Die Indianer bleiben nicht immer bei einem einfachen Farbenüberzug stehen; zuweilen ahmen sie mit ihrer Haut- malerei in der wunderlichsten Weise den Schnitt europäischer Kleidungsstücke nach. Wir sahen in Pararuma welche, die sich blaue Jacken mit schwarzen Knöpfen malen ließen. Die Missionäre erzählten uns sogar, die Guaynaves am Rio Caura färben sich mit Onoto und machen sich dem Körper entlang breite Querstreifen, auf die sie silberfarbige Glimmerblättchen kleben. Von weitem sieht es aus, als trügen die nackten Menschen mit Tressen besetzte Kleider. Wären die bemalten Völker so scharf beobachtet worden wie die bekleideten, so wäre man zum Schlusse gelangt, daß beim Bemalen so gut wie bei der Bekleidung, der Brauch von großer Fruchtbarkeit der Einbildungskraft und starkem Wechsel der Laune er- zeugt wird.
Das Bemalen und Tättowieren ist in beiden Welten weder auf einen Menschenstamm, noch auf einen Erdstrich be- schränkt. Am häufigsten kommen diese Arten von Putz bei Völkern malaiischer und amerikanischer Rasse vor; aber zur Zeit der Römer bestand die Sitte auch bei der weißen Rasse im Norden von Europa. Wenn Kleidung und Tracht im Griechischen Archipel und in Westasien am malerischten sind, so sind Bemalung und Tättowierung bei den Insulanern der Südsee am höchsten ausgebildet. Manche bekleideten Völker bemalen sich dabei doch Hände, Nägel und Gesicht. Die Be- malung erscheint hier auf die Körperteile beschränkt, die allein bloß getragen werden, und während die Schminke, die an den wilden Zustand der Menschheit erinnert, in Europa nach und nach verschwindet, meinen die Damen in manchen Städten der Provinz Peru ihre doch so feine und sehr weiße Haut durch Auftragen von vegetabilischen Farbstoffen, von Stärke, Eiweiß und Mehl schöner zu machen. Wenn man lange unter Menschen gelebt hat, die mit Onoto und Chica bemalt sind, fallen einem diese Ueberreste alter Barbarei inmitten aller Gebräuche der gebildeten Welt nicht wenig auf.
Im Lager von Pararuma hatten wir Gelegenheit, manche Tiere, die wir bis dahin nur von den europäischen Samm- lungen her kannten, zum erstenmal lebend zu sehen. Die Missionäre treiben mit dergleichen kleinen Tieren Handel. Gegen Tabak, Maniharz, Chicafarbe, Gallitos (Felshühner), Titi-, Kapuziner- und andere an den Küsten sehr gesuchte Affen tauschen sie Zeuge, Nägel, Aexte, Angeln und Steck-
Die Indianer bleiben nicht immer bei einem einfachen Farbenüberzug ſtehen; zuweilen ahmen ſie mit ihrer Haut- malerei in der wunderlichſten Weiſe den Schnitt europäiſcher Kleidungsſtücke nach. Wir ſahen in Pararuma welche, die ſich blaue Jacken mit ſchwarzen Knöpfen malen ließen. Die Miſſionäre erzählten uns ſogar, die Guaynaves am Rio Caura färben ſich mit Onoto und machen ſich dem Körper entlang breite Querſtreifen, auf die ſie ſilberfarbige Glimmerblättchen kleben. Von weitem ſieht es aus, als trügen die nackten Menſchen mit Treſſen beſetzte Kleider. Wären die bemalten Völker ſo ſcharf beobachtet worden wie die bekleideten, ſo wäre man zum Schluſſe gelangt, daß beim Bemalen ſo gut wie bei der Bekleidung, der Brauch von großer Fruchtbarkeit der Einbildungskraft und ſtarkem Wechſel der Laune er- zeugt wird.
