ein und häufen sich dafür westwärts auf unberührtem, erst kürzlich urbar gemachtem Boden. Die Provinz Neuandalusien allein erzeugte im Jahre 1799 18000 bis 20000 Fanegas Kakao (zu 40 Piastern die Fanega in Friedenszeiten), wovon 5000 nach der Insel Trinidad geschmuggelt wurden. Der Kakao von Cumana ist ohne allen Vergleich besser als der von Guayaquil.
Die in Cariaco herrschenden Fieber nötigten uns zu unserem Bedauern, unseren Aufenthalt daselbst abzukürzen. Da wir noch nicht recht akklimatisiert waren, so rieten uns selbst die Kolonisten, an die wir empfohlen waren, uns auf den Weg zu machen. Wir lernten in der Stadt viele Leute kennen, die durch eine gewisse Leichtigkeit des Benehmens, durch umfassenderen Ideenkreis und, darf ich hinzusetzen, durch entschiedene Vorliebe für die Regierungsform der Vereinigten Staaten verrieten, daß sie viel mit dem Auslande in Verkehr gestanden. Hier hörten wir zum erstenmal in diesem Himmels- striche die Namen Franklin und Washington mit Begeisterung aussprechen. Neben dem Ausdrucke dieser Begeisterung be- kamen wir Klagen zu hören über den gegenwärtigen Zustand von Neuandalusien, Schilderungen, oft übertriebene, des natür- lichen Reichtumes des Landes, leidenschaftliche, ungeduldige Wünsche für eine bessere Zukunft. Diese Stimmung mußte einem Reisenden auffallen, der unmittelbarer Zeuge der großen politischen Erschütterungen in Europa gewesen war. Noch gab sich darin nichts Feindseliges, Gewaltsames, keine bestimmte Richtung zu erkennen. Gedanken und Ausdruck hatten die Unsicherheit, die, bei den Völkern wie beim einzelnen, als ein Merkmal der halben Bildung, der voreilig sich entwickelnden Kultur erscheint. Seit die Insel Trinidad eine englische Kolonie geworden ist, hat das ganze östliche Ende der Provinz Cumana, zumal die Küste von Paria und der Meerbusen dieses Namens ein ganz anderes Gesicht bekommen. Fremde haben sich da niedergelassen und den Bau des Kaffeebaumes, des Baumwollenstrauches, des tahitischen Zuckerrohres ein- geführt. In Carupano, im schönen Thale des Rio Caribe, in Guire und im neuen Flecken Punta de Pietro gegenüber dem Puerto d'Espanna auf Trinidad hat die Bevölkerung sehr stark zugenommen. Im Golfo triste ist der Boden so frucht- bar, daß der Mais jährlich zwei Ernten und das 380. Korn gibt. Die Vereinzelung der Niederlassungen hat dem Handel mit fremden Kolonieen Vorschub geleistet, und seit dem Jahre
ein und häufen ſich dafür weſtwärts auf unberührtem, erſt kürzlich urbar gemachtem Boden. Die Provinz Neuandaluſien allein erzeugte im Jahre 1799 18000 bis 20000 Fanegas Kakao (zu 40 Piaſtern die Fanega in Friedenszeiten), wovon 5000 nach der Inſel Trinidad geſchmuggelt wurden. Der Kakao von Cumana iſt ohne allen Vergleich beſſer als der von Guayaquil.
