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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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unter 2,43 bis 2,71 m Wasser fallen. So außerordentlich
viel dies auch scheinen mag, so wird diese Schätzung doch
durch die sorgfältigen Beobachtungen des Ingenieurobersten
Constanzo in Neuspanien bestätigt. In Veracruz fielen allein
in den Monaten Juli, August und September 948 mm im
ganzen Jahre 1,677 m Regenwasser; aber zwischen dem Klima
der dürren, kahlen mexikanischen Küsten und dem Klima in
den Wäldern ist ein großer Unterschied. Auf jenen Küsten
fällt in den Monaten Dezember und Januar kein Tropfen
Regen und im Februar, April und Mai meist nur 5 bis 6,1 cm;
in San Carlos dagegen ist es neun, zehn Monate hintereinan-
der, als ob die Luft sich in Wasser auflöste. In diesem nassen
Himmelsstriche würde ohne die Verdunstung und den Abzug
der Wasser der Boden im Verlauf eines Jahres mit einer
2,6 m hohen Wasserschichte bedeckt. Diese Aequatorialregen,
welche die majestätischen Ströme Amerikas speisen, sind von
elektrischen Entladungen begleitet, und während man am Ende
desselben Kontinents, auf der Westküste von Grönland, 1 in
fünf und sechs Jahren nicht einmal donnern hört, toben in der
Nähe des Aequators die Gewitter fast Tag für Tag. Die
Gleichzeitigkeit der elektrischen Entladungen und der Regengüsse
unterstützt übrigens keineswegs die alte Hypothese, nach der
sich in der Luft durch Verbindung von Sauerstoff und Wasser-
stoff Wasser bildet. Man hat bis zu 7016 m Höhe vergeb-
lich Wasserstoff gesucht. Die Menge des in der gesättigten
Luft enthaltenen Wassers nimmt von 20 bis 25° weit rascher
zu als von 10 bis 15°. Unter der heißen Zone bildet sich
daher, wenn sich die Luft um einen einzigen Grad abkühlt,
weit mehr sichtbarer Wasserdunst als in der gemäßigten. Eine
durch die Strömungen fortwährend erneuerte Luft kann somit
alles Wasser liefern, das bei den Aequatorialregen fällt und
dem Physiker so erstaunlich groß dünkt.

Das Wasser des Rio Negro ist (bei reflektiertem Lichte)
dunkler von Farbe als das des Atabapo und des Tuamini.
Ja die Masse weißen Wassers, die der Cassiquiare hereinbringt,

1 Der Ritter Giseke, der sieben Jahre unter dem 70. Breiten-
grad gelebt hat, sah in der langen Verbannung, der er sich aus
Liebe zur Wissenschaft unterzogen, nur ein einzigesmal blitzen. Auf
der Küste von Grönland verwechselt man häufig das Getöse der
Lawinen oder stürzenden Eismassen mit dem Donner.

unter 2,43 bis 2,71 m Waſſer fallen. So außerordentlich
viel dies auch ſcheinen mag, ſo wird dieſe Schätzung doch
durch die ſorgfältigen Beobachtungen des Ingenieuroberſten
Conſtanzo in Neuſpanien beſtätigt. In Veracruz fielen allein
in den Monaten Juli, Auguſt und September 948 mm im
ganzen Jahre 1,677 m Regenwaſſer; aber zwiſchen dem Klima
der dürren, kahlen mexikaniſchen Küſten und dem Klima in
den Wäldern iſt ein großer Unterſchied. Auf jenen Küſten
fällt in den Monaten Dezember und Januar kein Tropfen
Regen und im Februar, April und Mai meiſt nur 5 bis 6,1 cm;
in San Carlos dagegen iſt es neun, zehn Monate hintereinan-
der, als ob die Luft ſich in Waſſer auflöſte. In dieſem naſſen
Himmelsſtriche würde ohne die Verdunſtung und den Abzug
der Waſſer der Boden im Verlauf eines Jahres mit einer
2,6 m hohen Waſſerſchichte bedeckt. Dieſe Aequatorialregen,
welche die majeſtätiſchen Ströme Amerikas ſpeiſen, ſind von
elektriſchen Entladungen begleitet, und während man am Ende
desſelben Kontinents, auf der Weſtküſte von Grönland, 1 in
fünf und ſechs Jahren nicht einmal donnern hört, toben in der
Nähe des Aequators die Gewitter faſt Tag für Tag. Die
Gleichzeitigkeit der elektriſchen Entladungen und der Regengüſſe
unterſtützt übrigens keineswegs die alte Hypotheſe, nach der
ſich in der Luft durch Verbindung von Sauerſtoff und Waſſer-
ſtoff Waſſer bildet. Man hat bis zu 7016 m Höhe vergeb-
lich Waſſerſtoff geſucht. Die Menge des in der geſättigten
Luft enthaltenen Waſſers nimmt von 20 bis 25° weit raſcher
zu als von 10 bis 15°. Unter der heißen Zone bildet ſich
daher, wenn ſich die Luft um einen einzigen Grad abkühlt,
weit mehr ſichtbarer Waſſerdunſt als in der gemäßigten. Eine
durch die Strömungen fortwährend erneuerte Luft kann ſomit
alles Waſſer liefern, das bei den Aequatorialregen fällt und
dem Phyſiker ſo erſtaunlich groß dünkt.

