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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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menschlichen Handel Vorschub. Man hetzte die Eingeborenen,
sich zu bekriegen, und kaufte dann die Gefangenen los; und
um dem Sklavenhandel einen Anstrich von Rechtmäßigkeit zu
geben, gingen Geistliche mit der Tropa de rescate, die unter-
suchten, "ob diejenigen, welche Sklaven verkauften, auch dazu
berechtigt seien, weil sie dieselben in offenem Kampfe zu Ge-
fangenen gemacht". Vom Jahre 1737 an wiederholten sich
diese Züge der Portugiesen an den oberen Orinoko sehr oft.
Die Gier, Sklaven (poitos) gegen Beile, Fischangeln und
Glaswaren zu vertauschen, trieb die indianischen Völkerschaften
zum blutigen Streite gegeneinander. Die Quipunave, unter
ihrem tapferen und grausamen Häuptling Macapu, waren vom
Inirida zum Zusammenflusse des Atabapo und des Orinoko
herabgekommen. "Sie verkauften," sagt der Missionär Gili,
"die Gefangenen, die sie nicht verzehrten." Ueber diesem
Treiben wurden die Jesuiten am unteren Orinoko unruhig,
und der Superior der spanischen Missionen, Pater Roman,
ein vertrauter Freund Gumillas, faßte mutig den Entschluß,
ohne Begleitung von spanischen Soldaten über die großen
Katarakte hinaufzugehen und die Quipunave heimzusuchen.
Er ging am 4. Februar 1744 von Carichana ab; angelangt
am Zusammenflusse des Guaviare, des Atabapo und des Ori-
noko, an der Stelle, wo letzterer Fluß aus seiner Richtung
von Ost nach West in die von Süd nach Nord übergeht, sah
er von weitem eine Piroge, so groß wie die seinige, voll
von europäisch gekleideten Leuten. Er ließ, gemäß der Sitte
der Missionäre, wenn sie in unbekanntem Lande auf dem
Wasser sind, als Friedenszeichen das Kruzifix am Vorderteile
seines Fahrzeuges aufpflanzen. Die Weißen (es waren por-
tugiesische Sklavenhändler vom Rio Negro) erkannten mit
Jubel das Ordenskleid des heiligen Ignatius. Sie verwun-
derten sich, als sie hörten, der Fluß, auf dem diese Begeg-
nung stattgefunden, sei der Orinoko, und sie nahmen Pater
Roman über den Cassiquiare in die Niederlassungen am Rio
Negro mit sich. Der Superior der spanischen Missionen sah
sich genötigt, beim fliegenden Lager der Tropa de rescate
zu verweilen, bis der portugiesische Jesuit Avogadri, der in
Geschäften nach Gran-Para gegangen, zurück war. Auf dem-
selben Wege, über den Cassiquiare und den oberen Orinoko,
fuhr Pater Roman mit seinen Salivasindianern nach Para-
ruma, etwas nördlich von Carichana, zurück, nachdem er sieben
Monate ausgewesen. Er ist der erste Weiße, der vom Rio

menſchlichen Handel Vorſchub. Man hetzte die Eingeborenen,
ſich zu bekriegen, und kaufte dann die Gefangenen los; und
um dem Sklavenhandel einen Anſtrich von Rechtmäßigkeit zu
geben, gingen Geiſtliche mit der Tropa de rescate, die unter-
ſuchten, „ob diejenigen, welche Sklaven verkauften, auch dazu
berechtigt ſeien, weil ſie dieſelben in offenem Kampfe zu Ge-
fangenen gemacht“. Vom Jahre 1737 an wiederholten ſich
dieſe Züge der Portugieſen an den oberen Orinoko ſehr oft.
Die Gier, Sklaven (poitos) gegen Beile, Fiſchangeln und
Glaswaren zu vertauſchen, trieb die indianiſchen Völkerſchaften
zum blutigen Streite gegeneinander. Die Quipunave, unter
ihrem tapferen und grauſamen Häuptling Macapu, waren vom
Inirida zum Zuſammenfluſſe des Atabapo und des Orinoko
herabgekommen. „Sie verkauften,“ ſagt der Miſſionär Gili,
„die Gefangenen, die ſie nicht verzehrten.“ Ueber dieſem
Treiben wurden die Jeſuiten am unteren Orinoko unruhig,
und der Superior der ſpaniſchen Miſſionen, Pater Roman,
ein vertrauter Freund Gumillas, faßte mutig den Entſchluß,
ohne Begleitung von ſpaniſchen Soldaten über die großen
Katarakte hinaufzugehen und die Quipunave heimzuſuchen.
Er ging am 4. Februar 1744 von Carichana ab; angelangt
am Zuſammenfluſſe des Guaviare, des Atabapo und des Ori-
noko, an der Stelle, wo letzterer Fluß aus ſeiner Richtung
von Oſt nach Weſt in die von Süd nach Nord übergeht, ſah
er von weitem eine Piroge, ſo groß wie die ſeinige, voll
von europäiſch gekleideten Leuten. Er ließ, gemäß der Sitte
der Miſſionäre, wenn ſie in unbekanntem Lande auf dem
Waſſer ſind, als Friedenszeichen das Kruzifix am Vorderteile
ſeines Fahrzeuges aufpflanzen. Die Weißen (es waren por-
tugieſiſche Sklavenhändler vom Rio Negro) erkannten mit
Jubel das Ordenskleid des heiligen Ignatius. Sie verwun-
derten ſich, als ſie hörten, der Fluß, auf dem dieſe Begeg-
nung ſtattgefunden, ſei der Orinoko, und ſie nahmen Pater
Roman über den Caſſiquiare in die Niederlaſſungen am Rio
Negro mit ſich. Der Superior der ſpaniſchen Miſſionen ſah
ſich genötigt, beim fliegenden Lager der Tropa de rescate
zu verweilen, bis der portugieſiſche Jeſuit Avogadri, der in
Geſchäften nach Gran-Para gegangen, zurück war. Auf dem-
ſelben Wege, über den Caſſiquiare und den oberen Orinoko,
fuhr Pater Roman mit ſeinen Salivasindianern nach Para-
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Monate ausgeweſen. Er iſt der erſte Weiße, der vom Rio

