Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

nung erklärt sich ohne Zweifel daraus, daß er westwärts von
einem großen Festlande und ganz isoliert im Meere liegt. Die
Schiffer wissen recht gut, daß selbst die kleinsten, niedrigsten
Eilande die Wolken anziehen und festhalten. Ueberdies er-
folgt die Wärmeabnahme über den Ebenen Afrikas und über
der Meeresfläche in verschiedenem Verhältnis, und die Luft-
schichten, welche die Passatwinde herführen, kühlen sich immer
mehr ab, je weiter sie gegen West gelangen. Die Luft, die
über dem heißen Wüstensande ausnehmend trocken war,
schwängert sich rasch, sobald sie mit der Meeresfläche oder mit
der Luft, die auf dieser Fläche ruht, in Berührung kommt.
Man sieht also leicht, warum die Dünste in Luftschichten sicht-
bar werden, die, vom Festland weggeführt, nicht mehr die
Temperatur haben, bei der sie sich mit Wasser gesättigt hatten.
Zudem hält die bedeutende Masse eines frei aus dem Atlanti-
schen Meere aufsteigenden Berges die Wolken auf, welche der
Wind der hohen See zutreibt.

Lange und mit Ungeduld warteten wir auf die Erlaub-
nis von seiten des Statthalters, ans Land gehen zu dürfen.
Ich nutzte die Zeit, um die Länge des Hafendammes von
Santa Cruz zu bestimmen und die Inklination der Magnet-
nadel zu beobachten. Der Chronometer von Louis Berthoud
gab jene zu 18° 33' 10" an. Diese Bestimmung weicht um
3 bis 4 Bogenminuten von derjenigen ab, die sich aus den
alten Beobachtungen von Fleurieu, Pingre, Borda, Vancouver
und La Peyrouse ergibt. Guenot hatte übrigens gleichfalls
18° 33' 36" gefunden und der unglückliche Kapitän Blight
18° 34' 30". Die Genauigkeit meines Ergebnisses wurde
drei Jahre darauf bei der Expedition des Ritters Krusenstern
bestätigt; man fand für Santa Cruz 16° 12' 45" westlich von
Greenwich, folglich 18° 33' 0" westlich von Paris. Diese
Angaben zeigen, daß die Längen, welche Kapitän Cook für
Tenerifa und das Kap der guten Hoffnung annahm, viel zu
weit westlich sind. Derselbe Seefahrer hatte im Jahre 1799
die magnetische Inklination gleich 61° 52' gefunden. Bon-
pland und ich fanden 62° 24', was mit dem Resultat über-
einstimmt, das de Rossel bei d'Entrecasteaux' Expedition im
Jahre 1791 erhielt. Die Deklination der Nadel schwankt um
mehrere Grade, je nachdem man sie auf dem Hafendamm oder
an verschiedenen Punkten nordwärts längs des Gestades beob-
achtet. Diese Schwankungen können an einem von vulkani-
schem Gestein umgebenen Orte nicht befremden. Ich habe mit

nung erklärt ſich ohne Zweifel daraus, daß er weſtwärts von
einem großen Feſtlande und ganz iſoliert im Meere liegt. Die
Schiffer wiſſen recht gut, daß ſelbſt die kleinſten, niedrigſten
Eilande die Wolken anziehen und feſthalten. Ueberdies er-
folgt die Wärmeabnahme über den Ebenen Afrikas und über
der Meeresfläche in verſchiedenem Verhältnis, und die Luft-
ſchichten, welche die Paſſatwinde herführen, kühlen ſich immer
mehr ab, je weiter ſie gegen Weſt gelangen. Die Luft, die
über dem heißen Wüſtenſande ausnehmend trocken war,
ſchwängert ſich raſch, ſobald ſie mit der Meeresfläche oder mit
der Luft, die auf dieſer Fläche ruht, in Berührung kommt.
Man ſieht alſo leicht, warum die Dünſte in Luftſchichten ſicht-
bar werden, die, vom Feſtland weggeführt, nicht mehr die
Temperatur haben, bei der ſie ſich mit Waſſer geſättigt hatten.
Zudem hält die bedeutende Maſſe eines frei aus dem Atlanti-
ſchen Meere aufſteigenden Berges die Wolken auf, welche der
Wind der hohen See zutreibt.

Lange und mit Ungeduld warteten wir auf die Erlaub-
nis von ſeiten des Statthalters, ans Land gehen zu dürfen.
