zwischen den Bergen bei Santa Maria, der Mission San Miguel und dem östlichen Ufer des Carony, von San Buena- ventura bis Guri und dem Stapelplatz San Joaquin, auf einem Landstrich von nur 9300 qkm beisammen. Gegen Ost und Süd sind die Savannen fast gar nicht bewohnt; dort liegen nur weit zerstreut die Missionen Belem, Tumu- remo, Tupuquen, Puedpa und Santa Clara. Es wäre zu wünschen, daß der Boden vorzugsweise abwärts von den Flüssen bebaut würde, wo das Terrain höher und die Luft gesünder ist. Der Rio Carony, ein herrlich klares, an Fischen armes Wasser, ist von Villa de Barceloneta an, die etwas über dem Einflusse des Paragua liegt, bis zum Dorfe Guri frei von Klippen. Weiter nordwärts schlängelt er sich zwi- schen zahllosen Eilanden und Felsen durch, und nur die kleinen Kanoen der Kariben wagen sich in diese Raudales oder Strom- schnellen des Carony hinein. Zum Glück teilt sich der Fluß häufig in mehrere Arme, so daß man denjenigen wählen kann. der nach Wasserstand am wenigsten Wirbel und Klippen über dem Wasser hat. Der große Salto, vielberufen wegen der malerischen Reize der Landschaft, liegt etwas oberhalb des Dorfes Aguacagua oder Carony, das zu meiner Zeit eine Bevölkerung von 700 Indianern hatte. Der Wasserfall soll 5 bis 6 m hoch sein, aber die Schwelle läuft nicht über das ganze mehr als 100 m breite Flußbett. Wenn sich einmal die Bevölkerung mehr gegen Ost ausbreitet, so kann sie die kleinen Flüsse Imataca und Aquire benutzen, die ziemlich ge- fahrlos zu befahren sind. Die Mönche, die gern einsam hausen, um sich der Aufsicht der weltlichen Macht zu ent- ziehen, wollten sich bis jetzt nicht am Orinoko ansiedeln. In- dessen können die Missionen am Carony nur auf diesem Flusse oder auf dem Cuyuni und dem Essequibo ihre Produkte aus- führen. Der letztere Weg ist noch nicht versucht worden, ob- gleich an einem der bedeutendsten Nebenflüsse des Cuyuni, am Rio Juruario, bereits mehrere christliche Niederlassungen liegen. Dieser Nebenfluß zeigt bei Hochgewässer die merkwürdige Er- scheinung einer Gabelung; er steht dann über den Jurari- cuima und den Aurapa mit dem Rio Carony in Verbindung, so daß der Landstrich zwischen dem Orinoko, der See, dem Cuyuni und dem Carony zu einer wirklichen Insel wird. Furchtbare Stromschnellen erschweren die Schiffahrt auf dem oberen Cuyuni; man hat daher in der neuesten Zeit versucht, einen Weg in die Kolonie Essequibo viel weiter gegen Südost
zwiſchen den Bergen bei Santa Maria, der Miſſion San Miguel und dem öſtlichen Ufer des Carony, von San Buena- ventura bis Guri und dem Stapelplatz San Joaquin, auf einem Landſtrich von nur 9300 qkm beiſammen. Gegen Oſt und Süd ſind die Savannen faſt gar nicht bewohnt; dort liegen nur weit zerſtreut die Miſſionen Belem, Tumu- remo, Tupuquen, Puedpa und Santa Clara. Es wäre zu wünſchen, daß der Boden vorzugsweiſe abwärts von den Flüſſen bebaut würde, wo das Terrain höher und die Luft geſünder iſt. Der Rio Carony, ein herrlich klares, an Fiſchen armes Waſſer, iſt von Villa de Barceloneta an, die etwas über dem Einfluſſe des Paragua liegt, bis zum Dorfe Guri frei von Klippen. Weiter nordwärts ſchlängelt er ſich zwi- ſchen zahlloſen Eilanden und Felſen durch, und nur die kleinen Kanoen der Kariben wagen ſich in dieſe Raudales oder Strom- ſchnellen des Carony hinein. Zum Glück teilt ſich der Fluß häufig in mehrere Arme, ſo daß man denjenigen wählen kann. der nach Waſſerſtand am wenigſten Wirbel und Klippen über dem Waſſer hat. Der große Salto, vielberufen wegen der maleriſchen Reize der Landſchaft, liegt etwas oberhalb des Dorfes Aguacagua oder Carony, das zu meiner Zeit eine Bevölkerung von 700 Indianern hatte. Der Waſſerfall ſoll 5 bis 6 m hoch