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[47/0055] menſchlichen Handel Vorſchub. Man hetzte die Eingeborenen, ſich zu bekriegen, und kaufte dann die Gefangenen los; und um dem Sklavenhandel einen Anſtrich von Rechtmäßigkeit zu geben, gingen Geiſtliche mit der Tropa de rescate, die unter- ſuchten, „ob diejenigen, welche Sklaven verkauften, auch dazu berechtigt ſeien, weil ſie dieſelben in offenem Kampfe zu Ge- fangenen gemacht“. Vom Jahre 1737 an wiederholten ſich dieſe Züge der Portugieſen an den oberen Orinoko ſehr oft. Die Gier, Sklaven (poitos) gegen Beile, Fiſchangeln und Glaswaren zu vertauſchen, trieb die indianiſchen Völkerſchaften zum blutigen Streite gegeneinander. Die Quipunave, unter ihrem tapferen und grauſamen Häuptling Macapu, waren vom Inirida zum Zuſammenfluſſe des Atabapo und des Orinoko herabgekommen. „Sie verkauften,“ ſagt der Miſſionär Gili, „die Gefangenen, die ſie nicht verzehrten.“ Ueber dieſem Treiben wurden die Jeſuiten am unteren Orinoko unruhig, und der Superior der ſpaniſchen Miſſionen, Pater Roman, ein vertrauter Freund Gumillas, faßte mutig den Entſchluß, ohne Begleitung von ſpaniſchen Soldaten über die großen Katarakte hinaufzugehen und die Quipunave heimzuſuchen. Er ging am 4. Februar 1744 von Carichana ab; angelangt am Zuſammenfluſſe des Guaviare, des Atabapo und des Ori- noko, an der Stelle, wo letzterer Fluß aus ſeiner Richtung von Oſt nach Weſt in die von Süd nach Nord übergeht, ſah er von weitem eine Piroge, ſo groß wie die ſeinige, voll von europäiſch gekleideten Leuten. Er ließ, gemäß der Sitte der Miſſionäre, wenn ſie in unbekanntem Lande auf dem Waſſer ſind, als Friedenszeichen das Kruzifix am Vorderteile ſeines Fahrzeuges aufpflanzen. Die Weißen (es waren por- tugieſiſche Sklavenhändler vom Rio Negro) erkannten mit Jubel das Ordenskleid des heiligen Ignatius. Sie verwun- derten ſich, als ſie hörten, der Fluß, auf dem dieſe Begeg- nung ſtattgefunden, ſei der Orinoko, und ſie nahmen Pater Roman über den Caſſiquiare in die Niederlaſſungen am Rio Negro mit ſich. Der Superior der ſpaniſchen Miſſionen ſah ſich genötigt, beim fliegenden Lager der Tropa de rescate zu verweilen, bis der portugieſiſche Jeſuit Avogadri, der in Geſchäften nach Gran-Para gegangen, zurück war. Auf dem- ſelben Wege, über den Caſſiquiare und den oberen Orinoko, fuhr Pater Roman mit ſeinen Salivasindianern nach Para- ruma, etwas nördlich von Carichana, zurück, nachdem er ſieben Monate ausgeweſen. Er iſt der erſte Weiße, der vom Rio

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/55>, abgerufen am 25.11.2024.