Ich nutzte die Zeit, um die Länge des Hafendammes von
Santa Cruz zu beſtimmen und die Inklination der Magnet-
nadel zu beobachten. Der Chronometer von Louis Berthoud
gab jene zu 18° 33′ 10″ an. Dieſe Beſtimmung weicht um
3 bis 4 Bogenminuten von derjenigen ab, die ſich aus den
alten Beobachtungen von Fleurieu, Pingré, Borda, Vancouver
und La Peyrouſe ergibt. Guenot hatte übrigens gleichfalls
18° 33′ 36″ gefunden und der unglückliche Kapitän Blight
18° 34′ 30″. Die Genauigkeit meines Ergebniſſes wurde
drei Jahre darauf bei der Expedition des Ritters Kruſenſtern
beſtätigt; man fand für Santa Cruz 16° 12′ 45″ weſtlich von
Greenwich, folglich 18° 33′ 0″ weſtlich von Paris. Dieſe
Angaben zeigen, daß die Längen, welche Kapitän Cook für
Tenerifa und das Kap der guten Hoffnung annahm, viel zu
weit weſtlich ſind. Derſelbe Seefahrer hatte im Jahre 1799
die magnetiſche Inklination gleich 61° 52′ gefunden. Bon-
pland und ich fanden 62° 24′, was mit dem Reſultat über-
einſtimmt, das de Roſſel bei d’Entrecaſteaux’ Expedition im
Jahre 1791 erhielt. Die Deklination der Nadel ſchwankt um
mehrere Grade, je nachdem man ſie auf dem Hafendamm oder
an verſchiedenen Punkten nordwärts längs des Geſtades beob-
achtet. Dieſe Schwankungen können an einem von vulkani-
ſchem Geſtein umgebenen Orte nicht befremden. Ich habe mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="58"/>
nung erklärt &#x017F;ich ohne Zweifel daraus, daß er we&#x017F;twärts von<lb/>
einem großen Fe&#x017F;tlande und ganz i&#x017F;oliert im Meere liegt. Die<lb/>
Schiffer wi&#x017F;&#x017F;en recht gut, daß &#x017F;elb&#x017F;t die klein&#x017F;ten, niedrig&#x017F;ten<lb/>
Eilande die Wolken anziehen und fe&#x017F;thalten. Ueberdies er-<lb/>
folgt die Wärmeabnahme über den Ebenen Afrikas und über<lb/>
der Meeresfläche in ver&#x017F;chiedenem Verhältnis, und die Luft-<lb/>
&#x017F;chichten, welche die Pa&#x017F;&#x017F;atwinde herführen, kühlen &#x017F;ich immer<lb/>
mehr ab, je weiter &#x017F;ie gegen We&#x017F;t gelangen. Die Luft, die<lb/>
über dem heißen Wü&#x017F;ten&#x017F;ande ausnehmend trocken war,<lb/>
&#x017F;chwängert &#x017F;ich ra&#x017F;ch, &#x017F;obald &#x017F;ie mit der Meeresfläche oder mit<lb/>
der Luft, die auf die&#x017F;er Fläche ruht, in Berührung kommt.<lb/>
Man &#x017F;ieht al&#x017F;o leicht, warum die Dün&#x017F;te in Luft&#x017F;chichten &#x017F;icht-<lb/>
bar werden, die, vom Fe&#x017F;tland weggeführt, nicht mehr die<lb/>
Temperatur haben, bei der &#x017F;ie &#x017F;ich mit Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;ättigt hatten.<lb/>
Zudem hält die bedeutende Ma&#x017F;&#x017F;e eines frei aus dem Atlanti-<lb/>
&#x017F;chen Meere auf&#x017F;teigenden Berges die Wolken auf, welche der<lb/>
Wind der hohen See zutreibt.</p><lb/>
          <p>Lange und mit Ungeduld warteten wir auf die Erlaub-<lb/>
nis von &#x017F;eiten des Statthalters, ans Land gehen zu dürfen.<lb/>
Ich nutzte die Zeit, um die Länge des Hafendammes von<lb/>
Santa Cruz zu be&#x017F;timmen und die Inklination der Magnet-<lb/>
nadel zu beobachten. Der Chronometer von Louis Berthoud<lb/>
gab jene zu 18° 33&#x2032; 10&#x2033; an. Die&#x017F;e Be&#x017F;timmung weicht um<lb/>
3 bis 4 Bogenminuten von derjenigen ab, die &#x017F;ich aus den<lb/>
alten Beobachtungen von Fleurieu, Pingr<hi rendition="#aq">é</hi>, Borda, Vancouver<lb/>
und La Peyrou&#x017F;e ergibt. Guenot hatte übrigens gleichfalls<lb/>
18° 33&#x2032; 36&#x2033; gefunden und der unglückliche Kapitän Blight<lb/>
18° 34&#x2032; 30&#x2033;. Die Genauigkeit meines Ergebni&#x017F;&#x017F;es wurde<lb/>
drei Jahre darauf bei der Expedition des Ritters Kru&#x017F;en&#x017F;tern<lb/>
