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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Turme beherrscht. Man denke sich, welchen Eindruck dieser
Anblick auf einen machen muß, der im Binnenlande zu Hause
ist und an dieser Stelle zum erstenmal das Meer und
Schiffe sieht.

Ich habe durch unmittelbare Beobachtungen die Breite
der Venta ermittelt, um die Entfernung derselben von der
Küste genauer angeben zu können. Die Breite ist 10° 33' 9";
die Länge des Ortes schien mir nach dem Chronometer etwa
2' 47" im Bogen westlich von der Stadt Caracas. Ich fand
in dieser Höhe die Inklination der Magnetnadel 41,75°, die
Intensität der magnetischen Kraft = 234 Schwingungen.

Von der Venta, auch Venta grande genannt zum Unter-
schied von drei oder vier anderen kleinen Wirtshäusern am
Wege, 1 geht es noch über 290 m hinauf zum Guayavo.
Dies ist beinahe der höchste Punkt der Straße, ich ging aber
mit dem Barometer noch weiter, etwas über die Cumbre
(Gipfel) hinauf, in die Schanze Cuchilla. Da ich keinen Paß
hatte (in fünf Jahren bedurfte ich desselben nur bei der
Landung), so wäre ich beinahe von einem Artillerieposten
verhaftet worden. Um die alten Soldaten zu besänftigen,
übersetzte ich ihnen in spanische Varas, wieviel Toisen der
Posten über dem Meere liegt. Daran schien ihnen sehr wenig
gelegen, und wenn sie mich gehen ließen, so verdanke ich es
einem Andalusier, der gar freundlich wurde, als ich ihm sagte,
die Berge seines Heimatlandes, die Sierra Nevada de Granada
seien viel höher als alle Berge in der Provinz Caracas.

Die Schanze Cuchilla liegt so hoch wie der Gipfel des
Puy de Dome und 290 m niedriger als die Post auf dem
Mont Cenis. Da die Stadt Caracas, die Venta del Guayavo
und der Hafen von Guayra so nahe bei einander liegen,
hätten Bonpland und ich gern ein paar Tage hintereinander
die kleinen Schwankungen des Barometers gleichzeitig in einem
schmalen Thale, auf einer dem Winde ausgesetzten Hochebene
und an der Meeresküste beobachtet; aber die Luft war wäh-
rend unseres Aufenthaltes an diesen Orten nicht ruhig genug
dazu. Ueberdem besaß ich auch nicht den dreifachen meteoro-
logischen Apparat, der zu dieser Beobachtung erforderlich ist,
die ich Naturforschern, die nach mir das Land besuchen, em-
pfehlen möchte.


1 Damals, jetzt sind fast alle zerstört.

Turme beherrſcht. Man denke ſich, welchen Eindruck dieſer
Anblick auf einen machen muß, der im Binnenlande zu Hauſe
iſt und an dieſer Stelle zum erſtenmal das Meer und
Schiffe ſieht.

Ich habe durch unmittelbare Beobachtungen die Breite
der Venta ermittelt, um die Entfernung derſelben von der
Küſte genauer angeben zu können. Die Breite iſt 10° 33′ 9″;
die Länge des Ortes ſchien mir nach dem Chronometer etwa
2′ 47″ im Bogen weſtlich von der Stadt Caracas. Ich fand
in dieſer Höhe die Inklination der Magnetnadel 41,75°, die
Intenſität der magnetiſchen Kraft = 234 Schwingungen.

Von der Venta, auch Venta grande genannt zum Unter-
ſchied von drei oder vier anderen kleinen Wirtshäuſern am
Wege, 1 geht es noch über 290 m hinauf zum Guayavo.
Dies iſt beinahe der höchſte Punkt der Straße, ich ging aber
mit dem Barometer noch weiter, etwas über die Cumbre
(Gipfel) hinauf, in die Schanze Cuchilla. Da ich keinen Paß
hatte (in fünf Jahren bedurfte ich desſelben nur bei der
Landung), ſo wäre ich beinahe von einem Artilleriepoſten
verhaftet worden. Um die alten Soldaten zu beſänftigen,
überſetzte ich ihnen in ſpaniſche Varas, wieviel Toiſen der
Poſten über dem Meere liegt. Daran ſchien ihnen ſehr wenig
gelegen, und wenn ſie mich gehen ließen, ſo verdanke ich es
einem Andaluſier, der gar freundlich wurde, als ich ihm ſagte,
die Berge ſeines Heimatlandes, die Sierra Nevada de Granada
ſeien viel höher als alle Berge in der Provinz Caracas.

