und so war es natürlich, daß ich mich seit unserer Ankunft in Cumana eifrig nach elektrischen Aalen umsah. Man hatte uns mehrmals welche versprochen, wir hatten uns aber immer getäuscht gesehen. Je weiter von der Küste weg, desto wert- loser wird das Geld, und wie soll man über das unerschüt- terliche Phlegma des Volkes Herr werden, wo der Stachel der Gewinnsucht fehlt?
Die Spanier begreifen unter dem Namen Tembladores (Zitterer) alle elektrischen Fische. Es gibt welche im Antilli- schen Meer an den Küsten von Cumana. Die Guaykeri, die gewandtesten und fleißigsten Fischer in jener Gegend, brachten uns einen Fisch, der, wie sie sagten, ihnen die Hände starr machte. Dieser Fisch geht im kleinen Flusse Manzanares aufwärts. Es war eine neue Art Raja mit kaum sichtbaren Seitenflecken, dem Zitterrochen Galvanis ziemlich ähnlich. Die Zitterrochen haben ein elektrisches Organ, das wegen der Durchsichtigkeit der Haut schon außen sichtbar ist, und bilden eine eigene Gestaltung oder doch eine Untergattung der eigent- lichen Rochen. Der cumanische Zitterrochen war sehr munter, seine Muskelbewegungen sehr kräftig, dennoch waren die elek- trischen Schläge, die wir von ihm erhielten, äußerst schwach. Sie wurden stärker, wenn wir das Tier mittels der Berüh- rung von Zink und Gold galvanisierten. Andere Tembla- dores, echte Gymnoten oder Zitteraale, kommen im Rio Co- lorado, im Guarapiche und verschiedenen kleinen Bächen in den Missionen der Chaymasindianer vor. Auch in den großen amerikanischen Flüssen, im Orinoko, im Amazonen- strom, im Meta sind sie häufig, aber wegen der starken Strömung und des tiefen Wassers schwer zu fangen. Die Indianer fühlen weit häufiger ihre elektrischen Schläge beim Schwimmen und Baden im Fluß, als daß sie dieselben zu sehen bekommen. In den Llanos, besonders in der Nähe von Calabozo, zwischen den Höfen Morichal und den Missionen de Arriba und de Abaxo, sind die Gymnoten in den Stücken stehenden Wassers und in den Zuflüssen des Orinoko (im Rio Guarico, in den Cannos Rastro, Berito und Paloma) sehr häufig. Wir wollten zuerst in unserem Hause zu Cala- bozo unsere Versuche anstellen; aber die Furcht vor den Schlägen des Gymnotus ist im Volk so übertrieben, daß wir in den ersten drei Tagen keinen bekommen konnten, obgleich sie sehr leicht zu fangen sind und wir den Indianern zwei Piaster für jeden recht großen und starken Fisch versprochen
und ſo war es natürlich, daß ich mich ſeit unſerer Ankunft in Cumana eifrig nach elektriſchen Aalen umſah. Man hatte uns mehrmals welche verſprochen, wir hatten uns aber immer getäuſcht geſehen. Je weiter von der Küſte weg, deſto wert- loſer wird das Geld, und wie ſoll man über das unerſchüt- terliche Phlegma des Volkes Herr werden, wo der Stachel der Gewinnſucht fehlt?
