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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Pater Caulin. "Als ich," sagt dieser Missionär, der sich
länger als ich am unteren Orinoko aufgehalten hat, "die
Indianer fragte, was denn die Parime sei, so erwiderten
sie, es sei nichts als ein Fluß, der aus einer Bergkette komme,
an deren anderem Abhange der Essequibo entspringe." Caulin
weiß nichts vom See Amucu, und erklärt den Glauben an
ein Binnenmeer nur aus den Ueberschwemmungen der Ebenen,
a las inundaciones dilatadas por los bajos del pays. 1 Ihm
zufolge rühren alle Mißgriffe der Geographen von dem leidigen
Umstande her, daß alle Flüsse in Guyana an ihren Mün-
dungen andere Namen haben als an ihren Quellen. "Ich
zweifle nicht," sagt er weiter, "daß einer der oberen Zweige
des Rio Branco derselbe Rio Parime ist, den die Spanier
für einen See gehalten haben (a quien suponian laguna)."
Diese Notizen hatte der Geschichtschreiber der Grenzexpedition
an Ort und Stelle gesammelt, und er hätte wohl nicht ge-
glaubt, daß La Cruz und Surville richtige Begriffe und alte
Vorstellungen vermengen und auf ihren Karten das Mar
Dorado oder Mar Blanco wieder zum Vorschein bringen
würden. So kommt es, daß, obgleich ich seit meiner Rückkehr
aus Amerika vielfach den Beweis geführt, daß ein Binnen-
meer, aus dem der Orinoko entspränge, gar nicht existiert, in
neuester Zeit unter meinem Namen eine Karte2 erschienen ist,
auf der die Laguna de Parime wiederum auftritt.

Aus allem Bisherigen geht hervor: 1) daß die Laguna
Rupunuwini oder Parime aus Raleghs Reise und auf den
Karten des Hondius ein chimärischer See ist, zu dem der
See Amucu und die häufigen Ueberschwemmungen der Neben-
flüsse des Uraricuera Veranlassung gegeben; 2) daß die Laguna
Parime auf Survilles Karte der See Amucu ist, aus dem
der Rio Pirara und (zugleich mit dem Mahu, dem Tacutu,
dem Uraricuera oder dem eigentlich sogenannten Rio Parime)
der Rio Branco entspringt; 3) daß die Laguna Parime
des La Cruz eine eingebildete Erweiterung des Rio Parime
(der mit dem Orinoko verwechselt wird) unterhalb der Ver-
einigung des Mahu mit dem Xurumu ist. Von der Mün-
dung des Mahu bis zu der des Tacutu beträgt die Ent-
fernung kaum 0° 40'; La Cruz macht 7 Breitengrade daraus.

1 Dies ist auch Walkenaers und Malte Bruns Ansicht.
2 Carte de l'Amerique, dressee sur les observations de
Mr. de Humboldt, par Fried.
Wien 1818.

Pater Caulin. „Als ich,“ ſagt dieſer Miſſionär, der ſich
länger als ich am unteren Orinoko aufgehalten hat, „die
Indianer fragte, was denn die Parime ſei, ſo erwiderten
ſie, es ſei nichts als ein Fluß, der aus einer Bergkette komme,
an deren anderem Abhange der Eſſequibo entſpringe.“ Caulin
weiß nichts vom See Amucu, und erklärt den Glauben an
ein Binnenmeer nur aus den Ueberſchwemmungen der Ebenen,
a las inundaciones dilatadas por los bajos del pays. 1 Ihm
zufolge rühren alle Mißgriffe der Geographen von dem leidigen
Umſtande her, daß alle Flüſſe in Guyana an ihren Mün-
dungen andere Namen haben als an ihren Quellen. „Ich
zweifle nicht,“ ſagt er weiter, „daß einer der oberen Zweige
des Rio Branco derſelbe Rio Parime iſt, den die Spanier
für einen See gehalten haben (a quien suponian laguna).“
Dieſe Notizen hatte der Geſchichtſchreiber der Grenzexpedition
an Ort und Stelle geſammelt, und er hätte wohl nicht ge-
glaubt, daß La Cruz und Surville richtige Begriffe und alte
Vorſtellungen vermengen und auf ihren Karten das Mar
Dorado oder Mar Blanco wieder zum Vorſchein bringen
würden. So kommt es, daß, obgleich ich ſeit meiner Rückkehr
aus Amerika vielfach den Beweis geführt, daß ein Binnen-
meer, aus dem der Orinoko entſpränge, gar nicht exiſtiert, in
neueſter Zeit unter meinem Namen eine Karte2 erſchienen iſt,
auf der die Laguna de Parime wiederum auftritt.

