eine Karte des Landes zwischen dem Delta des Orinoko, dem Carony und dem Cuyuni entworfen. Es ist dies der Teil von Guyana, der wegen der Nähe der Küste eines Tages für europäische Ansiedler die meiste Anziehungskraft haben wird.
In ihrem gegenwärtigen Zustande steht die ganze Be- völkerung dieser großen Provinz, mit Ausnahme einiger spa- nischer Kirchspiele (Pueblos y villas de Espannoles), unter der Regierung zweier Mönchsorden. Schätzt man die Zahl der Einwohner von Guyana, die nicht in wilder Unabhängig- keit leben, auf 35000, so leben etwa 24000 in den Mis- sionen und sind dem unmittelbaren Einflusse des weltlichen Armes so gut wie entzogen. Zur Zeit meiner Reise hatte das Gebiet der Franziskaner von der Kongregation der Obser- vanten 7300 Einwohner, das der Capuchinos catalanes 17000; ein auffallendes Mißverhältnis, wenn man bedenkt, wie klein letzteres Gebiet ist gegenüber den ungeheuren Ufer- strecken am oberen Orinoko, Atabapo, Cassiquiare und Rio Negro. Aus diesen Angaben geht hervor, daß gegen zwei Dritteile der Bevölkerung einer Provinz von 16800 Meilen Flächeninhalt zwischen dem Rio Imataca und der Stadt Santo Tome de Angostura auf einem 250 km langen und 135 km breiten Striche zusammengedrängt sind. Diese beiden mönchischen Regierungen sind den Weißen gleich unzugäng- lich und bilden einen status in statu. Ich habe bisher nach meinen eigenen Beobachtungen die der Observanten be- schrieben, und es bleibt mir jetzt noch übrig mitzuteilen, was ich über das andere Regiment, das der katalonischen Kapu- ziner, in Erfahrung gebracht. Verderbliche bürgerliche Zwiste und epidemische Fieber haben in den letzten Jahren den Wohl- stand der Missionen am Carony, nachdem er lange im Zu- nehmen gewesen, heruntergebracht; aber trotz dieser Verluste ist der Landstrich, den wir besuchen wollen, noch immer national- ökonomisch sehr interessant.
Die Missionen der katalonischen Kapuziner hatten im Jahre 1804 zum wenigsten 60000 Stücke Vieh auf den Sa- vannen, die sich vom östlichen Ufer des Carony und Para- gua bis zu den Ufern des Imataca, Curumu und Cuyuni erstrecken; sie grenzen gegen Südost an das englische Guyana oder die Kolonie Essequibo, gegen Süd, an den öden Ufern des Paragua und Paraguamusi hinauf und über die Kordillere von Pacaraimo, laufen sie bis zu den portugiesischen Nieder-
eine Karte des Landes zwiſchen dem Delta des Orinoko, dem Carony und dem Cuyuni entworfen. Es iſt dies der Teil von Guyana, der wegen der Nähe der Küſte eines Tages für europäiſche Anſiedler die meiſte Anziehungskraft haben wird.
In ihrem gegenwärtigen Zuſtande ſteht die ganze Be- völkerung dieſer großen Provinz, mit Ausnahme einiger ſpa- niſcher Kirchſpiele (Pueblos y villas de Españoles), unter der Regierung zweier Mönchsorden. Schätzt man die Zahl der Einwohner von Guyana, die nicht in wilder Unabhängig- keit leben, auf 35000, ſo leben etwa 24000 in den Miſ- ſionen und ſind dem unmittelbaren Einfluſſe des weltlichen Armes ſo gut wie entzogen. Zur Zeit meiner Reiſe hatte das Gebiet der Franziskaner von der Kongregation der Obſer- vanten 7300 Einwohner, das der Capuchinos catalanes 17000; ein auffallendes Mißverhältnis, wenn man bedenkt, wie klein letzteres Gebiet iſt gegenüber den ungeheuren Ufer- ſtrecken am oberen Orinoko, Atabapo, Caſſiquiare und Rio Negro. Aus dieſen Angaben geht hervor, daß gegen zwei Dritteile der Bevölkerung einer Provinz von 16800 Meilen Flächeninhalt zwiſchen dem Rio Imataca und der Stadt Santo Tome de Angoſtura auf einem 250 km langen und 135 km breiten Striche zuſammengedrängt ſind. Dieſe beiden mönchiſchen Regierungen ſind den Weißen gleich unzugäng- lich und bilden einen status in statu. Ich habe bisher nach meinen eigenen Beobachtungen die der Obſervanten be- ſchrieben, und es bleibt mir jetzt noch übrig mitzuteilen, was ich über das andere Regiment, das der kataloniſchen Kapu- ziner, in Erfahrung gebracht. Verderbliche bürgerliche Zwiſte und epidemiſche Fieber haben in den letzten Jahren den Wohl- ſtand der Miſſionen am Carony, nachdem er lange im Zu- nehmen geweſen, heruntergebracht; aber trotz dieſer Verluſte iſt der Landſtrich, den wir beſuchen wollen, noch immer national- ökonomiſch ſehr intereſſant.
