Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.und man kann sich leicht denken, daß in einer weiten Ebene, 1 Plinius L. XII, c. VII.
und man kann ſich leicht denken, daß in einer weiten Ebene, 1 Plinius L. XII, c. VII.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0296" n="288"/> und man kann ſich leicht denken, daß in einer weiten Ebene,<lb/> wo nur zwei oder drei Baumarten wachſen, der Chaparro, der<lb/> Schatten gibt, für ein ſehr wertvolles Gewächs gilt. Der<lb/> Corypha iſt in den Llanos von Caracas von der Meſa de<lb/> Paja bis an den Guayaval verbreitet; weiter nach Nord und<lb/> Nordweſt, am Guanare und San Carlos, tritt eine andere<lb/> Art derſelben Gattung mit gleichfalls handförmigen, aber<lb/> größeren Blättern an ſeine Stelle. Sie heißt Palma real<lb/> de los Llanos. Südlich vom Guayaval herrſchen andere<lb/> Palmen, namentlich der <hi rendition="#g">Piritu</hi> mit gefiederten Blättern und<lb/> der <hi rendition="#g">Murichi</hi> (Moriche), den Pater Gumilla als <hi rendition="#aq">arbol de<lb/> la vida</hi> ſo hoch preiſt. Es iſt dies der Sagobaum Amerikas;<lb/> er liefert <hi rendition="#aq">„victum et amictum“,</hi> <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Plinius</hi> L. XII, c. VII.</hi></note> Mehl, Wein, Faden zum<lb/> Verfertigen der Hängematten, Körbe, Netze und Kleider. Seine<lb/> tannenzapfenförmigen, mit Schuppen bedeckten Früchte gleichen<lb/> ganz denen des <hi rendition="#aq">Calamus Rotang;</hi> ſie ſchmecken etwas wie<lb/> Aepfel; reif ſind ſie innen gelb, außen rot. Die Brüllaffen<lb/> ſind ſehr lüſtern danach, und die Völkerſchaft der Guaraunen,<lb/> deren Exiſtenz faſt ganz an die Murichipalme geknüpft iſt,<lb/> bereitet daraus ein gegorenes, ſäuerliches, ſehr erfriſchendes<lb/> Getränk. Dieſe Palme mit großen, glänzenden, fächerförmig<lb/> gefalteten Blättern bleibt auch in der dürrſten Jahreszeit leb-<lb/> haft grün. Schon ihr Anblick gibt das Gefühl angenehmer<lb/> Kühlung, und die mit ihren ſchuppigen Früchten behangene<lb/> Murichipalme bildet einen auffallenden Kontraſt mit der trüb-<lb/> ſeligen Palma de Cobija, deren Laub immer grau und mit<lb/> Staub bedeckt iſt. Die Llaneros glauben, erſterer Baum ziehe<lb/> die Feuchtigkeit der Luft an ſich, und deshalb finde man in<lb/> einer gewiſſen Tiefe immer Waſſer um ſeinen Stamm, wenn<lb/> man den Boden aufgräbt. Man verwechſelt hier Wirkung<lb/> und Urſache. Der Murichi wächſt vorzugsweiſe an feuchten<lb/> Stellen, und richtiger ſagte man, das Waſſer ziehe den Baum<lb/> an. Es iſt eine ähnliche Schlußfolge, wenn die Eingeborenen<lb/> am Orinoko behaupten, die großen Schlangen helfen einen<lb/> Landſtrich feucht erhalten. Ein alter Indianer in Javita ſagte<lb/> uns mit großer Wichtigkeit: „Vergeblich ſuche man Waſſer-<lb/> ſchlangen, wo es keine Sümpfe gibt; denn es ſammelt ſich<lb/> kein Waſſer, wenn man die Schlangen, die es anziehen, un-<lb/> vorſichtigerweiſe umbringt.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0296]
und man kann ſich leicht denken, daß in einer weiten Ebene,
wo nur zwei oder drei Baumarten wachſen, der Chaparro, der
Schatten gibt, für ein ſehr wertvolles Gewächs gilt. Der
Corypha iſt in den Llanos von Caracas von der Meſa de
Paja bis an den Guayaval verbreitet; weiter nach Nord und
Nordweſt, am Guanare und San Carlos, tritt eine andere
Art derſelben Gattung mit gleichfalls handförmigen, aber
größeren Blättern an ſeine Stelle. Sie heißt Palma real
de los Llanos. Südlich vom Guayaval herrſchen andere
Palmen, namentlich der Piritu mit gefiederten Blättern und
der Murichi (Moriche), den Pater Gumilla als arbol de
la vida ſo hoch preiſt. Es iſt dies der Sagobaum Amerikas;
er liefert „victum et amictum“, 1 Mehl, Wein, Faden zum
Verfertigen der Hängematten, Körbe, Netze und Kleider. Seine
tannenzapfenförmigen, mit Schuppen bedeckten Früchte gleichen
ganz denen des Calamus Rotang; ſie ſchmecken etwas wie
Aepfel; reif ſind ſie innen gelb, außen rot. Die Brüllaffen
ſind ſehr lüſtern danach, und die Völkerſchaft der Guaraunen,
deren Exiſtenz faſt ganz an die Murichipalme geknüpft iſt,
bereitet daraus ein gegorenes, ſäuerliches, ſehr erfriſchendes
Getränk. Dieſe Palme mit großen, glänzenden, fächerförmig
gefalteten Blättern bleibt auch in der dürrſten Jahreszeit leb-
haft grün. Schon ihr Anblick gibt das Gefühl angenehmer
Kühlung, und die mit ihren ſchuppigen Früchten behangene
Murichipalme bildet einen auffallenden Kontraſt mit der trüb-
ſeligen Palma de Cobija, deren Laub immer grau und mit
Staub bedeckt iſt. Die Llaneros glauben, erſterer Baum ziehe
die Feuchtigkeit der Luft an ſich, und deshalb finde man in
einer gewiſſen Tiefe immer Waſſer um ſeinen Stamm, wenn
man den Boden aufgräbt. Man verwechſelt hier Wirkung
und Urſache. Der Murichi wächſt vorzugsweiſe an feuchten
Stellen, und richtiger ſagte man, das Waſſer ziehe den Baum
an. Es iſt eine ähnliche Schlußfolge, wenn die Eingeborenen
am Orinoko behaupten, die großen Schlangen helfen einen
Landſtrich feucht erhalten. Ein alter Indianer in Javita ſagte
uns mit großer Wichtigkeit: „Vergeblich ſuche man Waſſer-
ſchlangen, wo es keine Sümpfe gibt; denn es ſammelt ſich
kein Waſſer, wenn man die Schlangen, die es anziehen, un-
vorſichtigerweiſe umbringt.“
1 Plinius L. XII, c. VII.
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