ändert unterhalb der Schanze San Carlos so wenig an der Farbe, daß es mir auffiel. Der Verfasser der Chorographie moderne du Bresil sagt ganz richtig, der Fluß habe überall, wo er nicht tief sei, eine Bernsteinfarbe, wo das Wasser aber sehr tief sei, erscheine es schwarzbraun, wie Kaffeesatz. Auch bedeutet Curana, wie die Eingeborenen den unteren Guainia nennen, schwarzes Wasser. Die Vereinigung des Guainia oder Rio Negro mit dem Amazonenstrom gilt in der Statt- halterschaft Gran-Para für ein so wichtiges Moment, daß der Rio das Amazonas westlich vom Rio Negro seinen Namen ablegt und fortan Rio dos Solimoens heißt (eigentlich Sori- moens, mit Anspielung auf das Gift der Nation der Sorimans). Westlich von Ucayale nimmt der Amazonenstrom den Namen Rio Maranhaon oder Marannon an. Die Ufer des oberen Guainia sind im ganzen ungleich weniger von Wasservögeln bevölkert als die des Cassiquiare, Meta und Arauca, wo die Ornithologen die reichste Ausbeute für die europäischen Samm- lungen finden. Daß diese Tiere so selten sind, rührt ohne Zweifel daher, daß der Strom keine Untiefen und keine offenen Gestade hat, sowie von der Beschaffenheit des schwarzen Wassers, in dem (gerade wegen seiner Reinheit) Wasserinsekten und Fische weniger Nahrung finden. Trotzdem nähren sich die Indianer in diesem Landstriche zweimal im Jahre von Zug- vögeln, die auf ihrer langen Wanderung am Ufer des Rio Negro ausruhen. Wenn der Orinoko zu steigen anfängt, also nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, ziehen die Enten (Patos careteros) in ungeheuern Schwärmen vom 8. bis 3. Grad nördlicher zum 1. bis 4. Grad südlicher Breite gegen Süd-Südost. Diese Tiere verlassen um diese Zeit das Thal des Orinoko, ohne Zweifel weil sie, wenn das Wasser steigt und die Gestade überflutet, keine Fische, Wasserinsekten und Würmer mehr fangen können. Man erlegt sie zu Tausenden, wenn sie über den Rio Negro ziehen. Auf der Wanderung zum Aequator sind sie sehr fett und wohlschmeckend, aber im September, wenn der Orinoko fällt und in sein Bett zurück- tritt, ziehen die Enten, ob sie nun der Ruf der erfahrensten Zugvögel dazu antreibt, oder jenes innere Gefühl, das man Instinkt nennt, weil es nicht zu erklären ist, vom Amazonen- strome und Rio Branco wieder nach Norden. Sie sind zu mager, als daß die Indianer am Rio Negro lüstern danach wären, und sie entgehen ihren Nachstellungen um so eher, da eine Reiherart (Gavanes) mit ihnen wandert, die ein vortreff-
ändert unterhalb der Schanze San Carlos ſo wenig an der Farbe, daß es mir auffiel. Der Verfaſſer der Chorographie moderne du Brésil ſagt ganz richtig, der Fluß habe überall, wo er nicht tief ſei, eine Bernſteinfarbe, wo das Waſſer aber ſehr tief ſei, erſcheine es ſchwarzbraun, wie Kaffeeſatz. Auch bedeutet Curana, wie die Eingeborenen den unteren Guainia nennen, ſchwarzes Waſſer. Die Vereinigung des Guainia oder Rio Negro mit dem Amazonenſtrom gilt in der Statt- halterſchaft Gran-Para für ein ſo wichtiges Moment, daß der Rio das Amazonas weſtlich vom Rio Negro ſeinen Namen ablegt und fortan Rio dos Solimoẽs heißt (eigentlich Sori- moẽs, mit Anſpielung auf das Gift der Nation der Sorimans). Weſtlich von Ucayale nimmt der Amazonenſtrom den Namen Rio Maranhaõ oder Marañon an. Die Ufer des oberen Guainia ſind im ganzen ungleich weniger von Waſſervögeln bevölkert als die des Caſſiquiare, Meta und Arauca, wo die Ornithologen die reichſte Ausbeute für die europäiſchen Samm- lungen finden. Daß dieſe Tiere ſo ſelten ſind, rührt ohne Zweifel daher, daß der Strom keine Untiefen und keine offenen Geſtade hat, ſowie von der Beſchaffenheit des ſchwarzen Waſſers, in dem (gerade wegen ſeiner Reinheit) Waſſerinſekten und Fiſche weniger Nahrung finden. Trotzdem nähren ſich die Indianer in dieſem Landſtriche zweimal