Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.machte sich Ralegh noch keine bestimmte Vorstellung von der Wir haben oben gesehen, daß die Spanier den Rio machte ſich Ralegh noch keine beſtimmte Vorſtellung von der Wir haben oben geſehen, daß die Spanier den Rio <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0203" n="195"/> machte ſich Ralegh noch keine beſtimmte Vorſtellung von der<lb/> Lage des Dorado und des Sees Parime, den er für geſalzen<lb/> hielt und den er ein „zweites Kaſpiſches Meer“ nennt. Erſt<lb/> bei der zweiten, gleichfalls auf Raleghs Koſten unternommenen<lb/> Reiſe (1596) gab Lawrence Keymis die Oertlichkeiten des<lb/> Dorado ſo beſtimmt an, daß, wie mir dünkt, an der Identität<lb/> der <hi rendition="#g">Parime de Manoa</hi> mit dem See Amucu und dem<lb/> Iſthmus zwiſchen dem Rupunuwini (der in den Eſſequibo<lb/> läuft) und dem Rio Parime oder Rio Branco gar nicht zu<lb/> zweifeln iſt. „Die Indianer,“ ſagt Keymis, „fahren den<lb/> Eſſequibo ſüdwärts in 20 Tagen hinauf. Um die Stärke des<lb/> Fluſſes anzudeuten, nennen ſie ihn den <hi rendition="#g">Bruder des Ori-<lb/> noko</hi>. Nach 20tägiger Fahrt ſchaffen ſie ihre Kanoen über<lb/> einen Trageplatz <hi rendition="#g">in einem einzigen Tage</hi> aus dem Fluſſe<lb/> Deſſekebe auf einen See, den die Jaos Roponowini, die<lb/> Kariben Parime nennen. Dieſer See iſt groß wie ein Meer;<lb/> es fahren unzählige Kanoen darauf, und ich vermute (die<lb/> Indianer hatten ihm alſo nichts davon geſagt), daß es der-<lb/> ſelbe See iſt, an dem die Stadt Manoa liegt.“ Hondius<lb/> gibt eine merkwürdige Abbildung von jenem Trageplatz, und<lb/> da nach der damaligen Vorſtellung die Mündung des Carony<lb/> unter dem 4. Breitengrad (ſtatt unter 8° 8′) lag, ſo ſetzte<lb/> man den Trageplatz ganz nahe an den Aequator. Zur ſelben<lb/> Zeit ließ man den Viapoco (Oyapoc) und den Rio Cayane<lb/> (Maroni?) aus jenem See Parime kommen. Der Umſtand,<lb/> daß die Kariben den weſtlichen Zweig des Rio Branco ebenſo<lb/> nennen, hat vielleicht ſoviel dazu beigetragen, den See Amucu<lb/> in der Einbildung zu vergrößern, als die Ueberſchwemmungen<lb/> der verſchiedenen Nebenflüſſe des Uraricuera von der Mündung<lb/> des Tacutu bis zum <hi rendition="#aq">Valle de la inundacion.</hi></p><lb/> <p>Wir haben oben geſehen, daß die Spanier den Rio<lb/> Paragua oder Parava, der in den Carony fällt, für einen<lb/> See hielten, weil das Wort <hi rendition="#aq">Parava</hi> <hi rendition="#g">Meer, See, Fluß</hi><lb/> bedeutet. Ebenſo ſcheint Parime <hi rendition="#g">großes Waſſer</hi> im all-<lb/> gemeinen zu bedeuten, denn die Wurzel <hi rendition="#aq">par</hi> kommt in kari-<lb/> biſchen Benennungen von Flüſſen, Lachen, Seen und Meeren<lb/> vor. Im Arabiſchen und im Perſiſchen dienen ebenſo <hi rendition="#aq">bahr</hi><lb/> und <hi rendition="#aq">deria</hi> gleichmäßig zur Bezeichnung des Meeres, der Seen<lb/> und der Flüſſe, und dieſer Brauch, der ſich bei vielen Völkern<lb/> in beiden Welten findet, hat auf den alten Karten Seen in<lb/> Flüſſe und Flüſſe in Seen umgewandelt. Zur Bekräftigung<lb/> des eben Geſagten führe ich einen ſehr achtbaren Zeugen auf,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0203]
machte ſich Ralegh noch keine beſtimmte Vorſtellung von der
Lage des Dorado und des Sees Parime, den er für geſalzen
hielt und den er ein „zweites Kaſpiſches Meer“ nennt. Erſt
bei der zweiten, gleichfalls auf Raleghs Koſten unternommenen
Reiſe (1596) gab Lawrence Keymis die Oertlichkeiten des
Dorado ſo beſtimmt an, daß, wie mir dünkt, an der Identität
der Parime de Manoa mit dem See Amucu und dem
Iſthmus zwiſchen dem Rupunuwini (der in den Eſſequibo
läuft) und dem Rio Parime oder Rio Branco gar nicht zu
zweifeln iſt. „Die Indianer,“ ſagt Keymis, „fahren den
Eſſequibo ſüdwärts in 20 Tagen hinauf. Um die Stärke des
Fluſſes anzudeuten, nennen ſie ihn den Bruder des Ori-
noko. Nach 20tägiger Fahrt ſchaffen ſie ihre Kanoen über
einen Trageplatz in einem einzigen Tage aus dem Fluſſe
Deſſekebe auf einen See, den die Jaos Roponowini, die
Kariben Parime nennen. Dieſer See iſt groß wie ein Meer;
es fahren unzählige Kanoen darauf, und ich vermute (die
Indianer hatten ihm alſo nichts davon geſagt), daß es der-
ſelbe See iſt, an dem die Stadt Manoa liegt.“ Hondius
gibt eine merkwürdige Abbildung von jenem Trageplatz, und
da nach der damaligen Vorſtellung die Mündung des Carony
unter dem 4. Breitengrad (ſtatt unter 8° 8′) lag, ſo ſetzte
man den Trageplatz ganz nahe an den Aequator. Zur ſelben
Zeit ließ man den Viapoco (Oyapoc) und den Rio Cayane
(Maroni?) aus jenem See Parime kommen. Der Umſtand,
daß die Kariben den weſtlichen Zweig des Rio Branco ebenſo
nennen, hat vielleicht ſoviel dazu beigetragen, den See Amucu
in der Einbildung zu vergrößern, als die Ueberſchwemmungen
der verſchiedenen Nebenflüſſe des Uraricuera von der Mündung
des Tacutu bis zum Valle de la inundacion.
Wir haben oben geſehen, daß die Spanier den Rio
Paragua oder Parava, der in den Carony fällt, für einen
See hielten, weil das Wort Parava Meer, See, Fluß
bedeutet. Ebenſo ſcheint Parime großes Waſſer im all-
gemeinen zu bedeuten, denn die Wurzel par kommt in kari-
biſchen Benennungen von Flüſſen, Lachen, Seen und Meeren
vor. Im Arabiſchen und im Perſiſchen dienen ebenſo bahr
und deria gleichmäßig zur Bezeichnung des Meeres, der Seen
und der Flüſſe, und dieſer Brauch, der ſich bei vielen Völkern
in beiden Welten findet, hat auf den alten Karten Seen in
Flüſſe und Flüſſe in Seen umgewandelt. Zur Bekräftigung
des eben Geſagten führe ich einen ſehr achtbaren Zeugen auf,
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