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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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durch elektrische Abstoßung, in gleichen Abständen fortliefen.
Es sind dies dieselben kleinen weißen Dunstmassen, die ich
auf den Gipfeln der höchsten Anden über mir gesehen, und
die in mehreren Sprachen Schäfchen, moutons heißen.
Wenn der rötliche Nebel den Himmel leicht überzog, so be-
hielten die Sterne der ersten Größen, die in Cumana über
20 bis 25° hoch fast nie flimmern, nicht einmal im Zenith
ihr ruhiges, planetarisches Licht. Sie flimmerten in allen
Höhen, wie nach einem starken Gewitterregen. Diese Wirkung
eines Nebels, der auf den Hygrometer an der Erdoberfläche
nicht wirkte, erschien mir auffallend. Ich blieb einen Teil
der Nacht auf einem Balkon sitzen, wo ich einen großen Teil
des Horizontes übersah. Unter allen Himmelsstrichen hat es
viel Anziehendes für mich, bei heiterem Himmel ein großes
Sternbild ins Auge zu fassen und zu sehen, wie Haufen von
Dunstbläschen sich bilden, wie um einen Kern anschießen, ver-
schwinden und sich von neuem bilden.

Zwischen dem 28. Oktober und 3. November war der
rötliche Nebel dicker als je bisher; bei Nacht war die Hitze
erstickend, obgleich der Thermometer nur auf 26° stand. Der
Seewind, der meist von 8 oder 9 Uhr abends die Luft
abkühlt, ließ sich gar nicht spüren. Die Luft war wie in
Glut; der staubige, ausgedörrte Boden bekam überall Risse.
Am 4. November gegen 2 Uhr nachmittags hüllten dicke,
sehr schwarze Wolken die hohen Berge Brigantin und Tatara-
qual ein. Sie rückten allmählich bis in das Zenith. Gegen
4 Uhr fing es an über uns zu donnern, aber ungemein
hoch, ohne Rollen, trockene, oft kurz abgebrochene Schläge.
Im Moment, wo die stärkste elektrische Entladung stattfand,
um 4 Uhr 12 Minuten, erfolgten zwei Erdstöße, 15 Sekun-
den hintereinander. Das Volk schrie laut auf der Straße.
Bonpland, der über einen Tisch gebeugt Pflanzen untersuchte,
wurde beinahe zu Boden geworfen. Ich selbst spürte den
Stoß sehr stark, obgleich ich in einer Hängematte lag. Die
Richtung des Stoßes war, was in Cumana ziemlich selten
vorkommt, von Nord nach Süd. Sklaven, die aus einem
6 bis 6,5 m tiefen Brunnen am Manzanares Wasser schöpften,
hörten ein Getöse wie einen starken Kanonenschuß. Das Ge-
töse schien aus dem Brunnen heraufzukommen, eine auf-
fallende Erscheinung, die übrigens in allen Ländern Amerikas,
die den Erdbeben ausgesetzt sind, häufig vorkommt.

Einige Minuten vor dem ersten Stoß trat ein heftiger

durch elektriſche Abſtoßung, in gleichen Abſtänden fortliefen.
Es ſind dies dieſelben kleinen weißen Dunſtmaſſen, die ich
auf den Gipfeln der höchſten Anden über mir geſehen, und
die in mehreren Sprachen Schäfchen, moutons heißen.
Wenn der rötliche Nebel den Himmel leicht überzog, ſo be-
hielten die Sterne der erſten Größen, die in Cumana über
20 bis 25° hoch faſt nie flimmern, nicht einmal im Zenith
ihr ruhiges, planetariſches Licht. Sie flimmerten in allen
Höhen, wie nach einem ſtarken Gewitterregen. Dieſe Wirkung
eines Nebels, der auf den Hygrometer an der Erdoberfläche
nicht wirkte, erſchien mir auffallend. Ich blieb einen Teil
der Nacht auf einem Balkon ſitzen, wo ich einen großen Teil
des Horizontes überſah. Unter allen Himmelsſtrichen hat es
viel Anziehendes für mich, bei heiterem Himmel ein großes
Sternbild ins Auge zu faſſen und zu ſehen, wie Haufen von
Dunſtbläschen ſich bilden, wie um einen Kern anſchießen, ver-
ſchwinden und ſich von neuem bilden.

