Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.pures, Abanis und Quirupas untereinander; statt dieser Zwischen dem 4. und 8. Breitengrad bildet der Orinoko pures, Abanis und Quirupas untereinander; ſtatt dieſer Zwiſchen dem 4. und 8. Breitengrad bildet der Orinoko <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="106"/> pures, Abanis und Quirupas untereinander; ſtatt dieſer<lb/> Stämme fanden wir nur Guahibos und ein paar Familien<lb/> vom Stamme der Macos. Die Atures ſind faſt völlig ver-<lb/> ſchwunden; man kennt ſie nur noch von ihren Gräbern in der<lb/> Höhle Ataruipe her, die an die Grabſtätten der Guanchen<lb/> auf Tenerifa erinnern. Wir hörten an Ort und Stelle, die<lb/> Atures haben mit den Quaquas und den Macos oder Piaroas<lb/> dem großen Völkerſtamme der <hi rendition="#g">Salivas</hi> angehört, wogegen<lb/> die Maypures, Abanis, Parenis und Guaypunaves einer Ab-<lb/> kunft ſeien mit den <hi rendition="#g">Cabres</hi> oder Caveres, die wegen ihrer<lb/> langen Kriege mit den Kariben viel genannt werden. In<lb/> dieſem Wirrwarr kleiner Völkerſchaften, die einander ſo ſchroff<lb/> gegenüberſtehen, wie einſt die Völker in Latium, Kleinaſien<lb/> und Sogdiana, läßt ſich das Zuſammengehörige im allge-<lb/> meinſten nur an der Sprachverwandtſchaft erkennen. Die<lb/> Sprachen ſind die einzigen Denkmäler, die aus der Urzeit<lb/> auf uns gekommen ſind; nur ſie, nicht an den Boden ge-<lb/> feſſelt, beweglich und dauernd zugleich, ſind ſozuſagen durch<lb/> Raum und Zeit hindurchgegangen. So zäh und über ſo viele<lb/> Strecken verbreitet erſcheinen ſie aber weit weniger bei er-<lb/> oberten und bei civiliſierten Völkern als bei wandernden,<lb/> halbwilden Stämmen, die auf der Flucht vor mächtigen Fein-<lb/> den in ihr tiefes Elend nichts mit ſich nehmen als ihre Weiber,<lb/> ihre Kinder und die Mundart ihrer Väter.</p><lb/> <p>Zwiſchen dem 4. und 8. Breitengrad bildet der Orinoko<lb/> nicht nur die Grenze zwiſchen dem großen Walde der Pa-<lb/> rime und den kahlen Savannen am Apure, Meta und Gua-<lb/> viare, er ſcheidet auch Horden von ſehr verſchiedener Lebens-<lb/> weiſe. Im Weſten ziehen auf den baumloſen Ebenen die<lb/> Guahibos, Chiricoas und Guamos herum, ekelhaft ſchmutzige<lb/> Völker, ſtolz auf ihre wilde Unabhängigkeit, ſchwer an den<lb/> Boden zu feſſeln und an regelmäßige Arbeit zu gewöhnen.<lb/> Die ſpaniſchen Miſſionäre bezeichnen ſie ganz gut als <hi rendition="#aq">Indios<lb/> andantes</hi> (laufende, umherziehende Indianer). Oeſtlich vom<lb/> Orinoko, zwiſchen den einander nahe liegenden Quellen des<lb/> Caura, des Cataniapo und Ventuari, hauſen die Macos, Salivas,<lb/> Curacicanas, Parecas und Maquiritares, ſanftmütige, ruhige,<lb/> Ackerbau treibende, leicht der Zucht in den Miſſionen zu unter-<lb/> werfende Völker. Der <hi rendition="#g">Indianer der Ebene</hi> unterſcheidet<lb/> ſich vom <hi rendition="#g">Indianer der Wälder</hi> durch Sprache wie durch<lb/> Sitten und die ganze Geiſtesrichtung; beide haben eine an<lb/> lebendigen, kecken Wendungen reiche Sprache, aber die des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0114]
pures, Abanis und Quirupas untereinander; ſtatt dieſer
Stämme fanden wir nur Guahibos und ein paar Familien
vom Stamme der Macos. Die Atures ſind faſt völlig ver-
ſchwunden; man kennt ſie nur noch von ihren Gräbern in der
Höhle Ataruipe her, die an die Grabſtätten der Guanchen
auf Tenerifa erinnern. Wir hörten an Ort und Stelle, die
Atures haben mit den Quaquas und den Macos oder Piaroas
dem großen Völkerſtamme der Salivas angehört, wogegen
die Maypures, Abanis, Parenis und Guaypunaves einer Ab-
kunft ſeien mit den Cabres oder Caveres, die wegen ihrer
langen Kriege mit den Kariben viel genannt werden. In
dieſem Wirrwarr kleiner Völkerſchaften, die einander ſo ſchroff
gegenüberſtehen, wie einſt die Völker in Latium, Kleinaſien
und Sogdiana, läßt ſich das Zuſammengehörige im allge-
meinſten nur an der Sprachverwandtſchaft erkennen. Die
Sprachen ſind die einzigen Denkmäler, die aus der Urzeit
auf uns gekommen ſind; nur ſie, nicht an den Boden ge-
feſſelt, beweglich und dauernd zugleich, ſind ſozuſagen durch
Raum und Zeit hindurchgegangen. So zäh und über ſo viele
Strecken verbreitet erſcheinen ſie aber weit weniger bei er-
oberten und bei civiliſierten Völkern als bei wandernden,
halbwilden Stämmen, die auf der Flucht vor mächtigen Fein-
den in ihr tiefes Elend nichts mit ſich nehmen als ihre Weiber,
ihre Kinder und die Mundart ihrer Väter.
Zwiſchen dem 4. und 8. Breitengrad bildet der Orinoko
nicht nur die Grenze zwiſchen dem großen Walde der Pa-
rime und den kahlen Savannen am Apure, Meta und Gua-
viare, er ſcheidet auch Horden von ſehr verſchiedener Lebens-
weiſe. Im Weſten ziehen auf den baumloſen Ebenen die
Guahibos, Chiricoas und Guamos herum, ekelhaft ſchmutzige
Völker, ſtolz auf ihre wilde Unabhängigkeit, ſchwer an den
Boden zu feſſeln und an regelmäßige Arbeit zu gewöhnen.
Die ſpaniſchen Miſſionäre bezeichnen ſie ganz gut als Indios
andantes (laufende, umherziehende Indianer). Oeſtlich vom
Orinoko, zwiſchen den einander nahe liegenden Quellen des
Caura, des Cataniapo und Ventuari, hauſen die Macos, Salivas,
Curacicanas, Parecas und Maquiritares, ſanftmütige, ruhige,
Ackerbau treibende, leicht der Zucht in den Miſſionen zu unter-
werfende Völker. Der Indianer der Ebene unterſcheidet
ſich vom Indianer der Wälder durch Sprache wie durch
Sitten und die ganze Geiſtesrichtung; beide haben eine an
lebendigen, kecken Wendungen reiche Sprache, aber die des
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