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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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bei den Katarakten zu zwingen." Gegenwärtig hängt die
Existenz dieser Missionen so ziemlich an zwei Guahibo- und
Macofamilien, den einzigen, bei denen man einige Spuren
von Civilisation findet und die das Leben auf eigenem Grund
und Boden lieben. Sterben diese Haushaltungen aus, so
laufen die anderen Indianer, die der Missionszucht längst
müde sind, dem Pater Zea davon, und an einem Punkt, den
man als den Schlüssel des Orinoko betrachten kann, finden
dann die Reisenden nichts mehr, was sie bedürfen, zumal
keinen Steuermann, der die Kanoen durch die Stromschnellen
schafft; der Verkehr zwischen dem Fort am Rio Negro und
der Hauptstadt Angostura wäre, wo nicht unterbrochen, doch
ungemein erschwert. Es bedarf ganz genauer Kenntnis der
Oertlichkeiten, um sich in das Labyrinth von Klippen und
Felsblöcken zu wagen, die bei Atures und Maypures das
Strombett verstopfen.

Während man unsere Piroge auslud, betrachteten wir
von allen Punkten, wo wir ans Ufer gelangen konnten, in
der Nähe das ergreifende Schauspiel eines eingeengten und
wie völlig in Schaum verwandelten großen Stromes. Ich
versuche es, nicht unsere Empfindungen, sondern eine Oertlich-
keit zu schildern, die unter den Landschaften der Neuen Welt
so berühmt ist. Je großartiger, majestätischer die Gegenstände
sind, desto wichtiger ist es, sie in ihren kleinsten Zügen auf-
zufassen, die Umrisse des Gemäldes, mit dem man zur Ein-
bildungskraft des Lesers sprechen will, fest zu zeichnen, die
bezeichnenden Merkmale der großen, unvergänglichen Denk-
mäler der Natur einfach zu schildern.

Von seiner Mündung bis zum Einfluß des Anaveni,
auf einer Strecke von 1170 km, ist die Schiffahrt auf dem
Orinoko durchaus ungehindert. Bei Muitaco, in einer Bucht,
Boca del Infierno genannt, sind Klippen und Wirbel; bei
Carichana und San Borja sind Stromschnellen (Raudalitos);
aber an all diesen Punkten ist der Strom nie ganz gesperrt,
es bleibt eine Wasserstraße, auf der die Fahrzeuge hinab und
hinauf fahren können.

Auf dieser ganzen Fahrt auf dem unteren Orinoko wird
dem Reisenden nur eines gefährlich, die natürlichen Flöße
aus Bäumen, die der Fluß entwurzelt und bei Hochwasser
forttreibt. Wehe den Pirogen, die bei Nacht an solchem
Gitterwerk aus Holz und Schlinggewächsen auffahren! Das-
selbe ist mit Wasserpflanzen bedeckt und gleicht hier, wie auf

bei den Katarakten zu zwingen.“ Gegenwärtig hängt die
Exiſtenz dieſer Miſſionen ſo ziemlich an zwei Guahibo- und
Macofamilien, den einzigen, bei denen man einige Spuren
von Civiliſation findet und die das Leben auf eigenem Grund
und Boden lieben. Sterben dieſe Haushaltungen aus, ſo
laufen die anderen Indianer, die der Miſſionszucht längſt
müde ſind, dem Pater Zea davon, und an einem Punkt, den
man als den Schlüſſel des Orinoko betrachten kann, finden
dann die Reiſenden nichts mehr, was ſie bedürfen, zumal
keinen Steuermann, der die Kanoen durch die Stromſchnellen
ſchafft; der Verkehr zwiſchen dem Fort am Rio Negro und
der Hauptſtadt Angoſtura wäre, wo nicht unterbrochen, doch
ungemein erſchwert. Es bedarf ganz genauer Kenntnis der
Oertlichkeiten, um ſich in das Labyrinth von Klippen und
Felsblöcken zu wagen, die bei Atures und Maypures das
Strombett verſtopfen.

