Zweig an die Bocas chicas abgibt, liegt das alte Fort (Los ca- stillos de la Vieja oder Antigua Guyana), das im 16. Jahr- hundert zuerst angelegt wurde. An diesem Punkte liegen viele felsige Eilande im Strome, der hier gegen 1266 m breit sein soll. Die Stadt ist fast ganz zerstört, aber die Werke stehen noch und verdienen alle Aufmerksamkeit von seiten der Re- gierung von Terra Firma. In der Batterie auf einem Hügel nordwestwärts von der alten Stadt hat man eine prachtvolle Aussicht. Bei Hochwasser ist die alte Stadt ganz von Wasser umgeben. Lachen, die in den Orinoko münden, bilden natür- liche Bassins für Schiffe, welche auszubessern sind. Hoffent- lich, wenn der Friede diesen schönen Ländern wieder geschenkt ist und keine engherzige Staatskunst mehr den Fortschritt der Industrie hemmt, werden sich Werften an diesen Lachen bei Vieja Guyana erheben. Kein Strom nach dem Amazonen- strom kann aus den Wäldern, durch die er läuft, so präch- tiges Schiffsbauholz liefern. Diese Hölzer aus den großen Familien der Laurineen, der Guttiferen, der Rutaceen und der baumartigen Schotengewächse bieten nach Dichtigkeit, spezifischer Schwere und mehr oder weniger harziger Be- schaffenheit alle nur wünschenswerten Abstufungen. Was im Lande allein fehlt, das ist ein leichtes, elastisches Mast- holz mit parallelen Fasern, wie die Nadelhölzer der ge- mäßigten Landstriche und der hohen Gebirge unter den Tropen es liefern.
Ist man an den Werken von Vieja Guyana vorbei, so wird der Orinoko wieder breiter. Hinsichtlich des Anbaues des Landes zeigen beide Ufer einen auffallenden Kontrast. Gegen Nord sieht man nur den öden Strich der Provinz Cumana, die unbewohnten Steppen (Llanos), die sich bis jen- seits der Quellen des Rio Mamo, dem Plateau oder der Mesa von Guanipa zu, erstrecken. Südwärts sieht man drei volkreiche Dörfer, die zu den Missionen am Carony gehören, San Miguel de Uriala, San Felix und San Joaquin. Letz- teres Dorf, am Carony unmittelbar unterhalb des großen Kataraktes gelegen, gilt für den Stapelplatz der katalonischen Missionen. Fährt man weiter gegen West, so hat der Steuer- mann zwischen der Mündung des Carony und Angostura die Klippen Guarampo, die Untiefe des Mamo und die Piedra del Rosario zu vermeiden. Ich habe nach dem umfangreichen Material, das ich mitgebracht, und nach den astronomischen Untersuchungen, deren Hauptergebnisse ich oben mitgeteilt,
Zweig an die Bocas chicas abgibt, liegt das alte Fort (Los ca- stillos de la Vieja oder Antigua Guyana), das im 16. Jahr- hundert zuerſt angelegt wurde. An dieſem Punkte liegen viele felſige Eilande im Strome, der hier gegen 1266 m breit ſein ſoll. Die Stadt iſt faſt ganz zerſtört, aber die Werke ſtehen noch und verdienen alle Aufmerkſamkeit von ſeiten der Re- gierung von Terra Firma. In der Batterie auf einem Hügel nordweſtwärts von der alten Stadt hat man eine prachtvolle Ausſicht. Bei Hochwaſſer iſt die alte Stadt ganz von Waſſer umgeben. Lachen, die in den Orinoko münden, bilden natür- liche Baſſins für Schiffe, welche auszubeſſern ſind. Hoffent- lich, wenn der Friede dieſen ſchönen Ländern wieder geſchenkt iſt und keine engherzige Staatskunſt mehr den Fortſchritt der Induſtrie hemmt, werden ſich Werften an dieſen Lachen bei Vieja Guyana erheben. Kein Strom nach dem Amazonen- ſtrom kann aus den Wäldern, durch die er läuft, ſo präch- tiges Schiffsbauholz liefern. Dieſe Hölzer aus den großen Familien der Laurineen, der Guttiferen, der Rutaceen und der baumartigen Schotengewächſe bieten nach Dichtigkeit, ſpezifiſcher Schwere und mehr oder weniger harziger Be- ſchaffenheit alle nur wünſchenswerten Abſtufungen. Was im Lande allein fehlt, das iſt ein leichtes, elaſtiſches Maſt- holz mit parallelen Faſern, wie die Nadelhölzer der ge- mäßigten Landſtriche und der hohen Gebirge unter den Tropen es liefern.
