schildern, was ich beim Anblick des Schiffes empfand, das Commerson auf die Inseln der Südsee gebracht. Es gibt Stimmungen, in denen sich ein Schmerzgefühl in alle unsere Empfindungen mischt.
Wir hielten immer noch am Gedanken fest, uns an die afrikanische Küste zu begeben, und dieser zähe Entschluß wäre uns beinahe verderblich geworden. Im Hafen von Marseille lag zur Zeit ein kleines ragusanisches Fahrzeug, bereit nach Tunis unter Segel zu gehen. Dies schien uns eine günstige Gelegenheit; wir kamen ja auf diese Weise in die Nähe von Aegypten und Syrien. Wir wurden mit dem Kapitän wegen des Ueberfahrtspreises einig; am folgenden Tage sollten wir unter Segel gehen, aber die Abreise verzögerte sich glücklicher- weise durch einen an sich ganz unbedeutenden Umstand. Das Vieh, das uns als Proviant auf der Ueberfahrt dienen sollte, war in der großen Kajütte untergebracht. Wir verlangten, daß zur Bequemlichkeit der Reisenden und zur sicheren Unter- bringung unserer Instrumente das Notwendigste vorgekehrt werde. Allermittelst erfuhr man in Marseille, daß die tune- sische Regierung die in der Berberei niedergelassenen Franzosen verfolge, und daß alle aus französischen Häfen ankommenden Personen ins Gefängnis geworfen würden. Durch diese Kunde entgingen wir einer großen Gefahr; wir mußten die Aus- führung unserer Pläne verschieben und entschlossen uns, den Winter in Spanien zuzubringen, in der Hoffnung, uns im nächsten Frühjahr, wenn anders die politischen Zustände im Orient es gestatteten, in Cartagena oder in Cadiz einschiffen zu können.
Wir reisten durch Katalonien und das Königreich Valencia nach Madrid. Wir besuchten auf dem Wege die Trümmer Tarragonas und des alten Sagunt, machten von Barcelona aus einen Ausflug auf den Montserrat, dessen hochaufragende Gipfel von Einsiedlern bewohnt sind, und der durch die Kon- traste eines kräftigen Pflanzenwuchses und nackter, öder Fels- massen ein eigentümliches Landschaftsbild bietet. Ich fand Gelegenheit, durch astronomische Rechnung die Lage mehrerer für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte zu bestimmen; ich maß mittels des Barometers die Höhe des Centralplateaus und stellte einige Beobachtungen über die Inklination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft an. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen sind für sich erschienen, und ich verbreite mich hier nicht weiter über die Natur-
ſchildern, was ich beim Anblick des Schiffes empfand, das Commerſon auf die Inſeln der Südſee gebracht. Es gibt Stimmungen, in denen ſich ein Schmerzgefühl in alle unſere Empfindungen miſcht.
Wir hielten immer noch am Gedanken feſt, uns an die afrikaniſche Küſte zu begeben, und dieſer zähe Entſchluß wäre uns beinahe verderblich geworden. Im Hafen von Marſeille lag zur Zeit ein kleines raguſaniſches Fahrzeug, bereit nach Tunis unter Segel zu gehen. Dies ſchien uns eine günſtige Gelegenheit; wir kamen ja auf dieſe Weiſe in die Nähe von Aegypten und Syrien. Wir wurden mit dem Kapitän wegen des Ueberfahrtspreiſes einig; am folgenden Tage ſollten wir unter Segel gehen, aber die Abreiſe verzögerte ſich glücklicher- weiſe durch einen an ſich ganz unbedeutenden Umſtand. Das Vieh, das uns als Proviant auf der Ueberfahrt dienen ſollte, war in der großen Kajütte untergebracht. Wir verlangten, daß zur Bequemlichkeit der Reiſenden und zur ſicheren Unter- bringung unſerer Inſtrumente das Notwendigſte vorgekehrt werde. Allermittelſt erfuhr man in Marſeille, daß die tune- ſiſche Regierung die in der Berberei niedergelaſſenen Franzoſen verfolge, und daß alle aus franzöſiſchen Häfen ankommenden Perſonen ins Gefängnis geworfen würden. Durch dieſe Kunde entgingen wir einer großen Gefahr; wir mußten die Aus- führung unſerer Pläne verſchieben und entſchloſſen uns, den Winter in Spanien zuzubringen, in der Hoffnung, uns im nächſten Frühjahr, wenn anders die politiſchen Zuſtände im Orient es geſtatteten, in Cartagena oder in Cadiz einſchiffen zu können.
