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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Kenntnisse in der Chemie zu Gebote stehen, John Davy, bei
seinem Aufenthalt auf Ceylon diesen Punkt ins reine bringen
wird; denn, wie De Candolle richtig bemerkt, es wäre möglich,
daß die Eingeborenen nur den Saft der jungen Pflanze be-
nutzten, solange der scharfe Stoff noch nicht entwickelt ist.
Wirklich werden in manchen Ländern die jungen Sprossen
der Apocyneen gegessen.

Ich habe mit dieser Zusammenstellung den Versuch ge-
macht, die Milchsäfte der Gewächse und der milchigen Emul-
sionen, welche die Früchte der Mandelarten und der Palmen
geben, unter einen allgemeinen Gesichtspunkt zu bringen. Es
möge mir gestattet sein, diesen Betrachtungen die Ergebnisse
einiger Versuche anzureihen, die ich während meines Aufent-
haltes in den Thälern von Aragua mit dem Safte der Carica
Papaya
angestellt, obgleich es mir fast ganz an Reagenzien
fehlte. Derselbe Saft ist seitdem von Vauquelin untersucht
worden. Der berühmte Chemiker hat darin richtig das Ei-
weiß und den käseartigen Stoff erkannt; er vergleicht den
Milchsaft mit einem stark animalisierten Stoffe, mit dem tieri-
schen Blut; es stand ihm aber nur gegorener Saft und ein
übelriechendes Gerinnsel zu Gebote, das sich auf der Ueber-
fahrt von Isle de France nach Havre gebildet hatte. Er
spricht den Wunsch aus, ein Reisender möchte den Saft des
Melonenbaumes frisch, wie er aus dem Stengel oder der
Frucht fließt, untersuchen können.

Je jünger die Frucht des Melonenbaumes ist, desto mehr
Milch gibt sie; man findet sie bereits im kaum befruchteten
Keime. Je reifer die Frucht wird, desto mehr nimmt die Milch
ab und desto wässeriger wird sie; man findet dann weniger
vom tierischen Stoff darin, der durch Säuren und durch Ab-
sorption des Sauerstoffes der Luft gerinnt. Da die ganze
Frucht klebrig 1 ist, so könnte man annehmen, je mehr sie
wachse, desto mehr lagere sich der gerinnbare Stoff in den
Organen ab und bilde zum Teil das Mark oder die fleischige

1 Diese Klebrigkeit bemerkt man auch an der frischen Milch
des Kuhbaumes. Sie rührt ohne Zweifel daher, daß das Kaut-
schuk sich noch nicht abgesetzt hat und eine Masse mit dem Eiweiß
und dem Käsestoff bildet, wie in der tierischen Milch die Butter
und der Käsestoff. Der Saft eines Gewächses aus der Familie
der Euphorbien, des Sapium aucuparia, der auch Kautschuk ent-
hält, ist so klebrig, daß man Papageien damit fängt.

Kenntniſſe in der Chemie zu Gebote ſtehen, John Davy, bei
ſeinem Aufenthalt auf Ceylon dieſen Punkt ins reine bringen
wird; denn, wie De Candolle richtig bemerkt, es wäre möglich,
daß die Eingeborenen nur den Saft der jungen Pflanze be-
nutzten, ſolange der ſcharfe Stoff noch nicht entwickelt iſt.
Wirklich werden in manchen Ländern die jungen Sproſſen
der Apocyneen gegeſſen.

Ich habe mit dieſer Zuſammenſtellung den Verſuch ge-
macht, die Milchſäfte der Gewächſe und der milchigen Emul-
ſionen, welche die Früchte der Mandelarten und der Palmen
geben, unter einen allgemeinen Geſichtspunkt zu bringen. Es
möge mir geſtattet ſein, dieſen Betrachtungen die Ergebniſſe
einiger Verſuche anzureihen, die ich während meines Aufent-
haltes in den Thälern von Aragua mit dem Safte der Carica
Papaya
angeſtellt, obgleich es mir faſt ganz an Reagenzien
fehlte. Derſelbe Saft iſt ſeitdem von Vauquelin unterſucht
worden. Der berühmte Chemiker hat darin richtig das Ei-
weiß und den käſeartigen Stoff erkannt; er vergleicht den
Milchſaft mit einem ſtark animaliſierten Stoffe, mit dem tieri-
ſchen Blut; es ſtand ihm aber nur gegorener Saft und ein
übelriechendes Gerinnſel zu Gebote, das ſich auf der Ueber-
fahrt von Isle de France nach Havre gebildet hatte. Er
ſpricht den Wunſch aus, ein Reiſender möchte den Saft des
Melonenbaumes friſch, wie er aus dem Stengel oder der
Frucht fließt, unterſuchen können.

