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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Substanz. Tröpfelt man mit vier Teilen Wasser verdünnte
Salpetersäure in die ausgepreßte Milch einer ganz jungen
Frucht, so zeigt sich eine höchst merkwürdige Erscheinung. In
der Mitte eines jeden Tropfens bildet sich ein gallertartiges,
grau gestreiftes Häutchen. Diese Streifen sind nichts anderes
als der Stoff, der wässeriger geworden, weil die Säure ihm
den Eiweißstoff entzogen hat. Zu gleicher Zeit werden die
Häutchen in der Mitte undurchsichtig und eigelb. Sie ver-
größern sich, indem divergierende Fasern sich zu verlängern
scheinen. Die Flüssigkeit sieht anfangs aus wie ein Achat mit
milchigen Wolken, und man meint, organische Häute unter
seinen Augen sich bilden zu sehen. Wenn sich das Gerinnsel
über die ganze Masse verbreitet, verschwinden die gelben Flecke
wieder. Rührt man sie um, so wird sie krümelig wie weicher
Käse. Die gelbe Farbe erscheint wieder, wenn man ein paar
Tropfen Salpetersäure zusetzt. Die Säure wirkt hier wie die
Berührung des Sauerstoffes der Luft bei 27 bis 35°; denn
das weiße Gerinnsel wird in ein paar Minuten gelb, wenn
man es der Sonne aussetzt. Nach einigen Stunden geht das
Gelb in Braun über, ohne Zweifel, weil der Kohlenstoff frei
wird im Verhältnis, als der Wasserstoff, an den er gebunden
war, verbrennt. Das durch die Säure gebildete Gerinnsel
wird klebrig und nimmt den Wachsgeruch an, den ich gleich-
falls bemerkte, als ich Muskelfleisch und Pilze (Morcheln)
mit Salpetersäure behandelte. Nach Hatchetts schönen Ver-
suchen kann man annehmen, daß das Eiweiß zum Teil in
Gallerte übergeht. Wirft man das frisch bereitete Gerinnsel
vom Melonenbaum in Wasser, so wird es weich, löst sich teil-
weise auf und färbt das Wasser gelblich. Alsbald schlägt sich
eine zitternde Gallerte, ähnlich dem Stärkemehl, daraus nieder.
Dies ist besonders auffallend, wenn das Wasser, das man
dazu nimmt, auf 40 bis 60° erwärmt ist. Je mehr man
Wasser zugießt, desto fester wird die Gallerte. Sie bleibt
lange weiß und wird nur gelb, wenn man etwas Salpeter-
säure darauf tröpfelt. Nach dem Vorgange Fourcroys und
Vauquelins bei ihren Versuchen mit dem Safte der Hevea,
setzte ich der Milch des Melonenbaumes eine Auflösung von
kohlensaurem Natron bei. Es bildet sich kein Klumpen, auch
wenn man reines Wasser dem Gemisch von Milch und alka-
lischer Auflösung zugießt. Die Häute kommen erst zum Vor-
schein, wenn man durch Zusatz einer Säure das Alkali neu-
tralisiert und die Säure im Ueberschuß ist. Ebenso sah ich

Subſtanz. Tröpfelt man mit vier Teilen Waſſer verdünnte
Salpeterſäure in die ausgepreßte Milch einer ganz jungen
Frucht, ſo zeigt ſich eine höchſt merkwürdige Erſcheinung. In
der Mitte eines jeden Tropfens bildet ſich ein gallertartiges,
grau geſtreiftes Häutchen. Dieſe Streifen ſind nichts anderes
als der Stoff, der wäſſeriger geworden, weil die Säure ihm
den Eiweißſtoff entzogen hat. Zu gleicher Zeit werden die
Häutchen in der Mitte undurchſichtig und eigelb. Sie ver-
größern ſich, indem divergierende Faſern ſich zu verlängern
ſcheinen. Die Flüſſigkeit ſieht anfangs aus wie ein Achat mit
milchigen Wolken, und man meint, organiſche Häute unter
ſeinen Augen ſich bilden zu ſehen. Wenn ſich das Gerinnſel
über die ganze Maſſe verbreitet, verſchwinden die gelben Flecke
wieder. Rührt man ſie um, ſo wird ſie krümelig wie weicher
Käſe. Die gelbe Farbe erſcheint wieder, wenn man ein paar
Tropfen Salpeterſäure zuſetzt. Die Säure wirkt hier wie die
Berührung des Sauerſtoffes der Luft bei 27 bis 35°; denn
das weiße Gerinnſel wird in ein paar Minuten gelb, wenn
man es der Sonne ausſetzt. Nach einigen Stunden geht das
Gelb in Braun über, ohne Zweifel, weil der Kohlenſtoff frei
wird im Verhältnis, als der Waſſerſtoff, an den er gebunden
war, verbrennt. Das durch die Säure gebildete Gerinnſel
wird klebrig und nimmt den Wachsgeruch an, den ich gleich-
falls bemerkte, als ich Muskelfleiſch und Pilze (Morcheln)
mit Salpeterſäure behandelte. Nach Hatchetts ſchönen Ver-
ſuchen kann man annehmen, daß das Eiweiß zum Teil in
Gallerte übergeht. Wirft man das friſch bereitete Gerinnſel
vom Melonenbaum in Waſſer, ſo wird es weich, löſt ſich teil-
weiſe auf und färbt das Waſſer gelblich. Alsbald ſchlägt ſich
eine zitternde Gallerte, ähnlich dem Stärkemehl, daraus nieder.
Dies iſt beſonders auffallend, wenn das Waſſer, das man
dazu nimmt, auf 40 bis 60° erwärmt iſt. Je mehr man
Waſſer zugießt, deſto feſter wird die Gallerte. Sie bleibt
lange weiß und wird nur gelb, wenn man etwas Salpeter-
ſäure darauf tröpfelt. Nach dem Vorgange Fourcroys und
Vauquelins bei ihren Verſuchen mit dem Safte der Hevea,
ſetzte ich der Milch des Melonenbaumes eine Auflöſung von
kohlenſaurem Natron bei. Es bildet ſich kein Klumpen, auch
wenn man reines Waſſer dem Gemiſch von Milch und alka-
liſcher Auflöſung zugießt. Die Häute kommen erſt zum Vor-
ſchein, wenn man durch Zuſatz einer Säure das Alkali neu-
traliſiert und die Säure im Ueberſchuß iſt. Ebenſo ſah ich

