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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Die Nacht brachten wir in einem Hause zu, wo ein
Militärposten von acht Mann unter einem spanischen Unter-
offizier liegt. Es ist ein Hospiz, das neben einem Pulver-
magazin liegt und wo der Reisende alle Bequemlichkeit findet.
Dasselbe Kommando bleibt 5 bis 6 Monate lang auf dem
Berge. Man nimmt dazu vorzugsweise Soldaten, die Chacras
oder Pflanzungen in der Gegend haben. Als nach der Ein-
nahme der Insel Trinidad durch die Engländer im Jahre 1797
der Stadt Cumana ein Angriff drohte, flüchteten sich viele
Einwohner nach Cumanacoa und brachten ihre wertvollste
Habe in Schuppen unter, die man in der Eile auf dem Gipfel
des Imposible aufgeschlagen. Man war entschlossen, bei einem
plötzlichen feindlichen Ueberfall nach kurzem Widerstand das
Schloß San Antonio aufzugeben und die ganze Kriegsmacht
der Provinz um den Berg zusammenzuziehen, der als der
Schlüssel der Llanos anzusehen ist. Die kriegerischen Ereig-
nisse, deren Schauplatz nach der seitdem eingetretenen poli-
tischen Umwälzung diese Gegend wurde, haben bewiesen, wie
richtig jener erste Plan berechnet war.

Der Gipfel des Imposible ist, so weit meine Beobachtung
reicht, mit einem quarzigen, versteinerungslosen Sandstein
bedeckt. Die Schichten desselben streichen hier wie auf dem
Rücken der benachbarten Berge ziemlich regelmäßig von Nord-
Nord-Ost nach Süd-Süd-West. Diese Richtung ist auch im
Urgebirge der Halbinsel Araya und längs der Küste von
Venezuela die häufigste. Am nördlichen Abhang des Impo-
sible, bei Pennas Negras, kommt aus dem Sandstein, der mit
Schieferthon wechsellagert, eine starke Quelle zu Tage. Man
sieht an diesem Punkte von Nordwest nach Südost streichende,
zerbrochene, fast senkrecht aufgerichtete Schichten.

Die Llaneros, das heißt die Bewohner der Ebenen, schicken
ihre Produkte, namentlich Mais, Leder und Vieh über den
Imposible in den Hafen von Cumana. Wir sahen rasch hinter-
einander Indianer oder Mulatten mit Maultieren ankommen.
Der einsame Ort erinnerte mich lebhaft an die Nächte, die
ich oben auf dem St. Gotthard zugebracht. Es brannte an
mehreren Stellen in den weiten Waldungen um den Berg.
Die rötlichen, halb in ungeheure Rauchwolken gehüllten Flam-
men gewährten das großartigste Schauspiel. Die Einwohner
zünden die Wälder an, um die Weiden zu verbessern und das
Unterholz zu vertilgen, unter dem das Gras erstickt, das hier-
zulande schon selten genug ist. Häufig entstehen auch un-

Die Nacht brachten wir in einem Hauſe zu, wo ein
Militärpoſten von acht Mann unter einem ſpaniſchen Unter-
offizier liegt. Es iſt ein Hoſpiz, das neben einem Pulver-
magazin liegt und wo der Reiſende alle Bequemlichkeit findet.
Dasſelbe Kommando bleibt 5 bis 6 Monate lang auf dem
Berge. Man nimmt dazu vorzugsweiſe Soldaten, die Chacras
oder Pflanzungen in der Gegend haben. Als nach der Ein-
nahme der Inſel Trinidad durch die Engländer im Jahre 1797
der Stadt Cumana ein Angriff drohte, flüchteten ſich viele
Einwohner nach Cumanacoa und brachten ihre wertvollſte
Habe in Schuppen unter, die man in der Eile auf dem Gipfel
des Impoſible aufgeſchlagen. Man war entſchloſſen, bei einem
plötzlichen feindlichen Ueberfall nach kurzem Widerſtand das
Schloß San Antonio aufzugeben und die ganze Kriegsmacht
der Provinz um den Berg zuſammenzuziehen, der als der
Schlüſſel der Llanos anzuſehen iſt. Die kriegeriſchen Ereig-
niſſe, deren Schauplatz nach der ſeitdem eingetretenen poli-
tiſchen Umwälzung dieſe Gegend wurde, haben bewieſen, wie
richtig jener erſte Plan berechnet war.

