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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Unterschied in der mittleren Temperatur von 1 bis 11/2°
verursachen; wir werden aber bald sehen, daß derselbe über
4° beträgt. Dieses kühle Klima fällt um so mehr auf, da
es noch in der Stadt Cartago, in Tomependa am Ufer des
Amazonenstromes und in den Thälern von Aragua, westwärts
von Caracas, sehr heiß ist, lauter Orte, die in 390 bis 935 m
absoluter Meereshöhe liegen. In der Ebene wie im Gebirge
laufen die Linien gleicher Wärme (Isothermen) nicht immer
dem Aequator oder der Erdoberfläche parallel, und darin
besteht eben die große Aufgabe der Meteorologie, den Lauf
dieser Linien zu ermitteln und durch alle von örtlichen Ur-
sachen bedingte Abweichungen hierdurch die konstanten Gesetze
der Wärmeverteilung zu erfassen.

Der Hafen von Cumana liegt von Cumanacoa nur etwa
11,5 km. Am ersteren Orte regnet es fast nie, während
an letzterem die Regenzeit 6 bis 7 Monate dauert. Die
trockene Jahreszeit währt in Cumanacoa von der Winter-
bis zur Sommer-Tag- und Nachtgleiche. Strichregen sind
im April, Mai und Juni ziemlich häufig; später wird es
wieder sehr trocken, vom Sommersolstitium bis Ende August;
nunmehr tritt die eigentliche Regenzeit ein, die bis zum
November anhält und in der das Wasser in Strömen vom
Himmel gießt. Nach der Breite von Cumanacoa geht die
Sonne das eine Mal am 16. April, das andere Mal am 27. August
durch den Zenith, und aus dem eben Angeführten geht her-
vor, daß diese beiden Durchgänge mit dem Eintreten der
großen Regenniederschläge und der starken elektrischen Ent-
ladungen zusammenfallen.

Unser erster Aufenthalt in den Missionen fiel in die
Regenzeit. Jede Nacht war der Himmel mit schweren Wolken
wie mit einem dichten Schleier umzogen, und nur durch Ritzen
im Gewölk konnte ich ein paar Sternbeobachtungen anstellen.
Der Thermometer stand auf 18,5 bis 20°, und dies ist in
der heißen Zone und für das Gefühl des Reisenden, der von
der Küste herkommt, bedeutend kühl. In Cumana sah ich
die Temperatur bei Nacht niemals unter 21° sinken. Der
Delucsche Hygrometer zeigte in Cumanacoa 85°, und, was
auffallend ist, sobald das Gewölk sich zerstreute und die
Sterne in ihrer ganzen Pracht leuchteten, ging das Instru-
ment auf 55° zurück. Gegen Morgen nahm die Temperatur
wegen der starken Verdunstung nur langsam zu und noch um
10 Uhr war sie nicht über 21°. Am heißesten ist es von

Unterſchied in der mittleren Temperatur von 1 bis 1½°
verurſachen; wir werden aber bald ſehen, daß derſelbe über
4° beträgt. Dieſes kühle Klima fällt um ſo mehr auf, da
es noch in der Stadt Cartago, in Tomependa am Ufer des
Amazonenſtromes und in den Thälern von Aragua, weſtwärts
von Caracas, ſehr heiß iſt, lauter Orte, die in 390 bis 935 m
abſoluter Meereshöhe liegen. In der Ebene wie im Gebirge
laufen die Linien gleicher Wärme (Iſothermen) nicht immer
dem Aequator oder der Erdoberfläche parallel, und darin
beſteht eben die große Aufgabe der Meteorologie, den Lauf
dieſer Linien zu ermitteln und durch alle von örtlichen Ur-
ſachen bedingte Abweichungen hierdurch die konſtanten Geſetze
der Wärmeverteilung zu erfaſſen.

Der Hafen von Cumana liegt von Cumanacoa nur etwa
11,5 km. Am erſteren Orte regnet es faſt nie, während
an letzterem die Regenzeit 6 bis 7 Monate dauert. Die
trockene Jahreszeit währt in Cumanacoa von der Winter-
bis zur Sommer-Tag- und Nachtgleiche. Strichregen ſind
im April, Mai und Juni ziemlich häufig; ſpäter wird es
wieder ſehr trocken, vom Sommerſolſtitium bis Ende Auguſt;
nunmehr tritt die eigentliche Regenzeit ein, die bis zum
November anhält und in der das Waſſer in Strömen vom
Himmel gießt. Nach der Breite von Cumanacoa geht die
Sonne das eine Mal am 16. April, das andere Mal am 27. Auguſt
durch den Zenith, und aus dem eben Angeführten geht her-
vor, daß dieſe beiden Durchgänge mit dem Eintreten der
großen Regenniederſchläge und der ſtarken elektriſchen Ent-
ladungen zuſammenfallen.

