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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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ringsum und auf einen Palmenwald zwischen Guacara und
Nueva Valencia. Die Zuckerfelder mit dem lichten Grün des
jungen Rohres erscheinen wie ein weiter Wiesengrund. Alles
trägt den Stempel des Ueberflusses, aber die das Land bauen,
müssen ihre Freiheit daran setzen. In Mocundo baut man
mit 230 Negern 77 Tablones oder Stücke Zuckerrohr, deren
jedes 10000 Quadratvaras 1 mißt und jährlich einen Rein-
ertrag von 200 bis 240 Piastern gibt. Man setzt die Steck-
linge des kreolischen und des tahitischen Zuckerrohres im April,
bei ersterem je 1,3 m, bei letzterem 1,6 m voneinander. Das
Rohr braucht 14 Monate zur Reife. Es blüht im Oktober,
wenn der Setzling kräftig ist, man kappt aber die Spitze, ehe
die Rispe sich entwickelt. Bei allen Monokotyledonen (beim
Maguey, der in Mexiko wegen des Pulque gebaut wird, bei
der Weinpalme und dem Zuckerrohr) erhalten die Säfte durch
die Blüte eine andere Mischung. Die Zuckerfabrikation ist in
Terra Firma sehr mangelhaft, weil man nur für den Ver-
brauch im Lande fabriziert und man für den Absatz im großen
sich lieber an den sogenannten Papelon als an raffinierten
und Rohzucker hält. Dieser Papelon ist ein unreiner, braun-
gelber Zucker in ganz kleinen Hüten. Er ist mit Melasse und
schleimigen Stoffen verunreinigt. Der ärmste Mann ißt Pa-
pelon, wie man in Europa Käse ißt; man hält ihn allgemein
für nahrhaft. Mit Wasser gegoren, gibt er den Guarapo,
das Lieblingsgetränk des Volkes. Zum Auslaugen des Rohr-
saftes bedient man sich, statt des Kalkes, des unterkohlensauren
Kalis. Man nimmt dazu vorzugsweise die Asche des Bucare,
der Erythrina corallodendron.

Das Zuckerrohr ist sehr spät, wahrscheinlich erst zu Ende
des 16. Jahrhunderts, von den Antillen in die Thäler von
Aragua gekommen. Man kannte es seit den ältesten Zeiten
in Indien, in China und auf allen Inseln des Stillen Meeres;
in Chorassan und in Persien wurde es schon im 5. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung zur Gewinnung festen Zuckers gebaut.
Die Araber brachten das Rohr, das für die Bewohner heißer
und gemäßigter Länder von so großem Werte ist, an die Küsten
des Mittelmeeres. Im Jahre 1306 wurde es auf Sizilien
noch nicht gebaut, aber auf Cypern, Rhodus und in Morea
war es bereits verbreitet; 100 Jahre darauf war es ein wert-

1 Ein Tablon, gleich 7026 qm, entspricht etwa 1 1/5 Morgen.

ringsum und auf einen Palmenwald zwiſchen Guacara und
Nueva Valencia. Die Zuckerfelder mit dem lichten Grün des
jungen Rohres erſcheinen wie ein weiter Wieſengrund. Alles
trägt den Stempel des Ueberfluſſes, aber die das Land bauen,
müſſen ihre Freiheit daran ſetzen. In Mocundo baut man
mit 230 Negern 77 Tablones oder Stücke Zuckerrohr, deren
jedes 10000 Quadratvaras 1 mißt und jährlich einen Rein-
ertrag von 200 bis 240 Piaſtern gibt. Man ſetzt die Steck-
linge des kreoliſchen und des tahitiſchen Zuckerrohres im April,
bei erſterem je 1,3 m, bei letzterem 1,6 m voneinander. Das
Rohr braucht 14 Monate zur Reife. Es blüht im Oktober,
wenn der Setzling kräftig iſt, man kappt aber die Spitze, ehe
die Riſpe ſich entwickelt. Bei allen Monokotyledonen (beim
Maguey, der in Mexiko wegen des Pulque gebaut wird, bei
der Weinpalme und dem Zuckerrohr) erhalten die Säfte durch
die Blüte eine andere Miſchung. Die Zuckerfabrikation iſt in
Terra Firma ſehr mangelhaft, weil man nur für den Ver-
brauch im Lande fabriziert und man für den Abſatz im großen
ſich lieber an den ſogenannten Papelon als an raffinierten
und Rohzucker hält. Dieſer Papelon iſt ein unreiner, braun-
gelber Zucker in ganz kleinen Hüten. Er iſt mit Melaſſe und
ſchleimigen Stoffen verunreinigt. Der ärmſte Mann ißt Pa-
pelon, wie man in Europa Käſe ißt; man hält ihn allgemein
für nahrhaft. Mit Waſſer gegoren, gibt er den Guarapo,
das Lieblingsgetränk des Volkes. Zum Auslaugen des Rohr-
ſaftes bedient man ſich, ſtatt des Kalkes, des unterkohlenſauren
Kalis. Man nimmt dazu vorzugsweiſe die Aſche des Bucare,
der Erythrina corallodendron.

