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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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zu bahnen, wobei man an den Cuyuni weit unterhalb der
Mündung des Cucumu käme.

In diesem ganzen südlichen Landstriche ziehen Horden un-
abhängiger Kariben umher, die schwachen Reste des kriegeri-
schen Volksstammes, der sich bis zu den Jahren 1733 und
1735 den Missionären so furchtbar machte, um welche Zeit
der ehrwürdige Bischof Gervais de Labrid,1 Kanonikus des
Metropolitankapitels zu Lyon, der Pater Lopez und mehrere
andere Geistliche von den Kariben erschlagen wurden. Dergleichen
Unfälle, die früher ziemlich häufig vorkamen, sind jetzt nicht
mehr zu befahren, weder in den Missionen am Carony noch
in denen am Orinoko; aber die unabhängigen Kariben sind
wegen ihres Verkehrs mit den holländischen Kolonisten am
Essequibo für die Regierung von Guyana noch immer ein
Gegenstand des Mißtrauens und des Hasses. Diese Stämme
leisten dem Schleichhandel an den Küsten und durch die Ka-
näle oder Esteres zwischen dem Rio Barima und dem Rio
Moroca Vorschub; sie treiben den Missionären das Vieh weg
und verleiten die neubekehrten Indianer (die unter der
Glocke
leben), wieder in den Wald zu laufen. Die freien
Horden haben überall den natürlichen Trieb, sich den Fort-
schritten der Kultur und dem Vordringen der Weißen zu
widersetzen. Die Kariben und Aruaken verschaffen sich in
Essequibo und Demerary Feuergewehre, und als der Handel
mit amerikanischen Sklaven (Poitos) in Blüte stand, beteiligten
sich Abenteurer von holländischem Blut an den Einfällen an
den Paragua, Erevato und Ventuario. Die Menschenjagd
wurde an diesen Flüssen betrieben, wie wahrscheinlich noch jetzt
am Senegal und Gambia. In beiden Welten haben die
Europäer dieselben Kunstgriffe gebraucht, dieselben Unthaten
begangen, um einen Handel zu treiben, der die Menschheit
schändet. Die Missionäre am Carony und Orinoko schreiben
alles Ungemach, das sie von den freien Kariben zu erdulden
haben, dem Hasse ihrer Nachbarn, der calvinistischen Prädi-
kanten am Essequibo, zu. Ihre Schriften sind daher auch voll
Klagen über die Secta diabolica de Calvins y de Lutero
und gegen die Ketzer in Holländisch-Guyana, die sich zu-
weilen herausnehmen, das Missionswesen zu treiben und Keime
der Gesittung unter den Wilden ausstreuen zu wollen.


1 Von Benedikt XIII. zum Bischof für die vier Weltteile (obispo
para las quatro partes del mundo)
geweiht.

zu bahnen, wobei man an den Cuyuni weit unterhalb der
Mündung des Cucumu käme.

In dieſem ganzen ſüdlichen Landſtriche ziehen Horden un-
abhängiger Kariben umher, die ſchwachen Reſte des kriegeri-
ſchen Volksſtammes, der ſich bis zu den Jahren 1733 und
1735 den Miſſionären ſo furchtbar machte, um welche Zeit
der ehrwürdige Biſchof Gervais de Labrid,1 Kanonikus des
Metropolitankapitels zu Lyon, der Pater Lopez und mehrere
andere Geiſtliche von den Kariben erſchlagen wurden. Dergleichen
Unfälle, die früher ziemlich häufig vorkamen, ſind jetzt nicht
mehr zu befahren, weder in den Miſſionen am Carony noch
in denen am Orinoko; aber die unabhängigen Kariben ſind
wegen ihres Verkehrs mit den holländiſchen Koloniſten am
Eſſequibo für die Regierung von Guyana noch immer ein
Gegenſtand des Mißtrauens und des Haſſes. Dieſe Stämme
leiſten dem Schleichhandel an den Küſten und durch die Ka-
näle oder Eſteres zwiſchen dem Rio Barima und dem Rio
Moroca Vorſchub; ſie treiben den Miſſionären das Vieh weg
und verleiten die neubekehrten Indianer (die unter der
Glocke
leben), wieder in den Wald zu laufen. Die freien
Horden haben überall den natürlichen Trieb, ſich den Fort-
ſchritten der Kultur und dem Vordringen der Weißen zu
widerſetzen. Die Kariben und Aruaken verſchaffen ſich in
Eſſequibo und Demerary Feuergewehre, und als der Handel
mit amerikaniſchen Sklaven (Poitos) in Blüte ſtand, beteiligten
ſich Abenteurer von holländiſchem Blut an den Einfällen an
den Paragua, Erevato und Ventuario. Die Menſchenjagd
wurde an dieſen Flüſſen betrieben, wie wahrſcheinlich noch jetzt
am Senegal und Gambia. In beiden Welten haben die
Europäer dieſelben Kunſtgriffe gebraucht, dieſelben Unthaten
begangen, um einen Handel zu treiben, der die Menſchheit
ſchändet. Die Miſſionäre am Carony und Orinoko ſchreiben
alles Ungemach, das ſie von den freien Kariben zu erdulden
haben, dem Haſſe ihrer Nachbarn, der calviniſtiſchen Prädi-
kanten am Eſſequibo, zu. Ihre Schriften ſind daher auch voll
Klagen über die Secta diabolica de Calvins y de Lutero
und gegen die Ketzer in Holländiſch-Guyana, die ſich zu-
weilen herausnehmen, das Miſſionsweſen zu treiben und Keime
der Geſittung unter den Wilden ausſtreuen zu wollen.


