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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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voller Besitz Kalabriens, Siziliens und der spanischen Küsten.
Von Sizilien verpflanzte der Infant Henriquez das Zucker-
rohr nach Madeira, von Madeira kam es auf die Kanarien,
wo es ganz unbekannt war; denn die Ferulae, von denen Juba
spricht (quae expressae liquorem fundunt potui jucundum),
sind Euphorbien, Tabayba dulce, und kein Zuckerrohr, wie
man neuerdings behauptet hat. Nicht lange, so waren zehn
Zuckermühlen (ingenios de azucar) auf der Großen Canaria,
auf Palma und auf Tenerifa zwischen Adexe, Icod und Ga-
rachico. Man brauchte Neger zum Bau, und ihre Nach-
kommen leben noch in den Höhlen von Tiaxana auf der
Großen Canaria. Seit das Zuckerrohr auf die Antillen ver-
pflanzt worden ist, und seit die Neue Welt den glückseligen
Inseln den Mais geschenkt, hat der Anbau dieser Grasart
auf Tenerifa und der Großen Canaria den Zuckerbau ver-
drängt. Jetzt wird dieser nur noch auf Palma bei Argual
und Taxacorte getrieben und liefert kaum 1000 Zentner
Zucker im Jahr. Das kanarische Rohr, das Aiguilon nach
San Domingo brachte, wurde dort seit 1517 oder den sechs,
sieben folgenden Jahren unter der Herrschaft der Hieronymiter
mönche gebaut. Von Anfang an wurden Neger dazu ver-
wendet, und schon 1519 stellte man, gerade wie heutzutage,
der Regierung vor, "die Antillen wären verloren und müßten
wüste liegen bleiben, wenn man nicht alle Jahre Sklaven von
der Küste von Guinea herüberbrächte".

Seit einigen Jahren haben sich der Anbau und die Fa-
brikation des Zuckers in Terra Firma bedeutend verbessert,
und da auf Jamaika das Raffinieren gesetzlich verboten ist,
so glaubt man auf die Ausfuhr von raffiniertem Zucker in
die englischen Kolonieen auf dem Wege des Schleichhandels
rechnen zu können. Aber der Verbrauch in den Provinzen
von Venezuela an Papelon und an Rohzucker zu Schokolade
und Zuckerbäckerei (dulces) ist so groß, daß die Ausfuhr bis
jetzt gar nicht in Betracht kam. Die schönsten Zuckerpflan-
zungen sind in den Thälern von Aragua und des Tuy, bei
Pao de Zarete, zwischen Victoria und San Sebastiano, bei
Guatire, Guarenas und Caurimare. Wie das Zuckerrohr
zuerst von den Kanarien in die Neue Welt kam, so stehen
noch jetzt meist Kanarier oder Islennos den großen Pflan-
zungen vor und geben beim Anbau und beim Raffinieren die
Anleitung.

Dieser innige Verkehr mit den Kanarischen Inseln und

A. v. Humboldt, Reise. II. 15

voller Beſitz Kalabriens, Siziliens und der ſpaniſchen Küſten.
Von Sizilien verpflanzte der Infant Henriquez das Zucker-
rohr nach Madeira, von Madeira kam es auf die Kanarien,
wo es ganz unbekannt war; denn die Ferulae, von denen Juba
ſpricht (quae expressae liquorem fundunt potui jucundum),
ſind Euphorbien, Tabayba dulce, und kein Zuckerrohr, wie
man neuerdings behauptet hat. Nicht lange, ſo waren zehn
Zuckermühlen (ingenios de azucar) auf der Großen Canaria,
auf Palma und auf Tenerifa zwiſchen Adexe, Icod und Ga-
rachico. Man brauchte Neger zum Bau, und ihre Nach-
kommen leben noch in den Höhlen von Tiaxana auf der
Großen Canaria. Seit das Zuckerrohr auf die Antillen ver-
pflanzt worden iſt, und ſeit die Neue Welt den glückſeligen
Inſeln den Mais geſchenkt, hat der Anbau dieſer Grasart
auf Tenerifa und der Großen Canaria den Zuckerbau ver-
drängt. Jetzt wird dieſer nur noch auf Palma bei Argual
und Taxacorte getrieben und liefert kaum 1000 Zentner
Zucker im Jahr. Das kanariſche Rohr, das Aiguilon nach
San Domingo brachte, wurde dort ſeit 1517 oder den ſechs,
ſieben folgenden Jahren unter der Herrſchaft der Hieronymiter
mönche gebaut. Von Anfang an wurden Neger dazu ver-
wendet, und ſchon 1519 ſtellte man, gerade wie heutzutage,
der Regierung vor, „die Antillen wären verloren und müßten
wüſte liegen bleiben, wenn man nicht alle Jahre Sklaven von
der Küſte von Guinea herüberbrächte“.