Das Bemalen und Tättowieren iſt in beiden Welten weder auf einen Menſchenſtamm, noch auf einen Erdſtrich be- ſchränkt. Am häufigſten kommen dieſe Arten von Putz bei Völkern malaiiſcher und amerikaniſcher Raſſe vor; aber zur Zeit der Römer beſtand die Sitte auch bei der weißen Raſſe im Norden von Europa. Wenn Kleidung und Tracht im Griechiſchen Archipel und in Weſtaſien am maleriſchten ſind, ſo ſind Bemalung und Tättowierung bei den Inſulanern der Südſee am höchſten ausgebildet. Manche bekleideten Völker bemalen ſich dabei doch Hände, Nägel und Geſicht. Die Be- malung erſcheint hier auf die Körperteile beſchränkt, die allein bloß getragen werden, und während die Schminke, die an den wilden Zuſtand der Menſchheit erinnert, in Europa nach und nach verſchwindet, meinen die Damen in manchen Städten der Provinz Peru ihre doch ſo feine und ſehr weiße Haut durch Auftragen von vegetabiliſchen Farbſtoffen, von Stärke, Eiweiß und Mehl ſchöner zu machen. Wenn man lange unter Menſchen gelebt hat, die mit Onoto und Chica bemalt ſind, fallen einem dieſe Ueberreſte alter Barbarei inmitten aller Gebräuche der gebildeten Welt nicht wenig auf.
Im Lager von Pararuma hatten wir Gelegenheit, manche Tiere, die wir bis dahin nur von den europäiſchen Samm- lungen her kannten, zum erſtenmal lebend zu ſehen. Die Miſſionäre treiben mit dergleichen kleinen Tieren Handel. Gegen Tabak, Maniharz, Chicafarbe, Gallitos (Felshühner), Titi-, Kapuziner- und andere an den Küſten ſehr geſuchte Affen tauſchen ſie Zeuge, Nägel, Aexte, Angeln und Steck-
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Die Indianer bleiben nicht immer bei einem einfachen
Farbenüberzug ſtehen; zuweilen ahmen ſie mit ihrer Haut-
malerei in der wunderlichſten Weiſe den Schnitt europäiſcher
Kleidungsſtücke nach. Wir ſahen in Pararuma welche, die
ſich blaue Jacken mit ſchwarzen Knöpfen malen ließen. Die
Miſſionäre erzählten uns ſogar, die Guaynaves am Rio Caura
färben ſich mit Onoto und machen ſich dem Körper entlang
breite Querſtreifen, auf die ſie ſilberfarbige Glimmerblättchen
kleben. Von weitem ſieht es aus, als trügen die nackten
Menſchen mit Treſſen beſetzte Kleider. Wären die bemalten
Völker ſo ſcharf beobachtet worden wie die bekleideten, ſo
wäre man zum Schluſſe gelangt, daß beim Bemalen ſo gut
wie bei der Bekleidung, der Brauch von großer Fruchtbarkeit
der Einbildungskraft und ſtarkem Wechſel der Laune er-
zeugt wird.
Das Bemalen und Tättowieren iſt in beiden Welten weder
auf einen Menſchenſtamm, noch auf einen Erdſtrich be-
ſchränkt. Am häufigſten kommen dieſe Arten von Putz bei
Völkern malaiiſcher und amerikaniſcher Raſſe vor; aber zur
Zeit der Römer beſtand die Sitte auch bei der weißen Raſſe
im Norden von Europa. Wenn Kleidung und Tracht im
Griechiſchen Archipel und in Weſtaſien am maleriſchten ſind,
ſo ſind Bemalung und Tättowierung bei den Inſulanern der
Südſee am höchſten ausgebildet. Manche bekleideten Völker
bemalen ſich dabei doch Hände, Nägel und Geſicht. Die Be-
malung erſcheint hier auf die Körperteile beſchränkt, die allein
bloß getragen werden, und während die Schminke, die an den
wilden Zuſtand der Menſchheit erinnert, in Europa nach und
nach verſchwindet, meinen die Damen in manchen Städten
der Provinz Peru ihre doch ſo feine und ſehr weiße Haut
durch Auftragen von vegetabiliſchen Farbſtoffen, von Stärke,
Eiweiß und Mehl ſchöner zu machen. Wenn man lange
unter Menſchen gelebt hat, die mit Onoto und Chica bemalt
ſind, fallen einem dieſe Ueberreſte alter Barbarei inmitten
aller Gebräuche der gebildeten Welt nicht wenig auf.
Im Lager von Pararuma hatten wir Gelegenheit, manche
Tiere, die wir bis dahin nur von den europäiſchen Samm-
lungen her kannten, zum erſtenmal lebend zu ſehen. Die
Miſſionäre treiben mit dergleichen kleinen Tieren Handel.
Gegen Tabak, Maniharz, Chicafarbe, Gallitos (Felshühner),
Titi-, Kapuziner- und andere an den Küſten ſehr geſuchte
Affen tauſchen ſie Zeuge, Nägel, Aexte, Angeln und Steck-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/80>, abgerufen am 18.07.2024.
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