Iſt man an den Werken von Vieja Guyana vorbei, ſo wird der Orinoko wieder breiter. Hinſichtlich des Anbaues des Landes zeigen beide Ufer einen auffallenden Kontraſt. Gegen Nord ſieht man nur den öden Strich der Provinz Cumana, die unbewohnten Steppen (Llanos), die ſich bis jen- ſeits der Quellen des Rio Mamo, dem Plateau oder der Meſa von Guanipa zu, erſtrecken. Südwärts ſieht man drei volkreiche Dörfer, die zu den Miſſionen am Carony gehören, San Miguel de Uriala, San Felix und San Joaquin. Letz- teres Dorf, am Carony unmittelbar unterhalb des großen Kataraktes gelegen, gilt für den Stapelplatz der kataloniſchen Miſſionen. Fährt man weiter gegen Weſt, ſo hat der Steuer- mann zwiſchen der Mündung des Carony und Angoſtura die Klippen Guarampo, die Untiefe des Mamo und die Piedra del Rosario zu vermeiden. Ich habe nach dem umfangreichen Material, das ich mitgebracht, und nach den aſtronomiſchen Unterſuchungen, deren Hauptergebniſſe ich oben mitgeteilt,
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Zweig an die Bocas chicas abgibt, liegt das alte Fort (Los ca-
stillos de la Vieja oder Antigua Guyana), das im 16. Jahr-
hundert zuerſt angelegt wurde. An dieſem Punkte liegen viele
felſige Eilande im Strome, der hier gegen 1266 m breit ſein
ſoll. Die Stadt iſt faſt ganz zerſtört, aber die Werke ſtehen
noch und verdienen alle Aufmerkſamkeit von ſeiten der Re-
gierung von Terra Firma. In der Batterie auf einem Hügel
nordweſtwärts von der alten Stadt hat man eine prachtvolle
Ausſicht. Bei Hochwaſſer iſt die alte Stadt ganz von Waſſer
umgeben. Lachen, die in den Orinoko münden, bilden natür-
liche Baſſins für Schiffe, welche auszubeſſern ſind. Hoffent-
lich, wenn der Friede dieſen ſchönen Ländern wieder geſchenkt
iſt und keine engherzige Staatskunſt mehr den Fortſchritt der
Induſtrie hemmt, werden ſich Werften an dieſen Lachen bei
Vieja Guyana erheben. Kein Strom nach dem Amazonen-
ſtrom kann aus den Wäldern, durch die er läuft, ſo präch-
tiges Schiffsbauholz liefern. Dieſe Hölzer aus den großen
Familien der Laurineen, der Guttiferen, der Rutaceen und
der baumartigen Schotengewächſe bieten nach Dichtigkeit,
ſpezifiſcher Schwere und mehr oder weniger harziger Be-
ſchaffenheit alle nur wünſchenswerten Abſtufungen. Was im
Lande allein fehlt, das iſt ein leichtes, elaſtiſches Maſt-
holz mit parallelen Faſern, wie die Nadelhölzer der ge-
mäßigten Landſtriche und der hohen Gebirge unter den Tropen
es liefern.
Iſt man an den Werken von Vieja Guyana vorbei, ſo
wird der Orinoko wieder breiter. Hinſichtlich des Anbaues
des Landes zeigen beide Ufer einen auffallenden Kontraſt.
Gegen Nord ſieht man nur den öden Strich der Provinz
Cumana, die unbewohnten Steppen (Llanos), die ſich bis jen-
ſeits der Quellen des Rio Mamo, dem Plateau oder der
Meſa von Guanipa zu, erſtrecken. Südwärts ſieht man drei
volkreiche Dörfer, die zu den Miſſionen am Carony gehören,
San Miguel de Uriala, San Felix und San Joaquin. Letz-
teres Dorf, am Carony unmittelbar unterhalb des großen
Kataraktes gelegen, gilt für den Stapelplatz der kataloniſchen
Miſſionen. Fährt man weiter gegen Weſt, ſo hat der Steuer-
mann zwiſchen der Mündung des Carony und Angoſtura die
Klippen Guarampo, die Untiefe des Mamo und die Piedra
del Rosario zu vermeiden. Ich habe nach dem umfangreichen
Material, das ich mitgebracht, und nach den aſtronomiſchen
Unterſuchungen, deren Hauptergebniſſe ich oben mitgeteilt,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/187>, abgerufen am 22.07.2024.
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