lang keine Spur von Wolken und Nebel sieht. Ich konnte den Verlauf und das Ende der Sonnenfinsternis vollständig beobachten. Das Ende der Finsternis war um 2 Uhr 14 Mi- nuten 23,4 Sekunden mittlerer Zeit in Cumana. Das Er- gebnis meiner Beobachtung wurde nach den alten Tafeln von Ciccolini in Bologna und Triesnecker in Wien berechnet und in der Connaissance des temps (im neunten Jahrgang) ver- öffentlicht. Dieses Ergebnis wich um nicht weniger als um 1 Minute 9 Sekunden Zeit von der Länge ab, die der Chronometer mir ergeben; dasselbe wurde aber von Oltmanns nach den neuen Mondtafeln von Burg und den Sonnentafeln von Delambre noch einmal berechnet, und jetzt stimmten Sonnenfinsternis und Chronometer bis auf 10 Sekunden überein. Ich führe diesen merkwürdigen Fall, wo ein Fehler durch die neuen Tafeln auf 1/7 reduziert wurde, an, um die Reisenden darauf aufmerksam zu machen, wie sehr es in ihrem Interesse liegt, die kleinsten Umstände bei ihren einzelnen Beobachtungen aufzuzeichnen und bekannt zu machen. Die vollkommene Uebereinstimmung zwischen den Jupiterstrabanten und den Angaben des Chronometers, von der ich mich an Ort und Stelle überzeugt, hatten mir großes Zutrauen zu Louis Berthouds Uhr gegeben, so oft sie nicht auf den Maul- tieren starken Stößen ausgesetzt war.
Die Tage vor und nach der Sonnenfinsternis boten sehr auffallende atmosphärische Erscheinungen. Wir waren im hiesigen sogenannten Winter, d. h. in der Jahreszeit des bewölkten Himmels und der kurzen Gewitterregen. Vom 10. Oktober bis 3. November stieg mit Einbruch der Nacht ein rötlicher Nebel am Horizont auf und zog in wenigen Minuten einen mehr oder minder dichten Schleier über das blaue Himmelsgewölbe. Der Saussuresche Hygrometer zeigte keineswegs größere Feuchtigkeit an, sondern ging vielmehr oft von 90° auf 83° zurück. Die Hitze bei Tage war 28 bis 32°, also für diesen Strich der heißen Zone sehr stark. Zuweilen verschwand der Nebel mitten in der Nacht auf einmal, und im Augenblick, wo ich die Instrumente aufstellte, bildeten sich blendend weiße Wolken im Zenith und dehnten sich bis zum Horizont aus. Am 18. Oktober waren diese Wolken so auf- fallend durchsichtig, daß man noch Sterne der vierten Größe dadurch sehen konnte. Die Mondflecken sah ich so deutlich, daß es war, als stünde die Scheibe vor den Wolken. Diese standen ausnehmend hoch und bildeten Streifen, die, wie
lang keine Spur von Wolken und Nebel ſieht. Ich konnte den Verlauf und das Ende der Sonnenfinſternis vollſtändig beobachten. Das Ende der Finſternis war um 2 Uhr 14 Mi- nuten 23,4 Sekunden mittlerer Zeit in Cumana. Das Er- gebnis meiner Beobachtung wurde nach den alten Tafeln von Ciccolini in Bologna und Triesnecker in Wien berechnet und in der Connaissance des temps (im neunten Jahrgang) ver- öffentlicht. Dieſes Ergebnis wich um nicht weniger als um 1 Minute 9 Sekunden Zeit von der Länge ab, die der Chronometer mir ergeben; dasſelbe wurde aber von Oltmanns nach den neuen Mondtafeln von Burg und den Sonnentafeln von Delambre noch einmal berechnet, und jetzt ſtimmten Sonnenfinſternis und Chronometer bis auf 10 Sekunden überein. Ich führe dieſen merkwürdigen Fall, wo ein Fehler durch die neuen Tafeln auf 1/7 reduziert wurde, an, um die Reiſenden darauf aufmerkſam zu machen, wie ſehr es in ihrem Intereſſe liegt, die kleinſten Umſtände bei ihren einzelnen Beobachtungen aufzuzeichnen und bekannt zu machen. Die vollkommene Uebereinſtimmung zwiſchen den Jupiterstrabanten und den Angaben des Chronometers, von der ich mich an Ort und Stelle überzeugt, hatten mir großes Zutrauen zu Louis Berthouds Uhr gegeben, ſo oft ſie nicht auf den Maul- tieren ſtarken Stößen ausgeſetzt war.