ſein, aber die Schwelle läuft nicht über das ganze mehr als 100 m breite Flußbett. Wenn ſich einmal die Bevölkerung mehr gegen Oſt ausbreitet, ſo kann ſie die kleinen Flüſſe Imataca und Aquire benutzen, die ziemlich ge- fahrlos zu befahren ſind. Die Mönche, die gern einſam hauſen, um ſich der Aufſicht der weltlichen Macht zu ent- ziehen, wollten ſich bis jetzt nicht am Orinoko anſiedeln. In- deſſen können die Miſſionen am Carony nur auf dieſem Fluſſe oder auf dem Cuyuni und dem Eſſequibo ihre Produkte aus- führen. Der letztere Weg iſt noch nicht verſucht worden, ob- gleich an einem der bedeutendſten Nebenflüſſe des Cuyuni, am Rio Juruario, bereits mehrere chriſtliche Niederlaſſungen liegen. Dieſer Nebenfluß zeigt bei Hochgewäſſer die merkwürdige Er- ſcheinung einer Gabelung; er ſteht dann über den Jurari- cuima und den Aurapa mit dem Rio Carony in Verbindung, ſo daß der Landſtrich zwiſchen dem Orinoko, der See, dem Cuyuni und dem Carony zu einer wirklichen Inſel wird. Furchtbare Stromſchnellen erſchweren die Schiffahrt auf dem oberen Cuyuni; man hat daher in der neueſten Zeit verſucht, einen Weg in die Kolonie Eſſequibo viel weiter gegen Südoſt
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zwiſchen den Bergen bei Santa Maria, der Miſſion San
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einem Landſtrich von nur 9300 qkm beiſammen. Gegen
Oſt und Süd ſind die Savannen faſt gar nicht bewohnt;
dort liegen nur weit zerſtreut die Miſſionen Belem, Tumu-
remo, Tupuquen, Puedpa und Santa Clara. Es wäre zu
wünſchen, daß der Boden vorzugsweiſe abwärts von den
Flüſſen bebaut würde, wo das Terrain höher und die Luft
geſünder iſt. Der Rio Carony, ein herrlich klares, an Fiſchen
armes Waſſer, iſt von Villa de Barceloneta an, die etwas
über dem Einfluſſe des Paragua liegt, bis zum Dorfe Guri
frei von Klippen. Weiter nordwärts ſchlängelt er ſich zwi-
ſchen zahlloſen Eilanden und Felſen durch, und nur die kleinen
Kanoen der Kariben wagen ſich in dieſe Raudales oder Strom-
ſchnellen des Carony hinein. Zum Glück teilt ſich der Fluß
häufig in mehrere Arme, ſo daß man denjenigen wählen kann.
der nach Waſſerſtand am wenigſten Wirbel und Klippen über
dem Waſſer hat. Der große Salto, vielberufen wegen der
maleriſchen Reize der Landſchaft, liegt etwas oberhalb des
Dorfes Aguacagua oder Carony, das zu meiner Zeit eine
Bevölkerung von 700 Indianern hatte. Der Waſſerfall ſoll
5 bis 6 m hoch ſein, aber die Schwelle läuft nicht über das
ganze mehr als 100 m breite Flußbett. Wenn ſich einmal
die Bevölkerung mehr gegen Oſt ausbreitet, ſo kann ſie die
kleinen Flüſſe Imataca und Aquire benutzen, die ziemlich ge-
fahrlos zu befahren ſind. Die Mönche, die gern einſam
hauſen, um ſich der Aufſicht der weltlichen Macht zu ent-
ziehen, wollten ſich bis jetzt nicht am Orinoko anſiedeln. In-
deſſen können die Miſſionen am Carony nur auf dieſem Fluſſe
oder auf dem Cuyuni und dem Eſſequibo ihre Produkte aus-
führen. Der letztere Weg iſt noch nicht verſucht worden, ob-
gleich an einem der bedeutendſten Nebenflüſſe des Cuyuni, am
Rio Juruario, bereits mehrere chriſtliche Niederlaſſungen liegen.
Dieſer Nebenfluß zeigt bei Hochgewäſſer die merkwürdige Er-
ſcheinung einer Gabelung; er ſteht dann über den Jurari-
cuima und den Aurapa mit dem Rio Carony in Verbindung,
ſo daß der Landſtrich zwiſchen dem Orinoko, der See, dem
Cuyuni und dem Carony zu einer wirklichen Inſel wird.
Furchtbare Stromſchnellen erſchweren die Schiffahrt auf dem
oberen Cuyuni; man hat daher in der neueſten Zeit verſucht,
einen Weg in die Kolonie Eſſequibo viel weiter gegen Südoſt
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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