Zwiſchen dem 28. Oktober und 3. November war der
rötliche Nebel dicker als je bisher; bei Nacht war die Hitze
erſtickend, obgleich der Thermometer nur auf 26° ſtand. Der
Seewind, der meiſt von 8 oder 9 Uhr abends die Luft
abkühlt, ließ ſich gar nicht ſpüren. Die Luft war wie in
Glut; der ſtaubige, ausgedörrte Boden bekam überall Riſſe.
Am 4. November gegen 2 Uhr nachmittags hüllten dicke,
ſehr ſchwarze Wolken die hohen Berge Brigantin und Tatara-
qual ein. Sie rückten allmählich bis in das Zenith. Gegen
4 Uhr fing es an über uns zu donnern, aber ungemein
hoch, ohne Rollen, trockene, oft kurz abgebrochene Schläge.
Im Moment, wo die ſtärkſte elektriſche Entladung ſtattfand,
um 4 Uhr 12 Minuten, erfolgten zwei Erdſtöße, 15 Sekun-
den hintereinander. Das Volk ſchrie laut auf der Straße.
Bonpland, der über einen Tiſch gebeugt Pflanzen unterſuchte,
wurde beinahe zu Boden geworfen. Ich ſelbſt ſpürte den
Stoß ſehr ſtark, obgleich ich in einer Hängematte lag. Die
Richtung des Stoßes war, was in Cumana ziemlich ſelten
vorkommt, von Nord nach Süd. Sklaven, die aus einem
6 bis 6,5 m tiefen Brunnen am Manzanares Waſſer ſchöpften,
hörten ein Getöſe wie einen ſtarken Kanonenſchuß. Das Ge-
töſe ſchien aus dem Brunnen heraufzukommen, eine auf-
fallende Erſcheinung, die übrigens in allen Ländern Amerikas,
die den Erdbeben ausgeſetzt ſind, häufig vorkommt.

Einige Minuten vor dem erſten Stoß trat ein heftiger

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[47/0055] durch elektriſche Abſtoßung, in gleichen Abſtänden fortliefen. Es ſind dies dieſelben kleinen weißen Dunſtmaſſen, die ich auf den Gipfeln der höchſten Anden über mir geſehen, und die in mehreren Sprachen Schäfchen, moutons heißen. Wenn der rötliche Nebel den Himmel leicht überzog, ſo be- hielten die Sterne der erſten Größen, die in Cumana über 20 bis 25° hoch faſt nie flimmern, nicht einmal im Zenith ihr ruhiges, planetariſches Licht. Sie flimmerten in allen Höhen, wie nach einem ſtarken Gewitterregen. Dieſe Wirkung eines Nebels, der auf den Hygrometer an der Erdoberfläche nicht wirkte, erſchien mir auffallend. Ich blieb einen Teil der Nacht auf einem Balkon ſitzen, wo ich einen großen Teil des Horizontes überſah. Unter allen Himmelsſtrichen hat es viel Anziehendes für mich, bei heiterem Himmel ein großes Sternbild ins Auge zu faſſen und zu ſehen, wie Haufen von Dunſtbläschen ſich bilden, wie um einen Kern anſchießen, ver- ſchwinden und ſich von neuem bilden. Zwiſchen dem 28. Oktober und 3. November war der rötliche Nebel dicker als je bisher; bei Nacht war die Hitze erſtickend, obgleich der Thermometer nur auf 26° ſtand. Der Seewind, der meiſt von 8 oder 9 Uhr abends die Luft abkühlt, ließ ſich gar nicht ſpüren. Die Luft war wie in Glut; der ſtaubige, ausgedörrte Boden bekam überall Riſſe. Am 4. November gegen 2 Uhr nachmittags hüllten dicke, ſehr ſchwarze Wolken die hohen Berge Brigantin und Tatara- qual ein. Sie rückten allmählich bis in das Zenith. Gegen 4 Uhr fing es an über uns zu donnern, aber ungemein hoch, ohne Rollen, trockene, oft kurz abgebrochene Schläge. Im Moment, wo die ſtärkſte elektriſche Entladung ſtattfand, um 4 Uhr 12 Minuten, erfolgten zwei Erdſtöße, 15 Sekun- den hintereinander. Das Volk ſchrie laut auf der Straße. Bonpland, der über einen Tiſch gebeugt Pflanzen unterſuchte, wurde beinahe zu Boden geworfen. Ich ſelbſt ſpürte den Stoß ſehr ſtark, obgleich ich in einer Hängematte lag. Die Richtung des Stoßes war, was in Cumana ziemlich ſelten vorkommt, von Nord nach Süd. Sklaven, die aus einem 6 bis 6,5 m tiefen Brunnen am Manzanares Waſſer ſchöpften, hörten ein Getöſe wie einen ſtarken Kanonenſchuß. Das Ge- töſe ſchien aus dem Brunnen heraufzukommen, eine auf- fallende Erſcheinung, die übrigens in allen Ländern Amerikas, die den Erdbeben ausgeſetzt ſind, häufig vorkommt. Einige Minuten vor dem erſten Stoß trat ein heftiger

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/55>, abgerufen am 22.11.2024.