Aus allem Bisherigen geht hervor: 1) daß die Laguna
Rupunuwini oder Parime aus Raleghs Reiſe und auf den
Karten des Hondius ein chimäriſcher See iſt, zu dem der
See Amucu und die häufigen Ueberſchwemmungen der Neben-
flüſſe des Uraricuera Veranlaſſung gegeben; 2) daß die Laguna
Parime auf Survilles Karte der See Amucu iſt, aus dem
der Rio Pirara und (zugleich mit dem Mahu, dem Tacutu,
dem Uraricuera oder dem eigentlich ſogenannten Rio Parime)
der Rio Branco entſpringt; 3) daß die Laguna Parime
des La Cruz eine eingebildete Erweiterung des Rio Parime
(der mit dem Orinoko verwechſelt wird) unterhalb der Ver-
einigung des Mahu mit dem Xurumu iſt. Von der Mün-
dung des Mahu bis zu der des Tacutu beträgt die Ent-
fernung kaum 0° 40′; La Cruz macht 7 Breitengrade daraus.

1 Dies iſt auch Walkenaers und Malte Bruns Anſicht.
2 Carte de l’Amérique, dressée sur les observations de
Mr. de Humboldt, par Fried.
Wien 1818.
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[196/0204] Pater Caulin. „Als ich,“ ſagt dieſer Miſſionär, der ſich länger als ich am unteren Orinoko aufgehalten hat, „die Indianer fragte, was denn die Parime ſei, ſo erwiderten ſie, es ſei nichts als ein Fluß, der aus einer Bergkette komme, an deren anderem Abhange der Eſſequibo entſpringe.“ Caulin weiß nichts vom See Amucu, und erklärt den Glauben an ein Binnenmeer nur aus den Ueberſchwemmungen der Ebenen, a las inundaciones dilatadas por los bajos del pays. 1 Ihm zufolge rühren alle Mißgriffe der Geographen von dem leidigen Umſtande her, daß alle Flüſſe in Guyana an ihren Mün- dungen andere Namen haben als an ihren Quellen. „Ich zweifle nicht,“ ſagt er weiter, „daß einer der oberen Zweige des Rio Branco derſelbe Rio Parime iſt, den die Spanier für einen See gehalten haben (a quien suponian laguna).“ Dieſe Notizen hatte der Geſchichtſchreiber der Grenzexpedition an Ort und Stelle geſammelt, und er hätte wohl nicht ge- glaubt, daß La Cruz und Surville richtige Begriffe und alte Vorſtellungen vermengen und auf ihren Karten das Mar Dorado oder Mar Blanco wieder zum Vorſchein bringen würden. So kommt es, daß, obgleich ich ſeit meiner Rückkehr aus Amerika vielfach den Beweis geführt, daß ein Binnen- meer, aus dem der Orinoko entſpränge, gar nicht exiſtiert, in neueſter Zeit unter meinem Namen eine Karte 2 erſchienen iſt, auf der die Laguna de Parime wiederum auftritt. Aus allem Bisherigen geht hervor: 1) daß die Laguna Rupunuwini oder Parime aus Raleghs Reiſe und auf den Karten des Hondius ein chimäriſcher See iſt, zu dem der See Amucu und die häufigen Ueberſchwemmungen der Neben- flüſſe des Uraricuera Veranlaſſung gegeben; 2) daß die Laguna Parime auf Survilles Karte der See Amucu iſt, aus dem der Rio Pirara und (zugleich mit dem Mahu, dem Tacutu, dem Uraricuera oder dem eigentlich ſogenannten Rio Parime) der Rio Branco entſpringt; 3) daß die Laguna Parime des La Cruz eine eingebildete Erweiterung des Rio Parime (der mit dem Orinoko verwechſelt wird) unterhalb der Ver- einigung des Mahu mit dem Xurumu iſt. Von der Mün- dung des Mahu bis zu der des Tacutu beträgt die Ent- fernung kaum 0° 40′; La Cruz macht 7 Breitengrade daraus. 1 Dies iſt auch Walkenaers und Malte Bruns Anſicht. 2 Carte de l’Amérique, dressée sur les observations de Mr. de Humboldt, par Fried. Wien 1818.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/204>, abgerufen am 23.11.2024.