be&#x017F;tätigt; man fand für Santa Cruz 16° 12&#x2032; 45&#x2033; we&#x017F;tlich von<lb/>
Greenwich, folglich 18° 33&#x2032; 0&#x2033; we&#x017F;tlich von Paris. Die&#x017F;e<lb/>
Angaben zeigen, daß die Längen, welche Kapitän Cook für<lb/>
Tenerifa und das Kap der guten Hoffnung annahm, viel zu<lb/>
weit we&#x017F;tlich &#x017F;ind. Der&#x017F;elbe Seefahrer hatte im Jahre 1799<lb/>
die magneti&#x017F;che Inklination gleich 61° 52&#x2032; gefunden. Bon-<lb/>
pland und ich fanden 62° 24&#x2032;, was mit dem Re&#x017F;ultat über-<lb/>
ein&#x017F;timmt, das de Ro&#x017F;&#x017F;el bei d&#x2019;Entreca&#x017F;teaux&#x2019; Expedition im<lb/>
Jahre 1791 erhielt. Die Deklination der Nadel &#x017F;chwankt um<lb/>
mehrere Grade, je nachdem man &#x017F;ie auf dem Hafendamm oder<lb/>
an ver&#x017F;chiedenen Punkten nordwärts längs des Ge&#x017F;tades beob-<lb/>
achtet. Die&#x017F;e Schwankungen können an einem von vulkani-<lb/>
&#x017F;chem Ge&#x017F;tein umgebenen Orte nicht befremden. Ich habe mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0074] nung erklärt ſich ohne Zweifel daraus, daß er weſtwärts von einem großen Feſtlande und ganz iſoliert im Meere liegt. Die Schiffer wiſſen recht gut, daß ſelbſt die kleinſten, niedrigſten Eilande die Wolken anziehen und feſthalten. Ueberdies er- folgt die Wärmeabnahme über den Ebenen Afrikas und über der Meeresfläche in verſchiedenem Verhältnis, und die Luft- ſchichten, welche die Paſſatwinde herführen, kühlen ſich immer mehr ab, je weiter ſie gegen Weſt gelangen. Die Luft, die über dem heißen Wüſtenſande ausnehmend trocken war, ſchwängert ſich raſch, ſobald ſie mit der Meeresfläche oder mit der Luft, die auf dieſer Fläche ruht, in Berührung kommt. Man ſieht alſo leicht, warum die Dünſte in Luftſchichten ſicht- bar werden, die, vom Feſtland weggeführt, nicht mehr die Temperatur haben, bei der ſie ſich mit Waſſer geſättigt hatten. Zudem hält die bedeutende Maſſe eines frei aus dem Atlanti- ſchen Meere aufſteigenden Berges die Wolken auf, welche der Wind der hohen See zutreibt. Lange und mit Ungeduld warteten wir auf die Erlaub- nis von ſeiten des Statthalters, ans Land gehen zu dürfen. Ich nutzte die Zeit, um die Länge des Hafendammes von Santa Cruz zu beſtimmen und die Inklination der Magnet- nadel zu beobachten. Der Chronometer von Louis Berthoud gab jene zu 18° 33′ 10″ an. Dieſe Beſtimmung weicht um 3 bis 4 Bogenminuten von derjenigen ab, die ſich aus den alten Beobachtungen von Fleurieu, Pingré, Borda, Vancouver und La Peyrouſe ergibt. Guenot hatte übrigens gleichfalls 18° 33′ 36″ gefunden und der unglückliche Kapitän Blight 18° 34′ 30″. Die Genauigkeit meines Ergebniſſes wurde drei Jahre darauf bei der Expedition des Ritters Kruſenſtern beſtätigt; man fand für Santa Cruz 16° 12′ 45″ weſtlich von Greenwich, folglich 18° 33′ 0″ weſtlich von Paris. Dieſe Angaben zeigen, daß die Längen, welche Kapitän Cook für Tenerifa und das Kap der guten Hoffnung annahm, viel zu weit weſtlich ſind. Derſelbe Seefahrer hatte im Jahre 1799 die magnetiſche Inklination gleich 61° 52′ gefunden. Bon- pland und ich fanden 62° 24′, was mit dem Reſultat über- einſtimmt, das de Roſſel bei d’Entrecaſteaux’ Expedition im Jahre 1791 erhielt. Die Deklination der Nadel ſchwankt um mehrere Grade, je nachdem man ſie auf dem Hafendamm oder an verſchiedenen Punkten nordwärts längs des Geſtades beob- achtet. Dieſe Schwankungen können an einem von vulkani- ſchem Geſtein umgebenen Orte nicht befremden. Ich habe mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/74
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/74>, abgerufen am 21.11.2024.