Barometer bestimmt wurde, ein Profil desselben entworfen. Ich hätte gern gesehen, daß meine Vermessung durch einen unterrichteten Reisenden, der nach mir dieses malerische und für den Naturforscher so interessante Land besuchte, wiederholt und verbessert worden wäre; mein Wunsch ist aber bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen.
Wenn man zur Zeit der stärksten Hitze die glühende Luft Guayras atmet und den Blick auf das Gebirge richtet, so scheint es einem unbegreiflich, daß in gerader Entfernung von 9,75 bis 11,7 km in einem engen Thale eine Bevölkerung von 40000 Seelen einer Frühlingskühle genießen soll, einer Temperatur, die bei Nacht auf 12° heruntergeht. Daß auf diese Weise verschiedene Klimate einander nahe gerückt sind, kommt in den ganzen Kordilleren der Anden häufig vor; aber überall, in Mexiko, in Quito, in Peru, in Neugranada muß man weit ins Binnenland reisen, entweder über die Ebenen oder auf Strömen hinauf, bis man in die Herde der Kultur, in die großen Städte, gelangt. Caracas liegt nur ein Dritt- teil so hoch als Mexiko, Quito und Santa Fe de Bogota; aber von allen Hauptstädten des spanischen Amerikas, die mitten in der heißen Zone ein köstlich kühles Klima haben, liegt Caracas am nächsten an der Küste. Nur 13,5 km in einen Seehafen zu haben und im Gebirge zu liegen, auf einer Hochebene, wo der Weizen gediehe, wenn man nicht lieber Kaffee baute, das sind bedeutende Vorteile.
Der Weg von Guayra in das Thal von Caracas ist weit schöner als der von Honda nach Santa Fe und von Guayaquil nach Quito; er ist sogar besser unterhalten als die alte Straße, die aus dem Hafen von Veracruz am Süd- abhange der Gebirge von Neuspanien nach Perote führt. Man braucht mit guten Maultieren nur drei Stunden aus dem Hafen von Guayra nach Caracas und zum Rückwege nur zwei, mit Lasttieren oder zu Fuß vier bis fünf Stunden. Man kommt zuerst über einen sehr steilen Felsabhang und über die Stationen Torre Quemada, Curucuti und Salto zu einem großen Wirtshause (La Venta), das 1170 m über dem Meere liegt. Der Name "verbrannter Turm" bezieht sich auf den starken Eindruck, den man erhält, wenn man nach Guayra hinuntergeht. Die Hitze, welche die Felswände und vollends die dürre Ebene zu den Füßen ausstrahlen, ist drückend zum Ersticken. Auf diesem Wege und überall, wo man auf starken Abhängen in ein anderes Klima gelangt,
Barometer beſtimmt wurde, ein Profil desſelben entworfen. Ich hätte gern geſehen, daß meine Vermeſſung durch einen unterrichteten Reiſenden, der nach mir dieſes maleriſche und für den Naturforſcher ſo intereſſante Land beſuchte, wiederholt und verbeſſert worden wäre; mein Wunſch iſt aber bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen.
Wenn man zur Zeit der ſtärkſten Hitze die glühende Luft Guayras atmet und den Blick auf das Gebirge richtet, ſo ſcheint es einem unbegreiflich, daß in gerader Entfernung von 9,75 bis 11,7 km in einem engen Thale eine Bevölkerung von 40000 Seelen einer Frühlingskühle genießen ſoll, einer Temperatur, die bei Nacht auf 12° heruntergeht. Daß auf dieſe Weiſe verſchiedene Klimate einander nahe gerückt ſind, kommt in den ganzen Kordilleren der Anden häufig vor; aber überall, in Mexiko, in Quito, in Peru, in Neugranada muß man weit ins Binnenland reiſen, entweder über die Ebenen oder auf Strömen hinauf, bis man in die Herde der Kultur, in die großen Städte, gelangt. Caracas liegt nur ein Dritt- teil ſo hoch als Mexiko, Quito und Santa Fé de Bogota; aber von allen Hauptſtädten des ſpaniſchen Amerikas, die mitten in der heißen Zone ein köſtlich kühles Klima haben, liegt Caracas am nächſten an der Küſte. Nur 13,5 km in einen Seehafen zu haben und im Gebirge zu liegen, auf einer Hochebene, wo der Weizen gediehe, wenn man nicht lieber Kaffee baute, das ſind bedeutende Vorteile.
