Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Die Missionäre hatten am Eingange der Höhle ein Mahl So viel wir uns auch bei den Einwohnern von Caripe, Die interessanteste Beobachtung, welche der Physiker in 1 Der Megalonyx wurde in den Höhlen von Green-Briar in
Virginien gefunden, 6750 km vom Megatherium, dem er sehr nahe steht und das so groß war wie ein Nashorn. Die Miſſionäre hatten am Eingange der Höhle ein Mahl So viel wir uns auch bei den Einwohnern von Caripe, Die intereſſanteſte Beobachtung, welche der Phyſiker in 1 Der Megalonyx wurde in den Höhlen von Green-Briar in
Virginien gefunden, 6750 km vom Megatherium, dem er ſehr nahe ſteht und das ſo groß war wie ein Nashorn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0288" n="272"/> <p>Die Miſſionäre hatten am Eingange der Höhle ein Mahl<lb/> zurichten laſſen. Piſang- und Vijaoblätter, die ſeidenartig<lb/> glänzen, dienten uns nach Landesſitte als Tiſchtuch. Wir<lb/> wurden trefflich bewirtet, ſogar mit geſchichtlichen Erinnerungen,<lb/> die ſo ſelten ſind in Ländern, wo die Geſchlechter einander<lb/> ablöſten, ohne eine Spur ihres Daſeins zu hinterlaſſen.<lb/> Wohlgefällig erzählten uns unſere Wirte, die erſten Ordens-<lb/> leute, die in dieſe Berge gekommen, um das kleine Dorf<lb/> Santa Maria zu gründen, haben einen Monat lang in der<lb/> Höhle hier gelebt und auf einem Steine bei Fackellicht das<lb/> heilige Meßopfer gefeiert. Die Miſſionäre hatten am ein-<lb/> ſamen Orte Schutz gefunden vor der Verfolgung eines Häupt-<lb/> lings der Tuapocan, der am Ufer des Rio Caripe ſein Lager<lb/> aufgeſchlagen.</p><lb/> <p>So viel wir uns auch bei den Einwohnern von Caripe,<lb/> Cumanacoa und Cariaco erkundigten, wir hörten nie, daß<lb/> man in der Höhle des Guacharo je Knochen von Fleiſch-<lb/> freſſern oder Knochenbreccien mit Pflanzenfreſſern gefunden<lb/> hätte, wie ſie in den Höhlen Deutſchlands und Ungarns oder<lb/> in den Spalten des Kalkſteines bei Gibraltar vorkommen.<lb/> Die foſſilen Knochen der Megatherien, Elefanten und Maſto-<lb/> donten, welche Reiſende aus Südamerika mitgebracht, gehören<lb/> ſämtlich dem aufgeſchwemmten Lande in den Thälern und auf<lb/> hohen Plateaus an. Mit Ausnahme des Megalonyx, <note place="foot" n="1">Der Megalonyx wurde in den Höhlen von Green-Briar in<lb/> Virginien gefunden, 6750 <hi rendition="#aq">km</hi> vom Megatherium, dem er ſehr nahe<lb/> ſteht und das ſo groß war wie ein Nashorn.</note> eines<lb/> Faultieres von der Größe eines Ochſen, das Jefferſon be-<lb/> ſchrieben, kenne ich bis jetzt auch nicht <hi rendition="#g">einen</hi> Fall, daß in<lb/> einer Höhle der Neuen Welt ein Tierſkelett gefunden worden<lb/> wäre. Daß dieſe zoologiſche Erſcheinung hier ſo ausnehmend<lb/> ſelten iſt, erſcheint weniger auffallend, wenn man bedenkt,<lb/> daß es in Frankreich, England und Italien auch eine Menge<lb/> Höhlen gibt, in denen man nie eine Spur von foſſilen Knochen<lb/> entdeckt hat.</p><lb/> <p>Die intereſſanteſte Beobachtung, welche der Phyſiker in<lb/> den Höhlen anſtellen kann, iſt die genaue Beſtimmung ihrer<lb/> Temperatur. Die Höhle von Caripe liegt ungefähr unter<lb/> 10° 10″ der Breite, alſo mitten im heißen Erdgürtel und<lb/> 986 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Spiegel des Waſſers im Meerbuſen von<lb/> Cariaco. Wir fanden im September die Temperatur der Luft<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0288]
Die Miſſionäre hatten am Eingange der Höhle ein Mahl
zurichten laſſen. Piſang- und Vijaoblätter, die ſeidenartig
glänzen, dienten uns nach Landesſitte als Tiſchtuch. Wir
wurden trefflich bewirtet, ſogar mit geſchichtlichen Erinnerungen,
die ſo ſelten ſind in Ländern, wo die Geſchlechter einander
ablöſten, ohne eine Spur ihres Daſeins zu hinterlaſſen.
Wohlgefällig erzählten uns unſere Wirte, die erſten Ordens-
leute, die in dieſe Berge gekommen, um das kleine Dorf
Santa Maria zu gründen, haben einen Monat lang in der
Höhle hier gelebt und auf einem Steine bei Fackellicht das
heilige Meßopfer gefeiert. Die Miſſionäre hatten am ein-
ſamen Orte Schutz gefunden vor der Verfolgung eines Häupt-
lings der Tuapocan, der am Ufer des Rio Caripe ſein Lager
aufgeſchlagen.
So viel wir uns auch bei den Einwohnern von Caripe,
Cumanacoa und Cariaco erkundigten, wir hörten nie, daß
man in der Höhle des Guacharo je Knochen von Fleiſch-
freſſern oder Knochenbreccien mit Pflanzenfreſſern gefunden
hätte, wie ſie in den Höhlen Deutſchlands und Ungarns oder
in den Spalten des Kalkſteines bei Gibraltar vorkommen.
Die foſſilen Knochen der Megatherien, Elefanten und Maſto-
donten, welche Reiſende aus Südamerika mitgebracht, gehören
ſämtlich dem aufgeſchwemmten Lande in den Thälern und auf
hohen Plateaus an. Mit Ausnahme des Megalonyx, 1 eines
Faultieres von der Größe eines Ochſen, das Jefferſon be-
ſchrieben, kenne ich bis jetzt auch nicht einen Fall, daß in
einer Höhle der Neuen Welt ein Tierſkelett gefunden worden
wäre. Daß dieſe zoologiſche Erſcheinung hier ſo ausnehmend
ſelten iſt, erſcheint weniger auffallend, wenn man bedenkt,
daß es in Frankreich, England und Italien auch eine Menge
Höhlen gibt, in denen man nie eine Spur von foſſilen Knochen
entdeckt hat.
Die intereſſanteſte Beobachtung, welche der Phyſiker in
den Höhlen anſtellen kann, iſt die genaue Beſtimmung ihrer
Temperatur. Die Höhle von Caripe liegt ungefähr unter
10° 10″ der Breite, alſo mitten im heißen Erdgürtel und
986 m über dem Spiegel des Waſſers im Meerbuſen von
Cariaco. Wir fanden im September die Temperatur der Luft
1 Der Megalonyx wurde in den Höhlen von Green-Briar in
Virginien gefunden, 6750 km vom Megatherium, dem er ſehr nahe
ſteht und das ſo groß war wie ein Nashorn.
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