Die Schanze Cuchilla liegt ſo hoch wie der Gipfel des
Puy de Dome und 290 m niedriger als die Poſt auf dem
Mont Cenis. Da die Stadt Caracas, die Venta del Guayavo
und der Hafen von Guayra ſo nahe bei einander liegen,
hätten Bonpland und ich gern ein paar Tage hintereinander
die kleinen Schwankungen des Barometers gleichzeitig in einem
ſchmalen Thale, auf einer dem Winde ausgeſetzten Hochebene
und an der Meeresküſte beobachtet; aber die Luft war wäh-
rend unſeres Aufenthaltes an dieſen Orten nicht ruhig genug
dazu. Ueberdem beſaß ich auch nicht den dreifachen meteoro-
logiſchen Apparat, der zu dieſer Beobachtung erforderlich iſt,
die ich Naturforſchern, die nach mir das Land beſuchen, em-
pfehlen möchte.


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[91/0099] Turme beherrſcht. Man denke ſich, welchen Eindruck dieſer Anblick auf einen machen muß, der im Binnenlande zu Hauſe iſt und an dieſer Stelle zum erſtenmal das Meer und Schiffe ſieht. Ich habe durch unmittelbare Beobachtungen die Breite der Venta ermittelt, um die Entfernung derſelben von der Küſte genauer angeben zu können. Die Breite iſt 10° 33′ 9″; die Länge des Ortes ſchien mir nach dem Chronometer etwa 2′ 47″ im Bogen weſtlich von der Stadt Caracas. Ich fand in dieſer Höhe die Inklination der Magnetnadel 41,75°, die Intenſität der magnetiſchen Kraft = 234 Schwingungen. Von der Venta, auch Venta grande genannt zum Unter- ſchied von drei oder vier anderen kleinen Wirtshäuſern am Wege, 1 geht es noch über 290 m hinauf zum Guayavo. Dies iſt beinahe der höchſte Punkt der Straße, ich ging aber mit dem Barometer noch weiter, etwas über die Cumbre (Gipfel) hinauf, in die Schanze Cuchilla. Da ich keinen Paß hatte (in fünf Jahren bedurfte ich desſelben nur bei der Landung), ſo wäre ich beinahe von einem Artilleriepoſten verhaftet worden. Um die alten Soldaten zu beſänftigen, überſetzte ich ihnen in ſpaniſche Varas, wieviel Toiſen der Poſten über dem Meere liegt. Daran ſchien ihnen ſehr wenig gelegen, und wenn ſie mich gehen ließen, ſo verdanke ich es einem Andaluſier, der gar freundlich wurde, als ich ihm ſagte, die Berge ſeines Heimatlandes, die Sierra Nevada de Granada ſeien viel höher als alle Berge in der Provinz Caracas. Die Schanze Cuchilla liegt ſo hoch wie der Gipfel des Puy de Dome und 290 m niedriger als die Poſt auf dem Mont Cenis. Da die Stadt Caracas, die Venta del Guayavo und der Hafen von Guayra ſo nahe bei einander liegen, hätten Bonpland und ich gern ein paar Tage hintereinander die kleinen Schwankungen des Barometers gleichzeitig in einem ſchmalen Thale, auf einer dem Winde ausgeſetzten Hochebene und an der Meeresküſte beobachtet; aber die Luft war wäh- rend unſeres Aufenthaltes an dieſen Orten nicht ruhig genug dazu. Ueberdem beſaß ich auch nicht den dreifachen meteoro- logiſchen Apparat, der zu dieſer Beobachtung erforderlich iſt, die ich Naturforſchern, die nach mir das Land beſuchen, em- pfehlen möchte. 1 Damals, jetzt ſind faſt alle zerſtört.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/99>, abgerufen am 07.05.2024.