Das Waſſer des Rio Negro iſt (bei reflektiertem Lichte)
dunkler von Farbe als das des Atabapo und des Tuamini.
Ja die Maſſe weißen Waſſers, die der Caſſiquiare hereinbringt,

1 Der Ritter Giſeke, der ſieben Jahre unter dem 70. Breiten-
grad gelebt hat, ſah in der langen Verbannung, der er ſich aus
Liebe zur Wiſſenſchaft unterzogen, nur ein einzigesmal blitzen. Auf
der Küſte von Grönland verwechſelt man häufig das Getöſe der
Lawinen oder ſtürzenden Eismaſſen mit dem Donner.
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[270/0278] unter 2,43 bis 2,71 m Waſſer fallen. So außerordentlich viel dies auch ſcheinen mag, ſo wird dieſe Schätzung doch durch die ſorgfältigen Beobachtungen des Ingenieuroberſten Conſtanzo in Neuſpanien beſtätigt. In Veracruz fielen allein in den Monaten Juli, Auguſt und September 948 mm im ganzen Jahre 1,677 m Regenwaſſer; aber zwiſchen dem Klima der dürren, kahlen mexikaniſchen Küſten und dem Klima in den Wäldern iſt ein großer Unterſchied. Auf jenen Küſten fällt in den Monaten Dezember und Januar kein Tropfen Regen und im Februar, April und Mai meiſt nur 5 bis 6,1 cm; in San Carlos dagegen iſt es neun, zehn Monate hintereinan- der, als ob die Luft ſich in Waſſer auflöſte. In dieſem naſſen Himmelsſtriche würde ohne die Verdunſtung und den Abzug der Waſſer der Boden im Verlauf eines Jahres mit einer 2,6 m hohen Waſſerſchichte bedeckt. Dieſe Aequatorialregen, welche die majeſtätiſchen Ströme Amerikas ſpeiſen, ſind von elektriſchen Entladungen begleitet, und während man am Ende desſelben Kontinents, auf der Weſtküſte von Grönland, 1 in fünf und ſechs Jahren nicht einmal donnern hört, toben in der Nähe des Aequators die Gewitter faſt Tag für Tag. Die Gleichzeitigkeit der elektriſchen Entladungen und der Regengüſſe unterſtützt übrigens keineswegs die alte Hypotheſe, nach der ſich in der Luft durch Verbindung von Sauerſtoff und Waſſer- ſtoff Waſſer bildet. Man hat bis zu 7016 m Höhe vergeb- lich Waſſerſtoff geſucht. Die Menge des in der geſättigten Luft enthaltenen Waſſers nimmt von 20 bis 25° weit raſcher zu als von 10 bis 15°. Unter der heißen Zone bildet ſich daher, wenn ſich die Luft um einen einzigen Grad abkühlt, weit mehr ſichtbarer Waſſerdunſt als in der gemäßigten. Eine durch die Strömungen fortwährend erneuerte Luft kann ſomit alles Waſſer liefern, das bei den Aequatorialregen fällt und dem Phyſiker ſo erſtaunlich groß dünkt. Das Waſſer des Rio Negro iſt (bei reflektiertem Lichte) dunkler von Farbe als das des Atabapo und des Tuamini. Ja die Maſſe weißen Waſſers, die der Caſſiquiare hereinbringt, 1 Der Ritter Giſeke, der ſieben Jahre unter dem 70. Breiten- grad gelebt hat, ſah in der langen Verbannung, der er ſich aus Liebe zur Wiſſenſchaft unterzogen, nur ein einzigesmal blitzen. Auf der Küſte von Grönland verwechſelt man häufig das Getöſe der Lawinen oder ſtürzenden Eismaſſen mit dem Donner.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/278>, abgerufen am 22.11.2024.