im Jahre von Zug- vögeln, die auf ihrer langen Wanderung am Ufer des Rio Negro ausruhen. Wenn der Orinoko zu ſteigen anfängt, alſo nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, ziehen die Enten (Patos careteros) in ungeheuern Schwärmen vom 8. bis 3. Grad nördlicher zum 1. bis 4. Grad ſüdlicher Breite gegen Süd-Südoſt. Dieſe Tiere verlaſſen um dieſe Zeit das Thal des Orinoko, ohne Zweifel weil ſie, wenn das Waſſer ſteigt und die Geſtade überflutet, keine Fiſche, Waſſerinſekten und Würmer mehr fangen können. Man erlegt ſie zu Tauſenden, wenn ſie über den Rio Negro ziehen. Auf der Wanderung zum Aequator ſind ſie ſehr fett und wohlſchmeckend, aber im September, wenn der Orinoko fällt und in ſein Bett zurück- tritt, ziehen die Enten, ob ſie nun der Ruf der erfahrenſten Zugvögel dazu antreibt, oder jenes innere Gefühl, das man Inſtinkt nennt, weil es nicht zu erklären iſt, vom Amazonen- ſtrome und Rio Branco wieder nach Norden. Sie ſind zu mager, als daß die Indianer am Rio Negro lüſtern danach wären, und ſie entgehen ihren Nachſtellungen um ſo eher, da eine Reiherart (Gavanes) mit ihnen wandert, die ein vortreff-
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ändert unterhalb der Schanze San Carlos ſo wenig an der
Farbe, daß es mir auffiel. Der Verfaſſer der Chorographie
moderne du Brésil ſagt ganz richtig, der Fluß habe überall,
wo er nicht tief ſei, eine Bernſteinfarbe, wo das Waſſer aber
ſehr tief ſei, erſcheine es ſchwarzbraun, wie Kaffeeſatz. Auch
bedeutet Curana, wie die Eingeborenen den unteren Guainia
nennen, ſchwarzes Waſſer. Die Vereinigung des Guainia
oder Rio Negro mit dem Amazonenſtrom gilt in der Statt-
halterſchaft Gran-Para für ein ſo wichtiges Moment, daß der
Rio das Amazonas weſtlich vom Rio Negro ſeinen Namen
ablegt und fortan Rio dos Solimoẽs heißt (eigentlich Sori-
moẽs, mit Anſpielung auf das Gift der Nation der Sorimans).
Weſtlich von Ucayale nimmt der Amazonenſtrom den Namen
Rio Maranhaõ oder Marañon an. Die Ufer des oberen
Guainia ſind im ganzen ungleich weniger von Waſſervögeln
bevölkert als die des Caſſiquiare, Meta und Arauca, wo die
Ornithologen die reichſte Ausbeute für die europäiſchen Samm-
lungen finden. Daß dieſe Tiere ſo ſelten ſind, rührt ohne
Zweifel daher, daß der Strom keine Untiefen und keine offenen
Geſtade hat, ſowie von der Beſchaffenheit des ſchwarzen
Waſſers, in dem (gerade wegen ſeiner Reinheit) Waſſerinſekten
und Fiſche weniger Nahrung finden. Trotzdem nähren ſich
die Indianer in dieſem Landſtriche zweimal im Jahre von Zug-
vögeln, die auf ihrer langen Wanderung am Ufer des Rio
Negro ausruhen. Wenn der Orinoko zu ſteigen anfängt, alſo
nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, ziehen die Enten
(Patos careteros) in ungeheuern Schwärmen vom 8. bis
3. Grad nördlicher zum 1. bis 4. Grad ſüdlicher Breite gegen
Süd-Südoſt. Dieſe Tiere verlaſſen um dieſe Zeit das Thal
des Orinoko, ohne Zweifel weil ſie, wenn das Waſſer ſteigt
und die Geſtade überflutet, keine Fiſche, Waſſerinſekten und
Würmer mehr fangen können. Man erlegt ſie zu Tauſenden,
wenn ſie über den Rio Negro ziehen. Auf der Wanderung
zum Aequator ſind ſie ſehr fett und wohlſchmeckend, aber im
September, wenn der Orinoko fällt und in ſein Bett zurück-
tritt, ziehen die Enten, ob ſie nun der Ruf der erfahrenſten
Zugvögel dazu antreibt, oder jenes innere Gefühl, das man
Inſtinkt nennt, weil es nicht zu erklären iſt, vom Amazonen-
ſtrome und Rio Branco wieder nach Norden. Sie ſind zu
mager, als daß die Indianer am Rio Negro lüſtern danach
wären, und ſie entgehen ihren Nachſtellungen um ſo eher, da
eine Reiherart (Gavanes) mit ihnen wandert, die ein vortreff-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/279>, abgerufen am 16.02.2025.
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