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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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oben konnten wir nicht messen, aber Sir Georg Staunton hat
gefunden, daß 3,25 m über dem Boden der Stamm noch
3,66 m im Durchmesser hat, was gut mit Bordas Angabe
übereinstimmt, der den mittleren Umfang zu 10,93 m angibt.
Der Stamm teilt sich in viele Aeste, die kronleuchterartig auf-
wärts ragen und an den Spitzen Blätterbüschel tragen, ähnlich
der Yucca im Thale von Mexiko. Durch diese Teilung in
Aeste unterscheidet sich sein Habitus wesentlich von dem der
Palmen.

Unter den organischen Bildungen ist dieser Baum, neben
der Adansonia oder dem Baobab am Senegal, ohne Zweifel
einer der ältesten Bewohner unseres Erdballs. Die Baobab
werden indessen noch dicker als der Drachenbaum von Villa
d'Orotava. Man kennt welche, die an der Wurzel 11 m Durch-
messer haben, wobei sie nicht höher sind als 16 bis 20 m. 1
Man muß aber bedenken, daß die Adansonia, wie die Ochroma
und alle Gewächse aus der Familie der Bombaceen, viel
schneller wächst 2 als der Drachenbaum, der sehr langsam zu-
nimmt. Der in Herrn Franquis Garten trägt noch jedes
Jahr Blüten und Früchte. Sein Anblick mahnt lebhaft an

1 Adanson wundert sich, daß die Baobab nicht von anderen
Reisenden beschrieben worden seien. Ich finde in der Sammlung
des Grynäus, daß schon Aloysio Cadomosto vom hohen Alter dieser
ungeheuren Bäume spricht, die er im Jahre 1504 gesehen, und von
denen er ganz richtig sagt: "eminentia altitudinis non quadrat
magnitudini." Cadam. navig. c.
42. Am Senegal und bei Praya
auf den Kapverdischen Inseln haben Adanson und Staunton Adan-
sonien gesehen, deren Stamm 18,2 bis 19,5 m im Umfang hatte.
Den Baobab mit 11 m Durchmesser hat Golberry im Thale der
zwei Gagnack gesehen.
2 Ebenso verhält es sich mit den Platanen (Platanus occi-
dentalis),
die Michaux zu Marietta am Ufer des Ohio gemessen
hat und die 6,5 m über dem Boden noch 5,1 m im Durchmesser
hatten. Die Taxus, die Kastanien, die Eichen, die Platanen, die
kahlen Cypressen, die Bombax, die Mimosen, die Cäsalpinien, die
Hymenäen und die Drachenbäume sind, wir mir scheint, die Ge-
wächse, bei denen in verschiedenen Klimaten Fälle von so außer-
ordentlichem Wachstum vorkommen. Eine Eiche, die zugleich mit
gallischen Helmen im Jahre 1809 in den Torfgruben im Departe-
ment der Somme beim Dorfe Yseux, 31,5 km von Abbeville, ge-
funden wurde, gibt dem Drachenbaum von Orovata in der Dicke
nichts nach. Nach der Angabe von Traullee hatte der Stamm der
Eiche 4,5 m Durchmesser.

oben konnten wir nicht meſſen, aber Sir Georg Staunton hat
gefunden, daß 3,25 m über dem Boden der Stamm noch
3,66 m im Durchmeſſer hat, was gut mit Bordas Angabe
übereinſtimmt, der den mittleren Umfang zu 10,93 m angibt.
Der Stamm teilt ſich in viele Aeſte, die kronleuchterartig auf-
wärts ragen und an den Spitzen Blätterbüſchel tragen, ähnlich
der Yucca im Thale von Mexiko. Durch dieſe Teilung in
Aeſte unterſcheidet ſich ſein Habitus weſentlich von dem der
Palmen.

Unter den organiſchen Bildungen iſt dieſer Baum, neben
der Adanſonia oder dem Baobab am Senegal, ohne Zweifel
einer der älteſten Bewohner unſeres Erdballs. Die Baobab
werden indeſſen noch dicker als der Drachenbaum von Villa
d’Orotava. Man kennt welche, die an der Wurzel 11 m Durch-
meſſer haben, wobei ſie nicht höher ſind als 16 bis 20 m. 1
Man muß aber bedenken, daß die Adanſonia, wie die Ochroma
und alle Gewächſe aus der Familie der Bombaceen, viel
ſchneller wächſt 2 als der Drachenbaum, der ſehr langſam zu-
nimmt. Der in Herrn Franquis Garten trägt noch jedes
Jahr Blüten und Früchte. Sein Anblick mahnt lebhaft an