Wir reiſten durch Katalonien und das Königreich Valencia nach Madrid. Wir beſuchten auf dem Wege die Trümmer Tarragonas und des alten Sagunt, machten von Barcelona aus einen Ausflug auf den Montſerrat, deſſen hochaufragende Gipfel von Einſiedlern bewohnt ſind, und der durch die Kon- traſte eines kräftigen Pflanzenwuchſes und nackter, öder Fels- maſſen ein eigentümliches Landſchaftsbild bietet. Ich fand Gelegenheit, durch aſtronomiſche Rechnung die Lage mehrerer für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte zu beſtimmen; ich maß mittels des Barometers die Höhe des Centralplateaus und ſtellte einige Beobachtungen über die Inklination der Magnetnadel und die Intenſität der magnetiſchen Kraft an. Die Ergebniſſe dieſer Beobachtungen ſind für ſich erſchienen, und ich verbreite mich hier nicht weiter über die Natur-
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ſchildern, was ich beim Anblick des Schiffes empfand, das
Commerſon auf die Inſeln der Südſee gebracht. Es gibt
Stimmungen, in denen ſich ein Schmerzgefühl in alle unſere
Empfindungen miſcht.
Wir hielten immer noch am Gedanken feſt, uns an die
afrikaniſche Küſte zu begeben, und dieſer zähe Entſchluß wäre
uns beinahe verderblich geworden. Im Hafen von Marſeille
lag zur Zeit ein kleines raguſaniſches Fahrzeug, bereit nach
Tunis unter Segel zu gehen. Dies ſchien uns eine günſtige
Gelegenheit; wir kamen ja auf dieſe Weiſe in die Nähe von
Aegypten und Syrien. Wir wurden mit dem Kapitän wegen
des Ueberfahrtspreiſes einig; am folgenden Tage ſollten wir
unter Segel gehen, aber die Abreiſe verzögerte ſich glücklicher-
weiſe durch einen an ſich ganz unbedeutenden Umſtand. Das
Vieh, das uns als Proviant auf der Ueberfahrt dienen ſollte,
war in der großen Kajütte untergebracht. Wir verlangten,
daß zur Bequemlichkeit der Reiſenden und zur ſicheren Unter-
bringung unſerer Inſtrumente das Notwendigſte vorgekehrt
werde. Allermittelſt erfuhr man in Marſeille, daß die tune-
ſiſche Regierung die in der Berberei niedergelaſſenen Franzoſen
verfolge, und daß alle aus franzöſiſchen Häfen ankommenden
Perſonen ins Gefängnis geworfen würden. Durch dieſe Kunde
entgingen wir einer großen Gefahr; wir mußten die Aus-
führung unſerer Pläne verſchieben und entſchloſſen uns, den
Winter in Spanien zuzubringen, in der Hoffnung, uns im
nächſten Frühjahr, wenn anders die politiſchen Zuſtände im
Orient es geſtatteten, in Cartagena oder in Cadiz einſchiffen
zu können.
Wir reiſten durch Katalonien und das Königreich Valencia
nach Madrid. Wir beſuchten auf dem Wege die Trümmer
Tarragonas und des alten Sagunt, machten von Barcelona
aus einen Ausflug auf den Montſerrat, deſſen hochaufragende
Gipfel von Einſiedlern bewohnt ſind, und der durch die Kon-
traſte eines kräftigen Pflanzenwuchſes und nackter, öder Fels-
maſſen ein eigentümliches Landſchaftsbild bietet. Ich fand
Gelegenheit, durch aſtronomiſche Rechnung die Lage mehrerer
für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte zu beſtimmen;
ich maß mittels des Barometers die Höhe des Centralplateaus
und ſtellte einige Beobachtungen über die Inklination der
Magnetnadel und die Intenſität der magnetiſchen Kraft an.
Die Ergebniſſe dieſer Beobachtungen ſind für ſich erſchienen,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/25>, abgerufen am 18.05.2022.
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