Unſer erſter Aufenthalt in den Miſſionen fiel in die
Regenzeit. Jede Nacht war der Himmel mit ſchweren Wolken
wie mit einem dichten Schleier umzogen, und nur durch Ritzen
im Gewölk konnte ich ein paar Sternbeobachtungen anſtellen.
Der Thermometer ſtand auf 18,5 bis 20°, und dies iſt in
der heißen Zone und für das Gefühl des Reiſenden, der von
der Küſte herkommt, bedeutend kühl. In Cumana ſah ich
die Temperatur bei Nacht niemals unter 21° ſinken. Der
Delucſche Hygrometer zeigte in Cumanacoa 85°, und, was
auffallend iſt, ſobald das Gewölk ſich zerſtreute und die
Sterne in ihrer ganzen Pracht leuchteten, ging das Inſtru-
ment auf 55° zurück. Gegen Morgen nahm die Temperatur
wegen der ſtarken Verdunſtung nur langſam zu und noch um
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[234/0250] Unterſchied in der mittleren Temperatur von 1 bis 1½° verurſachen; wir werden aber bald ſehen, daß derſelbe über 4° beträgt. Dieſes kühle Klima fällt um ſo mehr auf, da es noch in der Stadt Cartago, in Tomependa am Ufer des Amazonenſtromes und in den Thälern von Aragua, weſtwärts von Caracas, ſehr heiß iſt, lauter Orte, die in 390 bis 935 m abſoluter Meereshöhe liegen. In der Ebene wie im Gebirge laufen die Linien gleicher Wärme (Iſothermen) nicht immer dem Aequator oder der Erdoberfläche parallel, und darin beſteht eben die große Aufgabe der Meteorologie, den Lauf dieſer Linien zu ermitteln und durch alle von örtlichen Ur- ſachen bedingte Abweichungen hierdurch die konſtanten Geſetze der Wärmeverteilung zu erfaſſen. Der Hafen von Cumana liegt von Cumanacoa nur etwa 11,5 km. Am erſteren Orte regnet es faſt nie, während an letzterem die Regenzeit 6 bis 7 Monate dauert. Die trockene Jahreszeit währt in Cumanacoa von der Winter- bis zur Sommer-Tag- und Nachtgleiche. Strichregen ſind im April, Mai und Juni ziemlich häufig; ſpäter wird es wieder ſehr trocken, vom Sommerſolſtitium bis Ende Auguſt; nunmehr tritt die eigentliche Regenzeit ein, die bis zum November anhält und in der das Waſſer in Strömen vom Himmel gießt. Nach der Breite von Cumanacoa geht die Sonne das eine Mal am 16. April, das andere Mal am 27. Auguſt durch den Zenith, und aus dem eben Angeführten geht her- vor, daß dieſe beiden Durchgänge mit dem Eintreten der großen Regenniederſchläge und der ſtarken elektriſchen Ent- ladungen zuſammenfallen. Unſer erſter Aufenthalt in den Miſſionen fiel in die Regenzeit. Jede Nacht war der Himmel mit ſchweren Wolken wie mit einem dichten Schleier umzogen, und nur durch Ritzen im Gewölk konnte ich ein paar Sternbeobachtungen anſtellen. Der Thermometer ſtand auf 18,5 bis 20°, und dies iſt in der heißen Zone und für das Gefühl des Reiſenden, der von der Küſte herkommt, bedeutend kühl. In Cumana ſah ich die Temperatur bei Nacht niemals unter 21° ſinken. Der Delucſche Hygrometer zeigte in Cumanacoa 85°, und, was auffallend iſt, ſobald das Gewölk ſich zerſtreute und die Sterne in ihrer ganzen Pracht leuchteten, ging das Inſtru- ment auf 55° zurück. Gegen Morgen nahm die Temperatur wegen der ſtarken Verdunſtung nur langſam zu und noch um 10 Uhr war ſie nicht über 21°. Am heißeſten iſt es von

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/250>, abgerufen am 29.03.2024.