1 Adanſon wundert ſich, daß die Baobab nicht von anderen
Reiſenden beſchrieben worden ſeien. Ich finde in der Sammlung
des Grynäus, daß ſchon Aloyſio Cadomoſto vom hohen Alter dieſer
ungeheuren Bäume ſpricht, die er im Jahre 1504 geſehen, und von
denen er ganz richtig ſagt: „eminentia altitudinis non quadrat
magnitudini.“ Cadam. navig. c.
42. Am Senegal und bei Praya
auf den Kapverdiſchen Inſeln haben Adanſon und Staunton Adan-
ſonien geſehen, deren Stamm 18,2 bis 19,5 m im Umfang hatte.
Den Baobab mit 11 m Durchmeſſer hat Golberry im Thale der
zwei Gagnack geſehen.
2 Ebenſo verhält es ſich mit den Platanen (Platanus occi-
dentalis),
die Michaux zu Marietta am Ufer des Ohio gemeſſen
hat und die 6,5 m über dem Boden noch 5,1 m im Durchmeſſer
hatten. Die Taxus, die Kaſtanien, die Eichen, die Platanen, die
kahlen Cypreſſen, die Bombax, die Mimoſen, die Cäſalpinien, die
Hymenäen und die Drachenbäume ſind, wir mir ſcheint, die Ge-
wächſe, bei denen in verſchiedenen Klimaten Fälle von ſo außer-
ordentlichem Wachstum vorkommen. Eine Eiche, die zugleich mit
galliſchen Helmen im Jahre 1809 in den Torfgruben im Departe-
ment der Somme beim Dorfe Yſeux, 31,5 km von Abbeville, ge-
funden wurde, gibt dem Drachenbaum von Orovata in der Dicke
nichts nach. Nach der Angabe von Traullée hatte der Stamm der
Eiche 4,5 m Durchmeſſer.
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[74/0090] oben konnten wir nicht meſſen, aber Sir Georg Staunton hat gefunden, daß 3,25 m über dem Boden der Stamm noch 3,66 m im Durchmeſſer hat, was gut mit Bordas Angabe übereinſtimmt, der den mittleren Umfang zu 10,93 m angibt. Der Stamm teilt ſich in viele Aeſte, die kronleuchterartig auf- wärts ragen und an den Spitzen Blätterbüſchel tragen, ähnlich der Yucca im Thale von Mexiko. Durch dieſe Teilung in Aeſte unterſcheidet ſich ſein Habitus weſentlich von dem der Palmen. Unter den organiſchen Bildungen iſt dieſer Baum, neben der Adanſonia oder dem Baobab am Senegal, ohne Zweifel einer der älteſten Bewohner unſeres Erdballs. Die Baobab werden indeſſen noch dicker als der Drachenbaum von Villa d’Orotava. Man kennt welche, die an der Wurzel 11 m Durch- meſſer haben, wobei ſie nicht höher ſind als 16 bis 20 m. 1 Man muß aber bedenken, daß die Adanſonia, wie die Ochroma und alle Gewächſe aus der Familie der Bombaceen, viel ſchneller wächſt 2 als der Drachenbaum, der ſehr langſam zu- nimmt. Der in Herrn Franquis Garten trägt noch jedes Jahr Blüten und Früchte. Sein Anblick mahnt lebhaft an 1 Adanſon wundert ſich, daß die Baobab nicht von anderen Reiſenden beſchrieben worden ſeien. Ich finde in der Sammlung des Grynäus, daß ſchon Aloyſio Cadomoſto vom hohen Alter dieſer ungeheuren Bäume ſpricht, die er im Jahre 1504 geſehen, und von denen er ganz richtig ſagt: „eminentia altitudinis non quadrat magnitudini.“ Cadam. navig. c. 42. Am Senegal und bei Praya auf den Kapverdiſchen Inſeln haben Adanſon und Staunton Adan- ſonien geſehen, deren Stamm 18,2 bis 19,5 m im Umfang hatte. Den Baobab mit 11 m Durchmeſſer hat Golberry im Thale der zwei Gagnack geſehen. 2 Ebenſo verhält es ſich mit den Platanen (Platanus occi- dentalis), die Michaux zu Marietta am Ufer des Ohio gemeſſen hat und die 6,5 m über dem Boden noch 5,1 m im Durchmeſſer hatten. Die Taxus, die Kaſtanien, die Eichen, die Platanen, die kahlen Cypreſſen, die Bombax, die Mimoſen, die Cäſalpinien, die Hymenäen und die Drachenbäume ſind, wir mir ſcheint, die Ge- wächſe, bei denen in verſchiedenen Klimaten Fälle von ſo außer- ordentlichem Wachstum vorkommen. Eine Eiche, die zugleich mit galliſchen Helmen im Jahre 1809 in den Torfgruben im Departe- ment der Somme beim Dorfe Yſeux, 31,5 km von Abbeville, ge- funden wurde, gibt dem Drachenbaum von Orovata in der Dicke nichts nach. Nach der Angabe von Traullée hatte der Stamm der Eiche 4,5 m Durchmeſſer.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/90>, abgerufen am 29.03.2024.