Der Weg von Guayra in das Thal von Caracas iſt weit ſchöner als der von Honda nach Santa Fé und von Guayaquil nach Quito; er iſt ſogar beſſer unterhalten als die alte Straße, die aus dem Hafen von Veracruz am Süd- abhange der Gebirge von Neuſpanien nach Perote führt. Man braucht mit guten Maultieren nur drei Stunden aus dem Hafen von Guayra nach Caracas und zum Rückwege nur zwei, mit Laſttieren oder zu Fuß vier bis fünf Stunden. Man kommt zuerſt über einen ſehr ſteilen Felsabhang und über die Stationen Torre Quemada, Curucuti und Salto zu einem großen Wirtshauſe (La Venta), das 1170 m über dem Meere liegt. Der Name „verbrannter Turm“ bezieht ſich auf den ſtarken Eindruck, den man erhält, wenn man nach Guayra hinuntergeht. Die Hitze, welche die Felswände und vollends die dürre Ebene zu den Füßen ausſtrahlen, iſt drückend zum Erſticken. Auf dieſem Wege und überall, wo man auf ſtarken Abhängen in ein anderes Klima gelangt,
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Barometer beſtimmt wurde, ein Profil desſelben entworfen.
Ich hätte gern geſehen, daß meine Vermeſſung durch einen
unterrichteten Reiſenden, der nach mir dieſes maleriſche und
für den Naturforſcher ſo intereſſante Land beſuchte, wiederholt
und verbeſſert worden wäre; mein Wunſch iſt aber bis jetzt
nicht in Erfüllung gegangen.
Wenn man zur Zeit der ſtärkſten Hitze die glühende Luft
Guayras atmet und den Blick auf das Gebirge richtet, ſo
ſcheint es einem unbegreiflich, daß in gerader Entfernung
von 9,75 bis 11,7 km in einem engen Thale eine Bevölkerung
von 40000 Seelen einer Frühlingskühle genießen ſoll, einer
Temperatur, die bei Nacht auf 12° heruntergeht. Daß auf
dieſe Weiſe verſchiedene Klimate einander nahe gerückt ſind,
kommt in den ganzen Kordilleren der Anden häufig vor; aber
überall, in Mexiko, in Quito, in Peru, in Neugranada muß
man weit ins Binnenland reiſen, entweder über die Ebenen
oder auf Strömen hinauf, bis man in die Herde der Kultur,
in die großen Städte, gelangt. Caracas liegt nur ein Dritt-
teil ſo hoch als Mexiko, Quito und Santa Fé de Bogota;
aber von allen Hauptſtädten des ſpaniſchen Amerikas, die
mitten in der heißen Zone ein köſtlich kühles Klima haben,
liegt Caracas am nächſten an der Küſte. Nur 13,5 km in
einen Seehafen zu haben und im Gebirge zu liegen, auf einer
Hochebene, wo der Weizen gediehe, wenn man nicht lieber
Kaffee baute, das ſind bedeutende Vorteile.
Der Weg von Guayra in das Thal von Caracas iſt
weit ſchöner als der von Honda nach Santa Fé und von
Guayaquil nach Quito; er iſt ſogar beſſer unterhalten als
die alte Straße, die aus dem Hafen von Veracruz am Süd-
abhange der Gebirge von Neuſpanien nach Perote führt.
Man braucht mit guten Maultieren nur drei Stunden aus
dem Hafen von Guayra nach Caracas und zum Rückwege nur
zwei, mit Laſttieren oder zu Fuß vier bis fünf Stunden.
Man kommt zuerſt über einen ſehr ſteilen Felsabhang und
über die Stationen Torre Quemada, Curucuti und Salto
zu einem großen Wirtshauſe (La Venta), das 1170 m über
dem Meere liegt. Der Name „verbrannter Turm“ bezieht
ſich auf den ſtarken Eindruck, den man erhält, wenn man
nach Guayra hinuntergeht. Die Hitze, welche die Felswände
und vollends die dürre Ebene zu den Füßen ausſtrahlen, iſt
drückend zum Erſticken. Auf dieſem Wege und überall, wo
man auf ſtarken Abhängen in ein anderes Klima gelangt,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/97>, abgerufen am 15.08.2024.
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