Je jünger die Frucht des Melonenbaumes iſt, deſto mehr
Milch gibt ſie; man findet ſie bereits im kaum befruchteten
Keime. Je reifer die Frucht wird, deſto mehr nimmt die Milch
ab und deſto wäſſeriger wird ſie; man findet dann weniger
vom tieriſchen Stoff darin, der durch Säuren und durch Ab-
ſorption des Sauerſtoffes der Luft gerinnt. Da die ganze
Frucht klebrig 1 iſt, ſo könnte man annehmen, je mehr ſie
wachſe, deſto mehr lagere ſich der gerinnbare Stoff in den
Organen ab und bilde zum Teil das Mark oder die fleiſchige

1 Dieſe Klebrigkeit bemerkt man auch an der friſchen Milch
des Kuhbaumes. Sie rührt ohne Zweifel daher, daß das Kaut-
ſchuk ſich noch nicht abgeſetzt hat und eine Maſſe mit dem Eiweiß
und dem Käſeſtoff bildet, wie in der tieriſchen Milch die Butter
und der Käſeſtoff. Der Saft eines Gewächſes aus der Familie
der Euphorbien, des Sapium aucuparia, der auch Kautſchuk ent-
hält, iſt ſo klebrig, daß man Papageien damit fängt.
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[245/0253] Kenntniſſe in der Chemie zu Gebote ſtehen, John Davy, bei ſeinem Aufenthalt auf Ceylon dieſen Punkt ins reine bringen wird; denn, wie De Candolle richtig bemerkt, es wäre möglich, daß die Eingeborenen nur den Saft der jungen Pflanze be- nutzten, ſolange der ſcharfe Stoff noch nicht entwickelt iſt. Wirklich werden in manchen Ländern die jungen Sproſſen der Apocyneen gegeſſen. Ich habe mit dieſer Zuſammenſtellung den Verſuch ge- macht, die Milchſäfte der Gewächſe und der milchigen Emul- ſionen, welche die Früchte der Mandelarten und der Palmen geben, unter einen allgemeinen Geſichtspunkt zu bringen. Es möge mir geſtattet ſein, dieſen Betrachtungen die Ergebniſſe einiger Verſuche anzureihen, die ich während meines Aufent- haltes in den Thälern von Aragua mit dem Safte der Carica Papaya angeſtellt, obgleich es mir faſt ganz an Reagenzien fehlte. Derſelbe Saft iſt ſeitdem von Vauquelin unterſucht worden. Der berühmte Chemiker hat darin richtig das Ei- weiß und den käſeartigen Stoff erkannt; er vergleicht den Milchſaft mit einem ſtark animaliſierten Stoffe, mit dem tieri- ſchen Blut; es ſtand ihm aber nur gegorener Saft und ein übelriechendes Gerinnſel zu Gebote, das ſich auf der Ueber- fahrt von Isle de France nach Havre gebildet hatte. Er ſpricht den Wunſch aus, ein Reiſender möchte den Saft des Melonenbaumes friſch, wie er aus dem Stengel oder der Frucht fließt, unterſuchen können. Je jünger die Frucht des Melonenbaumes iſt, deſto mehr Milch gibt ſie; man findet ſie bereits im kaum befruchteten Keime. Je reifer die Frucht wird, deſto mehr nimmt die Milch ab und deſto wäſſeriger wird ſie; man findet dann weniger vom tieriſchen Stoff darin, der durch Säuren und durch Ab- ſorption des Sauerſtoffes der Luft gerinnt. Da die ganze Frucht klebrig 1 iſt, ſo könnte man annehmen, je mehr ſie wachſe, deſto mehr lagere ſich der gerinnbare Stoff in den Organen ab und bilde zum Teil das Mark oder die fleiſchige 1 Dieſe Klebrigkeit bemerkt man auch an der friſchen Milch des Kuhbaumes. Sie rührt ohne Zweifel daher, daß das Kaut- ſchuk ſich noch nicht abgeſetzt hat und eine Maſſe mit dem Eiweiß und dem Käſeſtoff bildet, wie in der tieriſchen Milch die Butter und der Käſeſtoff. Der Saft eines Gewächſes aus der Familie der Euphorbien, des Sapium aucuparia, der auch Kautſchuk ent- hält, iſt ſo klebrig, daß man Papageien damit fängt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/253>, abgerufen am 27.04.2024.