Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.und gingen wieder drei Viertelstunden, ohne den Teich zu finden. Um von der Hitze am Tage weniger zu leiden, brachen und gingen wieder drei Viertelſtunden, ohne den Teich zu finden. Um von der Hitze am Tage weniger zu leiden, brachen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0291" n="283"/> und gingen wieder drei Viertelſtunden, ohne den Teich zu finden.<lb/> Oft meinten wir, Feuer am Horizont zu ſehen; es waren auf-<lb/> gehende Sterne, deren Bild durch die Dünſte vergrößert wurde.<lb/> Nachdem wir lange in der Savanne umhergeirrt, beſchloſſen<lb/> wir, unter einem Palmbaume, an einem recht trockenen, mit<lb/> kurzem Gras bewachſenen Ort uns niederzuſetzen; denn friſch<lb/> angekommene Europäer fürchten ſich immer mehr vor den<lb/> Waſſerſchlangen als vor den Jaguaren. Wir durften nicht<lb/> hoffen, daß unſere Führer, deren träge Gleichgültigkeit uns<lb/> wohl bekannt war, uns in der Savanne ſuchen würden, bevor<lb/> ſie ihre Lebensmittel zubereitet und abgeſpeiſt hätten. Je<lb/> bedenklicher unſere Lage war, deſto freudiger überraſchte uns<lb/> ferner Hufſchlag, der auf uns zukam. Es war ein mit einer<lb/> Lanze bewaffneter Indianer, der vom „Rodeo“ zurückkam, das<lb/> heißt von der Streife, durch die man das Vieh auf einen be-<lb/> ſtimmten Raum zuſammentreibt. Beim Anblick zweier Weißen,<lb/> die verirrt ſein wollten, dachte er zuerſt an irgend eine böſe<lb/> Liſt von unſerer Seite, und es koſtete uns Mühe, ihm Ver-<lb/> trauen einzuflößen. Endlich ließ er ſich willig finden, uns<lb/> zum Hof zu führen, ritt aber dabei in einem kurzen Trott<lb/> weiter. Unſere Führer verſicherten, „ſie hätten bereits ange-<lb/> fangen, beſorgt um uns zu werden“, und dieſe Beſorgnis zu<lb/> rechtfertigen, zählten ſie eine Menge Leute her, die, in den<lb/> Llanos verirrt, im Zuſtand völliger Erſchöpfung gefunden<lb/> worden. Die Gefahr kann begreiflich nur dann ſehr groß<lb/> ſein, wenn man weit von jedem Wohnplatz abkommt, oder<lb/> wenn man, wie es in den letzten Jahren vorgekommen iſt,<lb/> von Räubern geplündert und an Leib und Händen an einen<lb/> Palmſtamm gebunden wird.</p><lb/> <p>Um von der Hitze am Tage weniger zu leiden, brachen<lb/> wir ſchon um 2 Uhr in der Nacht auf und hofften vor Mittag<lb/><hi rendition="#g">Calabozo</hi> zu erreichen, eine kleine Stadt mit lebhaftem<lb/> Handel, die mitten in den Llanos liegt. Das Bild der Land-<lb/> ſchaft iſt immer dasſelbe. Der Mond ſchien nicht, aber die<lb/> großen Haufen von Nebelſternen, die den ſüdlichen Himmel<lb/> ſchmücken, beleuchteten im Niedergang einen Teil des Land-<lb/> horizonts. Das erhabene Schauſpiel des Sternengewölbes in<lb/> ſeiner unermeßlichen Ausdehnung, der friſche Luftzug, der bei<lb/> Nacht über die Ebene ſtreicht, das Wogen des Graſes, überall<lb/> wo es eine gewiſſe Höhe erreicht — alles erinnert uns an<lb/> die hohe See. Vollends ſtark wurde die Täuſchung (man<lb/> kann es nicht oft genug ſagen), als die Sonnenſcheibe am<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0291]
und gingen wieder drei Viertelſtunden, ohne den Teich zu finden.
Oft meinten wir, Feuer am Horizont zu ſehen; es waren auf-
gehende Sterne, deren Bild durch die Dünſte vergrößert wurde.
Nachdem wir lange in der Savanne umhergeirrt, beſchloſſen
wir, unter einem Palmbaume, an einem recht trockenen, mit
kurzem Gras bewachſenen Ort uns niederzuſetzen; denn friſch
angekommene Europäer fürchten ſich immer mehr vor den
Waſſerſchlangen als vor den Jaguaren. Wir durften nicht
hoffen, daß unſere Führer, deren träge Gleichgültigkeit uns
wohl bekannt war, uns in der Savanne ſuchen würden, bevor
ſie ihre Lebensmittel zubereitet und abgeſpeiſt hätten. Je
bedenklicher unſere Lage war, deſto freudiger überraſchte uns
ferner Hufſchlag, der auf uns zukam. Es war ein mit einer
Lanze bewaffneter Indianer, der vom „Rodeo“ zurückkam, das
heißt von der Streife, durch die man das Vieh auf einen be-
ſtimmten Raum zuſammentreibt. Beim Anblick zweier Weißen,
die verirrt ſein wollten, dachte er zuerſt an irgend eine böſe
Liſt von unſerer Seite, und es koſtete uns Mühe, ihm Ver-
trauen einzuflößen. Endlich ließ er ſich willig finden, uns
zum Hof zu führen, ritt aber dabei in einem kurzen Trott
weiter. Unſere Führer verſicherten, „ſie hätten bereits ange-
fangen, beſorgt um uns zu werden“, und dieſe Beſorgnis zu
rechtfertigen, zählten ſie eine Menge Leute her, die, in den
Llanos verirrt, im Zuſtand völliger Erſchöpfung gefunden
worden. Die Gefahr kann begreiflich nur dann ſehr groß
ſein, wenn man weit von jedem Wohnplatz abkommt, oder
wenn man, wie es in den letzten Jahren vorgekommen iſt,
von Räubern geplündert und an Leib und Händen an einen
Palmſtamm gebunden wird.
Um von der Hitze am Tage weniger zu leiden, brachen
wir ſchon um 2 Uhr in der Nacht auf und hofften vor Mittag
Calabozo zu erreichen, eine kleine Stadt mit lebhaftem
Handel, die mitten in den Llanos liegt. Das Bild der Land-
ſchaft iſt immer dasſelbe. Der Mond ſchien nicht, aber die
großen Haufen von Nebelſternen, die den ſüdlichen Himmel
ſchmücken, beleuchteten im Niedergang einen Teil des Land-
horizonts. Das erhabene Schauſpiel des Sternengewölbes in
ſeiner unermeßlichen Ausdehnung, der friſche Luftzug, der bei
Nacht über die Ebene ſtreicht, das Wogen des Graſes, überall
wo es eine gewiſſe Höhe erreicht — alles erinnert uns an
die hohe See. Vollends ſtark wurde die Täuſchung (man
kann es nicht oft genug ſagen), als die Sonnenſcheibe am
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |