Mittag bis 3 Uhr, wo dann der Thermometer auf 26 bis 27° steht. Zur Zeit der größten Hitze, etwa zwei Stunden nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian, zog fast regelmäßig ein Gewitter auf, das auch zum Ausbruch kam. Dicke, schwarze, sehr niedrig ziehende Wolken lösten sich in Regen auf; diese Güsse dauerten 2 bis 3 Stunden, und während derselben fiel der Thermometer um 5 bis 6°. Gegen 5 Uhr hörte der Regen ganz auf, die Sonne kam aber bis zum Untergang nicht leicht zum Vorschein und der Hygrometer ging dem Trockenpunkte zu; aber um 8 oder 9 Uhr abends waren wir schon wieder in eine dicke Wolken- schicht gehüllt. Dieser Witterungswechsel erfolgt, wie man uns versicherte, durchaus gesetzmäßig monatelang einen Tag wie den anderen, und doch läßt sich nicht der geringste Luft- zug spüren. Nach vergleichenden Beobachtungen muß ich annehmen, daß es in Cumanacoa bei Nacht um 2 bis 3, bei Tage um 4 bis 5° kühler ist als in Cumana. Diese Unterschiede sind sehr bedeutend, und wenn man statt meteoro- logischer Instrumente nur sein Gefühl befragte, so würde man sie für noch bedeutender halten.
Die Vegetation auf der Ebene um die Stadt ist sehr einförmig, aber infolge der großen Feuchtigkeit der Luft un- gemein frisch. Ihre Haupteigentümlichkeiten sind ein baum- artiges Solanum, das 13 m hoch wird, die Urtica baccifera und eine neue Art der Gattung Guettarda. Der Boden ist sehr fruchtbar und er wäre auch leicht zu bewässern, wenn man von den vielen Bächen, deren Quellen das ganze Jahr nicht versiegen, Kanäle zöge. Das wichtigste Erzeugnis ist der Tabak, und nur diesem verdankt es die kleine, schlecht gebaute Stadt, wenn sie einen gewissen Ruf hat. Seit der Einführung der Pacht (Estanco real de Tabaco) im Jahre 1779 ist der Tabaksbau in der Provinz Cumana fast ganz auf Cumanacoa beschränkt, wie er in Mexiko nur in den zwei Distrikten Orizaba und Cordova gestattet ist. Das Pacht- system ist ein beim Volke äußerst verhaßtes Monopol. Die ganze Tabaksernte muß an die Regierung verkauft werden, und um dem Schmuggel zu steuern, oder vielmehr nur ihn einzuschränken, ließ man geradezu nur an einem Punkte Tabak bauen. Aufseher streifen durch das Land; sie zerstören jede Anpflanzung, die sie außerhalb der zum Bau angewiesenen Distrikte finden, und geben die Unglücklichen an, die es wagen, selbstgemachte Cigarren zu rauchen. Diese Aufseher sind meist
Mittag bis 3 Uhr, wo dann der Thermometer auf 26 bis 27° ſteht. Zur Zeit der größten Hitze, etwa zwei Stunden nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian, zog faſt regelmäßig ein Gewitter auf, das auch zum Ausbruch kam. Dicke, ſchwarze, ſehr niedrig ziehende Wolken löſten ſich in Regen auf; dieſe Güſſe dauerten 2 bis 3 Stunden, und während derſelben fiel der Thermometer um 5 bis 6°. Gegen 5 Uhr hörte der Regen ganz auf, die Sonne kam aber bis zum Untergang nicht leicht zum Vorſchein und der Hygrometer ging dem Trockenpunkte zu; aber um 8 oder 9 Uhr abends waren wir ſchon wieder in eine dicke Wolken- ſchicht gehüllt. Dieſer Witterungswechſel erfolgt, wie man uns verſicherte, durchaus geſetzmäßig monatelang einen Tag wie den anderen, und doch läßt ſich nicht der geringſte Luft- zug ſpüren. Nach vergleichenden Beobachtungen muß ich annehmen, daß es in Cumanacoa bei Nacht um 2 bis 3, bei Tage um 4 bis 5° kühler iſt als in Cumana. Dieſe Unterſchiede ſind ſehr bedeutend, und wenn man ſtatt meteoro- logiſcher Inſtrumente nur ſein Gefühl befragte, ſo würde man ſie für noch bedeutender halten.
Die Vegetation auf der Ebene um die Stadt iſt ſehr einförmig, aber infolge der großen Feuchtigkeit der Luft un- gemein friſch. Ihre Haupteigentümlichkeiten ſind ein baum- artiges Solanum, das 13 m hoch wird, die Urtica baccifera und eine neue Art der Gattung Guettarda. Der Boden iſt ſehr fruchtbar und er wäre auch leicht zu bewäſſern, wenn man von den vielen Bächen, deren Quellen das ganze Jahr nicht verſiegen, Kanäle zöge. Das wichtigſte Erzeugnis iſt der Tabak, und nur dieſem verdankt es die kleine, ſchlecht gebaute Stadt, wenn ſie einen gewiſſen Ruf hat. Seit der Einführung der Pacht (Estanco real de Tabaco) im Jahre 1779 iſt der Tabaksbau in der Provinz Cumana faſt ganz auf Cumanacoa beſchränkt, wie er in Mexiko nur in den zwei Diſtrikten Orizaba und Cordova geſtattet iſt. Das Pacht- ſyſtem iſt ein beim Volke äußerſt verhaßtes Monopol. Die ganze Tabaksernte muß an die Regierung verkauft werden, und um dem Schmuggel zu ſteuern, oder vielmehr nur ihn einzuſchränken, ließ man geradezu nur an einem Punkte Tabak bauen. Aufſeher ſtreifen durch das Land; ſie zerſtören jede Anpflanzung, die ſie außerhalb der zum Bau angewieſenen Diſtrikte finden, und geben die Unglücklichen an, die es wagen, ſelbſtgemachte Cigarren zu rauchen. Dieſe Aufſeher ſind meiſt
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Mittag bis 3 Uhr, wo dann der Thermometer auf 26 bis
27° ſteht. Zur Zeit der größten Hitze, etwa zwei Stunden
nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian, zog
faſt regelmäßig ein Gewitter auf, das auch zum Ausbruch
kam. Dicke, ſchwarze, ſehr niedrig ziehende Wolken löſten
ſich in Regen auf; dieſe Güſſe dauerten 2 bis 3 Stunden,
und während derſelben fiel der Thermometer um 5 bis 6°.
Gegen 5 Uhr hörte der Regen ganz auf, die Sonne kam
aber bis zum Untergang nicht leicht zum Vorſchein und der
Hygrometer ging dem Trockenpunkte zu; aber um 8 oder
9 Uhr abends waren wir ſchon wieder in eine dicke Wolken-
ſchicht gehüllt. Dieſer Witterungswechſel erfolgt, wie man
uns verſicherte, durchaus geſetzmäßig monatelang einen Tag
wie den anderen, und doch läßt ſich nicht der geringſte Luft-
zug ſpüren. Nach vergleichenden Beobachtungen muß ich
annehmen, daß es in Cumanacoa bei Nacht um 2 bis 3,
bei Tage um 4 bis 5° kühler iſt als in Cumana. Dieſe
Unterſchiede ſind ſehr bedeutend, und wenn man ſtatt meteoro-
logiſcher Inſtrumente nur ſein Gefühl befragte, ſo würde man
ſie für noch bedeutender halten.
Die Vegetation auf der Ebene um die Stadt iſt ſehr
einförmig, aber infolge der großen Feuchtigkeit der Luft un-
gemein friſch. Ihre Haupteigentümlichkeiten ſind ein baum-
artiges Solanum, das 13 m hoch wird, die Urtica baccifera
und eine neue Art der Gattung Guettarda. Der Boden iſt
ſehr fruchtbar und er wäre auch leicht zu bewäſſern, wenn
man von den vielen Bächen, deren Quellen das ganze Jahr
nicht verſiegen, Kanäle zöge. Das wichtigſte Erzeugnis iſt
der Tabak, und nur dieſem verdankt es die kleine, ſchlecht
gebaute Stadt, wenn ſie einen gewiſſen Ruf hat. Seit der
Einführung der Pacht (Estanco real de Tabaco) im Jahre
1779 iſt der Tabaksbau in der Provinz Cumana faſt ganz
auf Cumanacoa beſchränkt, wie er in Mexiko nur in den zwei
Diſtrikten Orizaba und Cordova geſtattet iſt. Das Pacht-
ſyſtem iſt ein beim Volke äußerſt verhaßtes Monopol. Die
ganze Tabaksernte muß an die Regierung verkauft werden,
und um dem Schmuggel zu ſteuern, oder vielmehr nur ihn
einzuſchränken, ließ man geradezu nur an einem Punkte
Tabak bauen. Aufſeher ſtreifen durch das Land; ſie zerſtören
jede Anpflanzung, die ſie außerhalb der zum Bau angewieſenen
Diſtrikte finden, und geben die Unglücklichen an, die es wagen,
ſelbſtgemachte Cigarren zu rauchen. Dieſe Aufſeher ſind meiſt
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/251>, abgerufen am 16.02.2025.
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