1 Von Benedikt XIII. zum Biſchof für die vier Weltteile (obispo
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geweiht.
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[183/0191] zu bahnen, wobei man an den Cuyuni weit unterhalb der Mündung des Cucumu käme. In dieſem ganzen ſüdlichen Landſtriche ziehen Horden un- abhängiger Kariben umher, die ſchwachen Reſte des kriegeri- ſchen Volksſtammes, der ſich bis zu den Jahren 1733 und 1735 den Miſſionären ſo furchtbar machte, um welche Zeit der ehrwürdige Biſchof Gervais de Labrid, 1 Kanonikus des Metropolitankapitels zu Lyon, der Pater Lopez und mehrere andere Geiſtliche von den Kariben erſchlagen wurden. Dergleichen Unfälle, die früher ziemlich häufig vorkamen, ſind jetzt nicht mehr zu befahren, weder in den Miſſionen am Carony noch in denen am Orinoko; aber die unabhängigen Kariben ſind wegen ihres Verkehrs mit den holländiſchen Koloniſten am Eſſequibo für die Regierung von Guyana noch immer ein Gegenſtand des Mißtrauens und des Haſſes. Dieſe Stämme leiſten dem Schleichhandel an den Küſten und durch die Ka- näle oder Eſteres zwiſchen dem Rio Barima und dem Rio Moroca Vorſchub; ſie treiben den Miſſionären das Vieh weg und verleiten die neubekehrten Indianer (die unter der Glocke leben), wieder in den Wald zu laufen. Die freien Horden haben überall den natürlichen Trieb, ſich den Fort- ſchritten der Kultur und dem Vordringen der Weißen zu widerſetzen. Die Kariben und Aruaken verſchaffen ſich in Eſſequibo und Demerary Feuergewehre, und als der Handel mit amerikaniſchen Sklaven (Poitos) in Blüte ſtand, beteiligten ſich Abenteurer von holländiſchem Blut an den Einfällen an den Paragua, Erevato und Ventuario. Die Menſchenjagd wurde an dieſen Flüſſen betrieben, wie wahrſcheinlich noch jetzt am Senegal und Gambia. In beiden Welten haben die Europäer dieſelben Kunſtgriffe gebraucht, dieſelben Unthaten begangen, um einen Handel zu treiben, der die Menſchheit ſchändet. Die Miſſionäre am Carony und Orinoko ſchreiben alles Ungemach, das ſie von den freien Kariben zu erdulden haben, dem Haſſe ihrer Nachbarn, der calviniſtiſchen Prädi- kanten am Eſſequibo, zu. Ihre Schriften ſind daher auch voll Klagen über die Secta diabolica de Calvins y de Lutero und gegen die Ketzer in Holländiſch-Guyana, die ſich zu- weilen herausnehmen, das Miſſionsweſen zu treiben und Keime der Geſittung unter den Wilden ausſtreuen zu wollen. 1 Von Benedikt XIII. zum Biſchof für die vier Weltteile (obispo para las quatro partes del mundo) geweiht.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/191>, abgerufen am 24.11.2024.