Die in Cariaco herrſchenden Fieber nötigten uns zu unſerem Bedauern, unſeren Aufenthalt daſelbſt abzukürzen. Da wir noch nicht recht akklimatiſiert waren, ſo rieten uns ſelbſt die Koloniſten, an die wir empfohlen waren, uns auf den Weg zu machen. Wir lernten in der Stadt viele Leute kennen, die durch eine gewiſſe Leichtigkeit des Benehmens, durch umfaſſenderen Ideenkreis und, darf ich hinzuſetzen, durch entſchiedene Vorliebe für die Regierungsform der Vereinigten Staaten verrieten, daß ſie viel mit dem Auslande in Verkehr geſtanden. Hier hörten wir zum erſtenmal in dieſem Himmels- ſtriche die Namen Franklin und Waſhington mit Begeiſterung ausſprechen. Neben dem Ausdrucke dieſer Begeiſterung be- kamen wir Klagen zu hören über den gegenwärtigen Zuſtand von Neuandaluſien, Schilderungen, oft übertriebene, des natür- lichen Reichtumes des Landes, leidenſchaftliche, ungeduldige Wünſche für eine beſſere Zukunft. Dieſe Stimmung mußte einem Reiſenden auffallen, der unmittelbarer Zeuge der großen politiſchen Erſchütterungen in Europa geweſen war. Noch gab ſich darin nichts Feindſeliges, Gewaltſames, keine beſtimmte Richtung zu erkennen. Gedanken und Ausdruck hatten die Unſicherheit, die, bei den Völkern wie beim einzelnen, als ein Merkmal der halben Bildung, der voreilig ſich entwickelnden Kultur erſcheint. Seit die Inſel Trinidad eine engliſche Kolonie geworden iſt, hat das ganze öſtliche Ende der Provinz Cumana, zumal die Küſte von Paria und der Meerbuſen dieſes Namens ein ganz anderes Geſicht bekommen. Fremde haben ſich da niedergelaſſen und den Bau des Kaffeebaumes, des Baumwollenſtrauches, des tahitiſchen Zuckerrohres ein- geführt. In Carupano, im ſchönen Thale des Rio Caribe, in Guire und im neuen Flecken Punta de Pietro gegenüber dem Puerto d’Eſpaña auf Trinidad hat die Bevölkerung ſehr ſtark zugenommen. Im Golfo triste iſt der Boden ſo frucht- bar, daß der Mais jährlich zwei Ernten und das 380. Korn gibt. Die Vereinzelung der Niederlaſſungen hat dem Handel mit fremden Kolonieen Vorſchub geleiſtet, und ſeit dem Jahre
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ein und häufen ſich dafür weſtwärts auf unberührtem, erſt
kürzlich urbar gemachtem Boden. Die Provinz Neuandaluſien
allein erzeugte im Jahre 1799 18000 bis 20000 Fanegas
Kakao (zu 40 Piaſtern die Fanega in Friedenszeiten), wovon
5000 nach der Inſel Trinidad geſchmuggelt wurden. Der
Kakao von Cumana iſt ohne allen Vergleich beſſer als der von
Guayaquil.
Die in Cariaco herrſchenden Fieber nötigten uns zu
unſerem Bedauern, unſeren Aufenthalt daſelbſt abzukürzen.
Da wir noch nicht recht akklimatiſiert waren, ſo rieten uns
ſelbſt die Koloniſten, an die wir empfohlen waren, uns auf
den Weg zu machen. Wir lernten in der Stadt viele Leute
kennen, die durch eine gewiſſe Leichtigkeit des Benehmens,
durch umfaſſenderen Ideenkreis und, darf ich hinzuſetzen, durch
entſchiedene Vorliebe für die Regierungsform der Vereinigten
Staaten verrieten, daß ſie viel mit dem Auslande in Verkehr
geſtanden. Hier hörten wir zum erſtenmal in dieſem Himmels-
ſtriche die Namen Franklin und Waſhington mit Begeiſterung
ausſprechen. Neben dem Ausdrucke dieſer Begeiſterung be-
kamen wir Klagen zu hören über den gegenwärtigen Zuſtand
von Neuandaluſien, Schilderungen, oft übertriebene, des natür-
lichen Reichtumes des Landes, leidenſchaftliche, ungeduldige
Wünſche für eine beſſere Zukunft. Dieſe Stimmung mußte
einem Reiſenden auffallen, der unmittelbarer Zeuge der großen
politiſchen Erſchütterungen in Europa geweſen war. Noch gab
ſich darin nichts Feindſeliges, Gewaltſames, keine beſtimmte
Richtung zu erkennen. Gedanken und Ausdruck hatten die
Unſicherheit, die, bei den Völkern wie beim einzelnen, als ein
Merkmal der halben Bildung, der voreilig ſich entwickelnden
Kultur erſcheint. Seit die Inſel Trinidad eine engliſche
Kolonie geworden iſt, hat das ganze öſtliche Ende der Provinz
Cumana, zumal die Küſte von Paria und der Meerbuſen
dieſes Namens ein ganz anderes Geſicht bekommen. Fremde
haben ſich da niedergelaſſen und den Bau des Kaffeebaumes,
des Baumwollenſtrauches, des tahitiſchen Zuckerrohres ein-
geführt. In Carupano, im ſchönen Thale des Rio Caribe,
in Guire und im neuen Flecken Punta de Pietro gegenüber
dem Puerto d’Eſpaña auf Trinidad hat die Bevölkerung ſehr
ſtark zugenommen. Im Golfo triste iſt der Boden ſo frucht-
bar, daß der Mais jährlich zwei Ernten und das 380. Korn
gibt. Die Vereinzelung der Niederlaſſungen hat dem Handel
mit fremden Kolonieen Vorſchub geleiſtet, und ſeit dem Jahre
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/309>, abgerufen am 16.02.2025.
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