Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Orden des heiligen Ignatius gegründete christliche Nieder- Die alten Karten, sowie Pater Gumilla in seinem Werke, Wir fanden die kleine Mission in der kläglichsten Ver- Orden des heiligen Ignatius gegründete chriſtliche Nieder- Die alten Karten, ſowie Pater Gumilla in ſeinem Werke, Wir fanden die kleine Miſſion in der kläglichſten Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="105"/> Orden des heiligen Ignatius gegründete chriſtliche Nieder-<lb/> laſſung. Die weiter nach Süd gelegenen Niederlaſſungen am<lb/> Atabapo, Caſſiquiare und Rio Negro rühren von den dem<lb/> Franziskanerorden angehörenden Obſervanten her. Wo jetzt<lb/> das Dorf Atures ſteht, muß früher der Orinoko gefloſſen ſein,<lb/> und die völlig ebene Grasflur um das Dorf war ohne Zweifel<lb/> ein Stück des Flußbettes. Oeſtlich von der Miſſion ſah ich<lb/> eine Felsreihe, die mir das alte Flußufer zu ſein ſchien. Im<lb/> Laufe der Jahrhunderte wurde der Strom gegen Weſt hin-<lb/> übergedrängt, weil den öſtlichen Bergen zu, von denen viele<lb/> Wildwaſſer herabkommen, die Anſchwemmungen ſtärker ſind.<lb/> Der Katarakt heißt, wie oben bemerkt, <hi rendition="#g">Mapara</hi>, während<lb/> das Dorf nach dem Volke der Atures genannt iſt, das man<lb/> jetzt für ausgeſtorben hält. Auf den Karten des 17. Jahr-<lb/> hunderts finde ich: „Inſel und Katarakt <hi rendition="#g">Athule</hi>“; dies iſt<lb/><hi rendition="#g">Atures</hi> nach der Ausſprache der Tamanaken, die, wie ſo<lb/> viele Völker, die Konſonanten l und r verwechſeln. Noch bis<lb/> zur Mitte des 18. Jahrhunderts war dieſes gebirgige Land<lb/> in Europa ſo wenig bekannt, daß d’Anville in der erſten<lb/> Ausgabe ſeines Südamerika beim <hi rendition="#g">Salto de los Atures</hi><lb/> vom Orinoko einen Arm abgehen läßt, der ſich in den Ama-<lb/> zonenſtrom ergießt und der bei ihm Rio Negro heißt.</p><lb/> <p>Die alten Karten, ſowie Pater Gumilla in ſeinem Werke,<lb/> ſetzen die Miſſion unter 1° 30′ der Breite; der Abb<hi rendition="#aq">é</hi> Gili<lb/> gibt 3° 30′ an. Nach Meridianhöhen des Canopus und des α<lb/> des ſüdlichen Kreuzes fand ich 5° 38′ 4″ Breite und durch<lb/> Uebertrag der Zeit 4 Stunden 41 Minuten 17 Sekunden<lb/> weſtliche Länge vom Pariſer Meridian. Die Inklination der<lb/> Magnetnadel war am 16. April 30,25°; 223 Schwingungen<lb/> in 10 Zeitminuten gaben das Maß der Intenſität der mag-<lb/> netiſchen Kraft; in Paris ſind es 245 Schwingungen.</p><lb/> <p>Wir fanden die kleine Miſſion in der kläglichſten Ver-<lb/> faſſung. Zur Zeit von Solanos Expedition, gewöhnlich „die<lb/> Grenzexpedition“ genannt, waren noch 520 Indianer hier,<lb/> und als wir über die Katarakte gingen, nur noch 47, und<lb/> der Miſſionär verſicherte uns, mit jedem Jahre werde die Ab-<lb/> nahme ſtärker. Er zeigte uns, daß in 32 Monaten nur eine<lb/> einzige Ehe ins Kirchenbuch eingetragen worden; zwei weitere<lb/> Ehen waren von noch nicht katechiſierten Indianern vor dem<lb/> indianiſchen <hi rendition="#g">Governador</hi> geſchloſſen und damit, wie wir<lb/> in Europa ſagen, der Civilakt vollzogen worden. Bei der<lb/> Gründung der Miſſion waren hier Atures, Maypures, Meye-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0113]
Orden des heiligen Ignatius gegründete chriſtliche Nieder-
laſſung. Die weiter nach Süd gelegenen Niederlaſſungen am
Atabapo, Caſſiquiare und Rio Negro rühren von den dem
Franziskanerorden angehörenden Obſervanten her. Wo jetzt
das Dorf Atures ſteht, muß früher der Orinoko gefloſſen ſein,
und die völlig ebene Grasflur um das Dorf war ohne Zweifel
ein Stück des Flußbettes. Oeſtlich von der Miſſion ſah ich
eine Felsreihe, die mir das alte Flußufer zu ſein ſchien. Im
Laufe der Jahrhunderte wurde der Strom gegen Weſt hin-
übergedrängt, weil den öſtlichen Bergen zu, von denen viele
Wildwaſſer herabkommen, die Anſchwemmungen ſtärker ſind.
Der Katarakt heißt, wie oben bemerkt, Mapara, während
das Dorf nach dem Volke der Atures genannt iſt, das man
jetzt für ausgeſtorben hält. Auf den Karten des 17. Jahr-
hunderts finde ich: „Inſel und Katarakt Athule“; dies iſt
Atures nach der Ausſprache der Tamanaken, die, wie ſo
viele Völker, die Konſonanten l und r verwechſeln. Noch bis
zur Mitte des 18. Jahrhunderts war dieſes gebirgige Land
in Europa ſo wenig bekannt, daß d’Anville in der erſten
Ausgabe ſeines Südamerika beim Salto de los Atures
vom Orinoko einen Arm abgehen läßt, der ſich in den Ama-
zonenſtrom ergießt und der bei ihm Rio Negro heißt.
Die alten Karten, ſowie Pater Gumilla in ſeinem Werke,
ſetzen die Miſſion unter 1° 30′ der Breite; der Abbé Gili
gibt 3° 30′ an. Nach Meridianhöhen des Canopus und des α
des ſüdlichen Kreuzes fand ich 5° 38′ 4″ Breite und durch
Uebertrag der Zeit 4 Stunden 41 Minuten 17 Sekunden
weſtliche Länge vom Pariſer Meridian. Die Inklination der
Magnetnadel war am 16. April 30,25°; 223 Schwingungen
in 10 Zeitminuten gaben das Maß der Intenſität der mag-
netiſchen Kraft; in Paris ſind es 245 Schwingungen.
Wir fanden die kleine Miſſion in der kläglichſten Ver-
faſſung. Zur Zeit von Solanos Expedition, gewöhnlich „die
Grenzexpedition“ genannt, waren noch 520 Indianer hier,
und als wir über die Katarakte gingen, nur noch 47, und
der Miſſionär verſicherte uns, mit jedem Jahre werde die Ab-
nahme ſtärker. Er zeigte uns, daß in 32 Monaten nur eine
einzige Ehe ins Kirchenbuch eingetragen worden; zwei weitere
Ehen waren von noch nicht katechiſierten Indianern vor dem
indianiſchen Governador geſchloſſen und damit, wie wir
in Europa ſagen, der Civilakt vollzogen worden. Bei der
Gründung der Miſſion waren hier Atures, Maypures, Meye-
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