Rich-
ters, durch Aerzte vorgenommenen Prüfung, förmlich dafür
erklärt ist; und das Uebel selbst muss immer, als mög-
licherweise wieder vorübergehend, betrachtet werden.

Ich bin jetzt alle Gegenstände durchgegangen, auf welche
der Staat seine Geschäftigkeit ausdehnen muss; ich habe bei
jedem die höchsten Principien aufzustellen versucht. Findet
man diesen Versuch zu mangelhaft, sucht man viele, in der Ge-
setzgebung wichtige Materien vergebens in demselben; so darf
man nicht vergessen, dass es nicht meine Absicht war, eine
Theorie der Gesetzgebung aufzustellen -- ein Werk, dem weder
meine Kräfte, noch meine Kenntnisse gewachsen sind -- son-
dern allein den Gesichtspunkt herauszuheben, inwiefern die Ge-
setzgebung in ihren verschiedenen Zweigen die Wirksamkeit
des Staats ausdehnen dürfe, oder einschränken müsse? Denn
wie sich die Gesetzgebung nach ihren Gegenständen abtheilen
lässt, eben so kann dieselbe auch nach ihren Quellen eingetheilt
werden, und vielleicht ist diese Eintheilung, vorzüglich für den

selbst, vor ihrem Tode, oder die übrigbleibenden Verwand-
ten, oder die Gemeine zu befördern. Das Betragen der
Vormünder erfordert eine noch genauere und doppelt wach-
same Aufsicht.

5. Um die Sicherheit der Unmündigen zu befördern,
und zu verhindern, dass man sich nicht ihrer Unerfahren-
heit oder Unbesonnenheit zu ihrem Nachtheil bediene, muss
der Staat diejenigen ihrer, allein für sich vorgenommenen
Handlungen, deren Folgen ihnen schädlich werden könnten,
für ungültig erklären, und diejenigen, welche sie zu ihrem
Vortheil auf diese Weise benutzen, bestrafen.

6. Alles was hier von Unmündigen gesagt worden, gilt
auch von solchen, die ihres Verstandes beraubt sind; nur
mit den Unterschieden, welche die Natur der Sache selbst
zeigt. Auch darf niemand eher als ein solcher angesehen
werden, ehe er nicht, nach einer, unter Aufsicht des Rich-
ters, durch Aerzte vorgenommenen Prüfung, förmlich dafür
erklärt ist; und das Uebel selbst muss immer, als mög-
licherweise wieder vorübergehend, betrachtet werden.

Ich bin jetzt alle Gegenstände durchgegangen, auf welche
der Staat seine Geschäftigkeit ausdehnen muss; ich habe bei
jedem die höchsten Principien aufzustellen versucht. Findet
man diesen Versuch zu mangelhaft, sucht man viele, in der Ge-
setzgebung wichtige Materien vergebens in demselben; so darf
man nicht vergessen, dass es nicht meine Absicht war, eine
Theorie der Gesetzgebung aufzustellen — ein Werk, dem weder
meine Kräfte, noch meine Kenntnisse gewachsen sind — son-
dern allein den Gesichtspunkt herauszuheben, inwiefern die Ge-
setzgebung in ihren verschiedenen Zweigen die Wirksamkeit
des Staats ausdehnen dürfe, oder einschränken müsse? Denn
wie sich die Gesetzgebung nach ihren Gegenständen abtheilen
lässt, eben so kann dieselbe auch nach ihren Quellen eingetheilt
werden, und vielleicht ist diese Eintheilung, vorzüglich für den

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[168/0204] selbst, vor ihrem Tode, oder die übrigbleibenden Verwand- ten, oder die Gemeine zu befördern. Das Betragen der Vormünder erfordert eine noch genauere und doppelt wach- same Aufsicht. 5. Um die Sicherheit der Unmündigen zu befördern, und zu verhindern, dass man sich nicht ihrer Unerfahren- heit oder Unbesonnenheit zu ihrem Nachtheil bediene, muss der Staat diejenigen ihrer, allein für sich vorgenommenen Handlungen, deren Folgen ihnen schädlich werden könnten, für ungültig erklären, und diejenigen, welche sie zu ihrem Vortheil auf diese Weise benutzen, bestrafen. 6. Alles was hier von Unmündigen gesagt worden, gilt auch von solchen, die ihres Verstandes beraubt sind; nur mit den Unterschieden, welche die Natur der Sache selbst zeigt. Auch darf niemand eher als ein solcher angesehen werden, ehe er nicht, nach einer, unter Aufsicht des Rich- ters, durch Aerzte vorgenommenen Prüfung, förmlich dafür erklärt ist; und das Uebel selbst muss immer, als mög- licherweise wieder vorübergehend, betrachtet werden. Ich bin jetzt alle Gegenstände durchgegangen, auf welche der Staat seine Geschäftigkeit ausdehnen muss; ich habe bei jedem die höchsten Principien aufzustellen versucht. Findet man diesen Versuch zu mangelhaft, sucht man viele, in der Ge- setzgebung wichtige Materien vergebens in demselben; so darf man nicht vergessen, dass es nicht meine Absicht war, eine Theorie der Gesetzgebung aufzustellen — ein Werk, dem weder meine Kräfte, noch meine Kenntnisse gewachsen sind — son- dern allein den Gesichtspunkt herauszuheben, inwiefern die Ge- setzgebung in ihren verschiedenen Zweigen die Wirksamkeit des Staats ausdehnen dürfe, oder einschränken müsse? Denn wie sich die Gesetzgebung nach ihren Gegenständen abtheilen lässt, eben so kann dieselbe auch nach ihren Quellen eingetheilt werden, und vielleicht ist diese Eintheilung, vorzüglich für den

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/204>, abgerufen am 27.04.2024.