Das Zuckerrohr iſt ſehr ſpät, wahrſcheinlich erſt zu Ende
des 16. Jahrhunderts, von den Antillen in die Thäler von
Aragua gekommen. Man kannte es ſeit den älteſten Zeiten
in Indien, in China und auf allen Inſeln des Stillen Meeres;
in Choraſſan und in Perſien wurde es ſchon im 5. Jahrhundert
unſerer Zeitrechnung zur Gewinnung feſten Zuckers gebaut.
Die Araber brachten das Rohr, das für die Bewohner heißer
und gemäßigter Länder von ſo großem Werte iſt, an die Küſten
des Mittelmeeres. Im Jahre 1306 wurde es auf Sizilien
noch nicht gebaut, aber auf Cypern, Rhodus und in Morea
war es bereits verbreitet; 100 Jahre darauf war es ein wert-

1 Ein Tablon, gleich 7026 qm, entſpricht etwa 1⅕ Morgen.
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[224/0232] ringsum und auf einen Palmenwald zwiſchen Guacara und Nueva Valencia. Die Zuckerfelder mit dem lichten Grün des jungen Rohres erſcheinen wie ein weiter Wieſengrund. Alles trägt den Stempel des Ueberfluſſes, aber die das Land bauen, müſſen ihre Freiheit daran ſetzen. In Mocundo baut man mit 230 Negern 77 Tablones oder Stücke Zuckerrohr, deren jedes 10000 Quadratvaras 1 mißt und jährlich einen Rein- ertrag von 200 bis 240 Piaſtern gibt. Man ſetzt die Steck- linge des kreoliſchen und des tahitiſchen Zuckerrohres im April, bei erſterem je 1,3 m, bei letzterem 1,6 m voneinander. Das Rohr braucht 14 Monate zur Reife. Es blüht im Oktober, wenn der Setzling kräftig iſt, man kappt aber die Spitze, ehe die Riſpe ſich entwickelt. Bei allen Monokotyledonen (beim Maguey, der in Mexiko wegen des Pulque gebaut wird, bei der Weinpalme und dem Zuckerrohr) erhalten die Säfte durch die Blüte eine andere Miſchung. Die Zuckerfabrikation iſt in Terra Firma ſehr mangelhaft, weil man nur für den Ver- brauch im Lande fabriziert und man für den Abſatz im großen ſich lieber an den ſogenannten Papelon als an raffinierten und Rohzucker hält. Dieſer Papelon iſt ein unreiner, braun- gelber Zucker in ganz kleinen Hüten. Er iſt mit Melaſſe und ſchleimigen Stoffen verunreinigt. Der ärmſte Mann ißt Pa- pelon, wie man in Europa Käſe ißt; man hält ihn allgemein für nahrhaft. Mit Waſſer gegoren, gibt er den Guarapo, das Lieblingsgetränk des Volkes. Zum Auslaugen des Rohr- ſaftes bedient man ſich, ſtatt des Kalkes, des unterkohlenſauren Kalis. Man nimmt dazu vorzugsweiſe die Aſche des Bucare, der Erythrina corallodendron. Das Zuckerrohr iſt ſehr ſpät, wahrſcheinlich erſt zu Ende des 16. Jahrhunderts, von den Antillen in die Thäler von Aragua gekommen. Man kannte es ſeit den älteſten Zeiten in Indien, in China und auf allen Inſeln des Stillen Meeres; in Choraſſan und in Perſien wurde es ſchon im 5. Jahrhundert unſerer Zeitrechnung zur Gewinnung feſten Zuckers gebaut. Die Araber brachten das Rohr, das für die Bewohner heißer und gemäßigter Länder von ſo großem Werte iſt, an die Küſten des Mittelmeeres. Im Jahre 1306 wurde es auf Sizilien noch nicht gebaut, aber auf Cypern, Rhodus und in Morea war es bereits verbreitet; 100 Jahre darauf war es ein wert- 1 Ein Tablon, gleich 7026 qm, entſpricht etwa 1⅕ Morgen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/232>, abgerufen am 22.11.2024.