Die Miſſionen der kataloniſchen Kapuziner hatten im Jahre 1804 zum wenigſten 60000 Stücke Vieh auf den Sa- vannen, die ſich vom öſtlichen Ufer des Carony und Para- gua bis zu den Ufern des Imataca, Curumu und Cuyuni erſtrecken; ſie grenzen gegen Südoſt an das engliſche Guyana oder die Kolonie Eſſequibo, gegen Süd, an den öden Ufern des Paragua und Paraguamuſi hinauf und über die Kordillere von Pacaraimo, laufen ſie bis zu den portugieſiſchen Nieder-
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eine Karte des Landes zwiſchen dem Delta des Orinoko,
dem Carony und dem Cuyuni entworfen. Es iſt dies der
Teil von Guyana, der wegen der Nähe der Küſte eines
Tages für europäiſche Anſiedler die meiſte Anziehungskraft
haben wird.
In ihrem gegenwärtigen Zuſtande ſteht die ganze Be-
völkerung dieſer großen Provinz, mit Ausnahme einiger ſpa-
niſcher Kirchſpiele (Pueblos y villas de Españoles), unter
der Regierung zweier Mönchsorden. Schätzt man die Zahl
der Einwohner von Guyana, die nicht in wilder Unabhängig-
keit leben, auf 35000, ſo leben etwa 24000 in den Miſ-
ſionen und ſind dem unmittelbaren Einfluſſe des weltlichen
Armes ſo gut wie entzogen. Zur Zeit meiner Reiſe hatte das
Gebiet der Franziskaner von der Kongregation der Obſer-
vanten 7300 Einwohner, das der Capuchinos catalanes
17000; ein auffallendes Mißverhältnis, wenn man bedenkt,
wie klein letzteres Gebiet iſt gegenüber den ungeheuren Ufer-
ſtrecken am oberen Orinoko, Atabapo, Caſſiquiare und Rio
Negro. Aus dieſen Angaben geht hervor, daß gegen zwei
Dritteile der Bevölkerung einer Provinz von 16800 Meilen
Flächeninhalt zwiſchen dem Rio Imataca und der Stadt
Santo Tome de Angoſtura auf einem 250 km langen und
135 km breiten Striche zuſammengedrängt ſind. Dieſe beiden
mönchiſchen Regierungen ſind den Weißen gleich unzugäng-
lich und bilden einen status in statu. Ich habe bisher
nach meinen eigenen Beobachtungen die der Obſervanten be-
ſchrieben, und es bleibt mir jetzt noch übrig mitzuteilen, was
ich über das andere Regiment, das der kataloniſchen Kapu-
ziner, in Erfahrung gebracht. Verderbliche bürgerliche Zwiſte
und epidemiſche Fieber haben in den letzten Jahren den Wohl-
ſtand der Miſſionen am Carony, nachdem er lange im Zu-
nehmen geweſen, heruntergebracht; aber trotz dieſer Verluſte iſt
der Landſtrich, den wir beſuchen wollen, noch immer national-
ökonomiſch ſehr intereſſant.
Die Miſſionen der kataloniſchen Kapuziner hatten im
Jahre 1804 zum wenigſten 60000 Stücke Vieh auf den Sa-
vannen, die ſich vom öſtlichen Ufer des Carony und Para-
gua bis zu den Ufern des Imataca, Curumu und Cuyuni
erſtrecken; ſie grenzen gegen Südoſt an das engliſche Guyana
oder die Kolonie Eſſequibo, gegen Süd, an den öden Ufern
des Paragua und Paraguamuſi hinauf und über die Kordillere
von Pacaraimo, laufen ſie bis zu den portugieſiſchen Nieder-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/188>, abgerufen am 22.07.2024.
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