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[246/0254] Subſtanz. Tröpfelt man mit vier Teilen Waſſer verdünnte Salpeterſäure in die ausgepreßte Milch einer ganz jungen Frucht, ſo zeigt ſich eine höchſt merkwürdige Erſcheinung. In der Mitte eines jeden Tropfens bildet ſich ein gallertartiges, grau geſtreiftes Häutchen. Dieſe Streifen ſind nichts anderes als der Stoff, der wäſſeriger geworden, weil die Säure ihm den Eiweißſtoff entzogen hat. Zu gleicher Zeit werden die Häutchen in der Mitte undurchſichtig und eigelb. Sie ver- größern ſich, indem divergierende Faſern ſich zu verlängern ſcheinen. Die Flüſſigkeit ſieht anfangs aus wie ein Achat mit milchigen Wolken, und man meint, organiſche Häute unter ſeinen Augen ſich bilden zu ſehen. Wenn ſich das Gerinnſel über die ganze Maſſe verbreitet, verſchwinden die gelben Flecke wieder. Rührt man ſie um, ſo wird ſie krümelig wie weicher Käſe. Die gelbe Farbe erſcheint wieder, wenn man ein paar Tropfen Salpeterſäure zuſetzt. Die Säure wirkt hier wie die Berührung des Sauerſtoffes der Luft bei 27 bis 35°; denn das weiße Gerinnſel wird in ein paar Minuten gelb, wenn man es der Sonne ausſetzt. Nach einigen Stunden geht das Gelb in Braun über, ohne Zweifel, weil der Kohlenſtoff frei wird im Verhältnis, als der Waſſerſtoff, an den er gebunden war, verbrennt. Das durch die Säure gebildete Gerinnſel wird klebrig und nimmt den Wachsgeruch an, den ich gleich- falls bemerkte, als ich Muskelfleiſch und Pilze (Morcheln) mit Salpeterſäure behandelte. Nach Hatchetts ſchönen Ver- ſuchen kann man annehmen, daß das Eiweiß zum Teil in Gallerte übergeht. Wirft man das friſch bereitete Gerinnſel vom Melonenbaum in Waſſer, ſo wird es weich, löſt ſich teil- weiſe auf und färbt das Waſſer gelblich. Alsbald ſchlägt ſich eine zitternde Gallerte, ähnlich dem Stärkemehl, daraus nieder. Dies iſt beſonders auffallend, wenn das Waſſer, das man dazu nimmt, auf 40 bis 60° erwärmt iſt. Je mehr man Waſſer zugießt, deſto feſter wird die Gallerte. Sie bleibt lange weiß und wird nur gelb, wenn man etwas Salpeter- ſäure darauf tröpfelt. Nach dem Vorgange Fourcroys und Vauquelins bei ihren Verſuchen mit dem Safte der Hevea, ſetzte ich der Milch des Melonenbaumes eine Auflöſung von kohlenſaurem Natron bei. Es bildet ſich kein Klumpen, auch wenn man reines Waſſer dem Gemiſch von Milch und alka- liſcher Auflöſung zugießt. Die Häute kommen erſt zum Vor- ſchein, wenn man durch Zuſatz einer Säure das Alkali neu- traliſiert und die Säure im Ueberſchuß iſt. Ebenſo ſah ich

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/254>, abgerufen am 28.11.2024.