Während man unſere Piroge auslud, betrachteten wir
von allen Punkten, wo wir ans Ufer gelangen konnten, in
der Nähe das ergreifende Schauſpiel eines eingeengten und
wie völlig in Schaum verwandelten großen Stromes. Ich
verſuche es, nicht unſere Empfindungen, ſondern eine Oertlich-
keit zu ſchildern, die unter den Landſchaften der Neuen Welt
ſo berühmt iſt. Je großartiger, majeſtätiſcher die Gegenſtände
ſind, deſto wichtiger iſt es, ſie in ihren kleinſten Zügen auf-
zufaſſen, die Umriſſe des Gemäldes, mit dem man zur Ein-
bildungskraft des Leſers ſprechen will, feſt zu zeichnen, die
bezeichnenden Merkmale der großen, unvergänglichen Denk-
mäler der Natur einfach zu ſchildern.

Von ſeiner Mündung bis zum Einfluß des Anaveni,
auf einer Strecke von 1170 km, iſt die Schiffahrt auf dem
Orinoko durchaus ungehindert. Bei Muitaco, in einer Bucht,
Boca del Infierno genannt, ſind Klippen und Wirbel; bei
Carichana und San Borja ſind Stromſchnellen (Raudalitos);
aber an all dieſen Punkten iſt der Strom nie ganz geſperrt,
es bleibt eine Waſſerſtraße, auf der die Fahrzeuge hinab und
hinauf fahren können.

Auf dieſer ganzen Fahrt auf dem unteren Orinoko wird
dem Reiſenden nur eines gefährlich, die natürlichen Flöße
aus Bäumen, die der Fluß entwurzelt und bei Hochwaſſer
forttreibt. Wehe den Pirogen, die bei Nacht an ſolchem
Gitterwerk aus Holz und Schlinggewächſen auffahren! Das-
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[117/0125] bei den Katarakten zu zwingen.“ Gegenwärtig hängt die Exiſtenz dieſer Miſſionen ſo ziemlich an zwei Guahibo- und Macofamilien, den einzigen, bei denen man einige Spuren von Civiliſation findet und die das Leben auf eigenem Grund und Boden lieben. Sterben dieſe Haushaltungen aus, ſo laufen die anderen Indianer, die der Miſſionszucht längſt müde ſind, dem Pater Zea davon, und an einem Punkt, den man als den Schlüſſel des Orinoko betrachten kann, finden dann die Reiſenden nichts mehr, was ſie bedürfen, zumal keinen Steuermann, der die Kanoen durch die Stromſchnellen ſchafft; der Verkehr zwiſchen dem Fort am Rio Negro und der Hauptſtadt Angoſtura wäre, wo nicht unterbrochen, doch ungemein erſchwert. Es bedarf ganz genauer Kenntnis der Oertlichkeiten, um ſich in das Labyrinth von Klippen und Felsblöcken zu wagen, die bei Atures und Maypures das Strombett verſtopfen. Während man unſere Piroge auslud, betrachteten wir von allen Punkten, wo wir ans Ufer gelangen konnten, in der Nähe das ergreifende Schauſpiel eines eingeengten und wie völlig in Schaum verwandelten großen Stromes. Ich verſuche es, nicht unſere Empfindungen, ſondern eine Oertlich- keit zu ſchildern, die unter den Landſchaften der Neuen Welt ſo berühmt iſt. Je großartiger, majeſtätiſcher die Gegenſtände ſind, deſto wichtiger iſt es, ſie in ihren kleinſten Zügen auf- zufaſſen, die Umriſſe des Gemäldes, mit dem man zur Ein- bildungskraft des Leſers ſprechen will, feſt zu zeichnen, die bezeichnenden Merkmale der großen, unvergänglichen Denk- mäler der Natur einfach zu ſchildern. Von ſeiner Mündung bis zum Einfluß des Anaveni, auf einer Strecke von 1170 km, iſt die Schiffahrt auf dem Orinoko durchaus ungehindert. Bei Muitaco, in einer Bucht, Boca del Infierno genannt, ſind Klippen und Wirbel; bei Carichana und San Borja ſind Stromſchnellen (Raudalitos); aber an all dieſen Punkten iſt der Strom nie ganz geſperrt, es bleibt eine Waſſerſtraße, auf der die Fahrzeuge hinab und hinauf fahren können. Auf dieſer ganzen Fahrt auf dem unteren Orinoko wird dem Reiſenden nur eines gefährlich, die natürlichen Flöße aus Bäumen, die der Fluß entwurzelt und bei Hochwaſſer forttreibt. Wehe den Pirogen, die bei Nacht an ſolchem Gitterwerk aus Holz und Schlinggewächſen auffahren! Das- ſelbe iſt mit Waſſerpflanzen bedeckt und gleicht hier, wie auf

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/125>, abgerufen am 24.11.2024.