Die Tage vor und nach der Sonnenfinſternis boten ſehr auffallende atmoſphäriſche Erſcheinungen. Wir waren im hieſigen ſogenannten Winter, d. h. in der Jahreszeit des bewölkten Himmels und der kurzen Gewitterregen. Vom 10. Oktober bis 3. November ſtieg mit Einbruch der Nacht ein rötlicher Nebel am Horizont auf und zog in wenigen Minuten einen mehr oder minder dichten Schleier über das blaue Himmelsgewölbe. Der Sauſſureſche Hygrometer zeigte keineswegs größere Feuchtigkeit an, ſondern ging vielmehr oft von 90° auf 83° zurück. Die Hitze bei Tage war 28 bis 32°, alſo für dieſen Strich der heißen Zone ſehr ſtark. Zuweilen verſchwand der Nebel mitten in der Nacht auf einmal, und im Augenblick, wo ich die Inſtrumente aufſtellte, bildeten ſich blendend weiße Wolken im Zenith und dehnten ſich bis zum Horizont aus. Am 18. Oktober waren dieſe Wolken ſo auf- fallend durchſichtig, daß man noch Sterne der vierten Größe dadurch ſehen konnte. Die Mondflecken ſah ich ſo deutlich, daß es war, als ſtünde die Scheibe vor den Wolken. Dieſe ſtanden ausnehmend hoch und bildeten Streifen, die, wie
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lang keine Spur von Wolken und Nebel ſieht. Ich konnte
den Verlauf und das Ende der Sonnenfinſternis vollſtändig
beobachten. Das Ende der Finſternis war um 2 Uhr 14 Mi-
nuten 23,4 Sekunden mittlerer Zeit in Cumana. Das Er-
gebnis meiner Beobachtung wurde nach den alten Tafeln von
Ciccolini in Bologna und Triesnecker in Wien berechnet und
in der Connaissance des temps (im neunten Jahrgang) ver-
öffentlicht. Dieſes Ergebnis wich um nicht weniger als um
1 Minute 9 Sekunden Zeit von der Länge ab, die der
Chronometer mir ergeben; dasſelbe wurde aber von Oltmanns
nach den neuen Mondtafeln von Burg und den Sonnentafeln
von Delambre noch einmal berechnet, und jetzt ſtimmten
Sonnenfinſternis und Chronometer bis auf 10 Sekunden
überein. Ich führe dieſen merkwürdigen Fall, wo ein Fehler
durch die neuen Tafeln auf 1/7 reduziert wurde, an, um die
Reiſenden darauf aufmerkſam zu machen, wie ſehr es in ihrem
Intereſſe liegt, die kleinſten Umſtände bei ihren einzelnen
Beobachtungen aufzuzeichnen und bekannt zu machen. Die
vollkommene Uebereinſtimmung zwiſchen den Jupiterstrabanten
und den Angaben des Chronometers, von der ich mich an
Ort und Stelle überzeugt, hatten mir großes Zutrauen zu
Louis Berthouds Uhr gegeben, ſo oft ſie nicht auf den Maul-
tieren ſtarken Stößen ausgeſetzt war.
Die Tage vor und nach der Sonnenfinſternis boten ſehr
auffallende atmoſphäriſche Erſcheinungen. Wir waren im
hieſigen ſogenannten Winter, d. h. in der Jahreszeit des
bewölkten Himmels und der kurzen Gewitterregen. Vom
10. Oktober bis 3. November ſtieg mit Einbruch der Nacht
ein rötlicher Nebel am Horizont auf und zog in wenigen
Minuten einen mehr oder minder dichten Schleier über das
blaue Himmelsgewölbe. Der Sauſſureſche Hygrometer zeigte
keineswegs größere Feuchtigkeit an, ſondern ging vielmehr oft
von 90° auf 83° zurück. Die Hitze bei Tage war 28 bis 32°,
alſo für dieſen Strich der heißen Zone ſehr ſtark. Zuweilen
verſchwand der Nebel mitten in der Nacht auf einmal, und
im Augenblick, wo ich die Inſtrumente aufſtellte, bildeten ſich
blendend weiße Wolken im Zenith und dehnten ſich bis zum
Horizont aus. Am 18. Oktober waren dieſe Wolken ſo auf-
fallend durchſichtig, daß man noch Sterne der vierten Größe
dadurch ſehen konnte. Die Mondflecken ſah ich ſo deutlich,
daß es war, als ſtünde die Scheibe vor den Wolken. Dieſe
ſtanden ausnehmend hoch und bildeten Streifen, die, wie
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/54>, abgerufen am 22.11.2024.
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