Die Spanier begreifen unter dem Namen Tembladores (Zitterer) alle elektriſchen Fiſche. Es gibt welche im Antilli- ſchen Meer an den Küſten von Cumana. Die Guaykeri, die gewandteſten und fleißigſten Fiſcher in jener Gegend, brachten uns einen Fiſch, der, wie ſie ſagten, ihnen die Hände ſtarr machte. Dieſer Fiſch geht im kleinen Fluſſe Manzanares aufwärts. Es war eine neue Art Raja mit kaum ſichtbaren Seitenflecken, dem Zitterrochen Galvanis ziemlich ähnlich. Die Zitterrochen haben ein elektriſches Organ, das wegen der Durchſichtigkeit der Haut ſchon außen ſichtbar iſt, und bilden eine eigene Geſtaltung oder doch eine Untergattung der eigent- lichen Rochen. Der cumaniſche Zitterrochen war ſehr munter, ſeine Muskelbewegungen ſehr kräftig, dennoch waren die elek- triſchen Schläge, die wir von ihm erhielten, äußerſt ſchwach. Sie wurden ſtärker, wenn wir das Tier mittels der Berüh- rung von Zink und Gold galvaniſierten. Andere Tembla- dores, echte Gymnoten oder Zitteraale, kommen im Rio Co- lorado, im Guarapiche und verſchiedenen kleinen Bächen in den Miſſionen der Chaymasindianer vor. Auch in den großen amerikaniſchen Flüſſen, im Orinoko, im Amazonen- ſtrom, im Meta ſind ſie häufig, aber wegen der ſtarken Strömung und des tiefen Waſſers ſchwer zu fangen. Die Indianer fühlen weit häufiger ihre elektriſchen Schläge beim Schwimmen und Baden im Fluß, als daß ſie dieſelben zu ſehen bekommen. In den Llanos, beſonders in der Nähe von Calabozo, zwiſchen den Höfen Morichal und den Miſſionen de Arriba und de Abaxo, ſind die Gymnoten in den Stücken ſtehenden Waſſers und in den Zuflüſſen des Orinoko (im Rio Guarico, in den Caños Raſtro, Berito und Paloma) ſehr häufig. Wir wollten zuerſt in unſerem Hauſe zu Cala- bozo unſere Verſuche anſtellen; aber die Furcht vor den Schlägen des Gymnotus iſt im Volk ſo übertrieben, daß wir in den erſten drei Tagen keinen bekommen konnten, obgleich ſie ſehr leicht zu fangen ſind und wir den Indianern zwei Piaſter für jeden recht großen und ſtarken Fiſch verſprochen
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und ſo war es natürlich, daß ich mich ſeit unſerer Ankunft
in Cumana eifrig nach elektriſchen Aalen umſah. Man hatte
uns mehrmals welche verſprochen, wir hatten uns aber immer
getäuſcht geſehen. Je weiter von der Küſte weg, deſto wert-
loſer wird das Geld, und wie ſoll man über das unerſchüt-
terliche Phlegma des Volkes Herr werden, wo der Stachel
der Gewinnſucht fehlt?
Die Spanier begreifen unter dem Namen Tembladores
(Zitterer) alle elektriſchen Fiſche. Es gibt welche im Antilli-
ſchen Meer an den Küſten von Cumana. Die Guaykeri,
die gewandteſten und fleißigſten Fiſcher in jener Gegend,
brachten uns einen Fiſch, der, wie ſie ſagten, ihnen die Hände
ſtarr machte. Dieſer Fiſch geht im kleinen Fluſſe Manzanares
aufwärts. Es war eine neue Art Raja mit kaum ſichtbaren
Seitenflecken, dem Zitterrochen Galvanis ziemlich ähnlich.
Die Zitterrochen haben ein elektriſches Organ, das wegen der
Durchſichtigkeit der Haut ſchon außen ſichtbar iſt, und bilden
eine eigene Geſtaltung oder doch eine Untergattung der eigent-
lichen Rochen. Der cumaniſche Zitterrochen war ſehr munter,
ſeine Muskelbewegungen ſehr kräftig, dennoch waren die elek-
triſchen Schläge, die wir von ihm erhielten, äußerſt ſchwach.
Sie wurden ſtärker, wenn wir das Tier mittels der Berüh-
rung von Zink und Gold galvaniſierten. Andere Tembla-
dores, echte Gymnoten oder Zitteraale, kommen im Rio Co-
lorado, im Guarapiche und verſchiedenen kleinen Bächen in
den Miſſionen der Chaymasindianer vor. Auch in den
großen amerikaniſchen Flüſſen, im Orinoko, im Amazonen-
ſtrom, im Meta ſind ſie häufig, aber wegen der ſtarken
Strömung und des tiefen Waſſers ſchwer zu fangen. Die
Indianer fühlen weit häufiger ihre elektriſchen Schläge beim
Schwimmen und Baden im Fluß, als daß ſie dieſelben zu
ſehen bekommen. In den Llanos, beſonders in der Nähe von
Calabozo, zwiſchen den Höfen Morichal und den Miſſionen
de Arriba und de Abaxo, ſind die Gymnoten in den Stücken
ſtehenden Waſſers und in den Zuflüſſen des Orinoko (im
Rio Guarico, in den Caños Raſtro, Berito und Paloma)
ſehr häufig. Wir wollten zuerſt in unſerem Hauſe zu Cala-
bozo unſere Verſuche anſtellen; aber die Furcht vor den
Schlägen des Gymnotus iſt im Volk ſo übertrieben, daß wir
in den erſten drei Tagen keinen bekommen konnten, obgleich
ſie ſehr leicht zu fangen ſind und wir den Indianern zwei
Piaſter für jeden recht großen und ſtarken Fiſch verſprochen
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/302>, abgerufen am 16.07.2024.
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