Seit einigen Jahren haben ſich der Anbau und die Fa-
brikation des Zuckers in Terra Firma bedeutend verbeſſert,
und da auf Jamaika das Raffinieren geſetzlich verboten iſt,
ſo glaubt man auf die Ausfuhr von raffiniertem Zucker in
die engliſchen Kolonieen auf dem Wege des Schleichhandels
rechnen zu können. Aber der Verbrauch in den Provinzen
von Venezuela an Papelon und an Rohzucker zu Schokolade
und Zuckerbäckerei (dulces) iſt ſo groß, daß die Ausfuhr bis
jetzt gar nicht in Betracht kam. Die ſchönſten Zuckerpflan-
zungen ſind in den Thälern von Aragua und des Tuy, bei
Pao de Zarete, zwiſchen Victoria und San Sebaſtiano, bei
Guatire, Guarenas und Caurimare. Wie das Zuckerrohr
zuerſt von den Kanarien in die Neue Welt kam, ſo ſtehen
noch jetzt meiſt Kanarier oder Isleños den großen Pflan-
zungen vor und geben beim Anbau und beim Raffinieren die
Anleitung.

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A. v. Humboldt, Reiſe. II. 15
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[225/0233] voller Beſitz Kalabriens, Siziliens und der ſpaniſchen Küſten. Von Sizilien verpflanzte der Infant Henriquez das Zucker- rohr nach Madeira, von Madeira kam es auf die Kanarien, wo es ganz unbekannt war; denn die Ferulae, von denen Juba ſpricht (quae expressae liquorem fundunt potui jucundum), ſind Euphorbien, Tabayba dulce, und kein Zuckerrohr, wie man neuerdings behauptet hat. Nicht lange, ſo waren zehn Zuckermühlen (ingenios de azucar) auf der Großen Canaria, auf Palma und auf Tenerifa zwiſchen Adexe, Icod und Ga- rachico. Man brauchte Neger zum Bau, und ihre Nach- kommen leben noch in den Höhlen von Tiaxana auf der Großen Canaria. Seit das Zuckerrohr auf die Antillen ver- pflanzt worden iſt, und ſeit die Neue Welt den glückſeligen Inſeln den Mais geſchenkt, hat der Anbau dieſer Grasart auf Tenerifa und der Großen Canaria den Zuckerbau ver- drängt. Jetzt wird dieſer nur noch auf Palma bei Argual und Taxacorte getrieben und liefert kaum 1000 Zentner Zucker im Jahr. Das kanariſche Rohr, das Aiguilon nach San Domingo brachte, wurde dort ſeit 1517 oder den ſechs, ſieben folgenden Jahren unter der Herrſchaft der Hieronymiter mönche gebaut. Von Anfang an wurden Neger dazu ver- wendet, und ſchon 1519 ſtellte man, gerade wie heutzutage, der Regierung vor, „die Antillen wären verloren und müßten wüſte liegen bleiben, wenn man nicht alle Jahre Sklaven von der Küſte von Guinea herüberbrächte“. Seit einigen Jahren haben ſich der Anbau und die Fa- brikation des Zuckers in Terra Firma bedeutend verbeſſert, und da auf Jamaika das Raffinieren geſetzlich verboten iſt, ſo glaubt man auf die Ausfuhr von raffiniertem Zucker in die engliſchen Kolonieen auf dem Wege des Schleichhandels rechnen zu können. Aber der Verbrauch in den Provinzen von Venezuela an Papelon und an Rohzucker zu Schokolade und Zuckerbäckerei (dulces) iſt ſo groß, daß die Ausfuhr bis jetzt gar nicht in Betracht kam. Die ſchönſten Zuckerpflan- zungen ſind in den Thälern von Aragua und des Tuy, bei Pao de Zarete, zwiſchen Victoria und San Sebaſtiano, bei Guatire, Guarenas und Caurimare. Wie das Zuckerrohr zuerſt von den Kanarien in die Neue Welt kam, ſo ſtehen noch jetzt meiſt Kanarier oder Isleños den großen Pflan- zungen vor und geben beim Anbau und beim Raffinieren die Anleitung. Dieſer innige Verkehr mit den Kanariſchen Inſeln und A. v. Humboldt, Reiſe. II. 15

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/233>, abgerufen am 22.11.2024.