Der Gipfel des Impoſible iſt, ſo weit meine Beobachtung
reicht, mit einem quarzigen, verſteinerungsloſen Sandſtein
bedeckt. Die Schichten desſelben ſtreichen hier wie auf dem
Rücken der benachbarten Berge ziemlich regelmäßig von Nord-
Nord-Oſt nach Süd-Süd-Weſt. Dieſe Richtung iſt auch im
Urgebirge der Halbinſel Araya und längs der Küſte von
Venezuela die häufigſte. Am nördlichen Abhang des Impo-
ſible, bei Peñas Negras, kommt aus dem Sandſtein, der mit
Schieferthon wechſellagert, eine ſtarke Quelle zu Tage. Man
ſieht an dieſem Punkte von Nordweſt nach Südoſt ſtreichende,
zerbrochene, faſt ſenkrecht aufgerichtete Schichten.

Die Llaneros, das heißt die Bewohner der Ebenen, ſchicken
ihre Produkte, namentlich Mais, Leder und Vieh über den
Impoſible in den Hafen von Cumana. Wir ſahen raſch hinter-
einander Indianer oder Mulatten mit Maultieren ankommen.
Der einſame Ort erinnerte mich lebhaft an die Nächte, die
ich oben auf dem St. Gotthard zugebracht. Es brannte an
mehreren Stellen in den weiten Waldungen um den Berg.
Die rötlichen, halb in ungeheure Rauchwolken gehüllten Flam-
men gewährten das großartigſte Schauſpiel. Die Einwohner
zünden die Wälder an, um die Weiden zu verbeſſern und das
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[222/0238] Die Nacht brachten wir in einem Hauſe zu, wo ein Militärpoſten von acht Mann unter einem ſpaniſchen Unter- offizier liegt. Es iſt ein Hoſpiz, das neben einem Pulver- magazin liegt und wo der Reiſende alle Bequemlichkeit findet. Dasſelbe Kommando bleibt 5 bis 6 Monate lang auf dem Berge. Man nimmt dazu vorzugsweiſe Soldaten, die Chacras oder Pflanzungen in der Gegend haben. Als nach der Ein- nahme der Inſel Trinidad durch die Engländer im Jahre 1797 der Stadt Cumana ein Angriff drohte, flüchteten ſich viele Einwohner nach Cumanacoa und brachten ihre wertvollſte Habe in Schuppen unter, die man in der Eile auf dem Gipfel des Impoſible aufgeſchlagen. Man war entſchloſſen, bei einem plötzlichen feindlichen Ueberfall nach kurzem Widerſtand das Schloß San Antonio aufzugeben und die ganze Kriegsmacht der Provinz um den Berg zuſammenzuziehen, der als der Schlüſſel der Llanos anzuſehen iſt. Die kriegeriſchen Ereig- niſſe, deren Schauplatz nach der ſeitdem eingetretenen poli- tiſchen Umwälzung dieſe Gegend wurde, haben bewieſen, wie richtig jener erſte Plan berechnet war. Der Gipfel des Impoſible iſt, ſo weit meine Beobachtung reicht, mit einem quarzigen, verſteinerungsloſen Sandſtein bedeckt. Die Schichten desſelben ſtreichen hier wie auf dem Rücken der benachbarten Berge ziemlich regelmäßig von Nord- Nord-Oſt nach Süd-Süd-Weſt. Dieſe Richtung iſt auch im Urgebirge der Halbinſel Araya und längs der Küſte von Venezuela die häufigſte. Am nördlichen Abhang des Impo- ſible, bei Peñas Negras, kommt aus dem Sandſtein, der mit Schieferthon wechſellagert, eine ſtarke Quelle zu Tage. Man ſieht an dieſem Punkte von Nordweſt nach Südoſt ſtreichende, zerbrochene, faſt ſenkrecht aufgerichtete Schichten. Die Llaneros, das heißt die Bewohner der Ebenen, ſchicken ihre Produkte, namentlich Mais, Leder und Vieh über den Impoſible in den Hafen von Cumana. Wir ſahen raſch hinter- einander Indianer oder Mulatten mit Maultieren ankommen. Der einſame Ort erinnerte mich lebhaft an die Nächte, die ich oben auf dem St. Gotthard zugebracht. Es brannte an mehreren Stellen in den weiten Waldungen um den Berg. Die rötlichen, halb in ungeheure Rauchwolken gehüllten Flam- men gewährten das großartigſte Schauſpiel. Die Einwohner zünden die Wälder an, um die Weiden zu verbeſſern und das Unterholz zu vertilgen, unter dem das Gras erſtickt, das hier- zulande ſchon ſelten genug iſt. Häufig entſtehen auch un-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/238>, abgerufen am 24.04.2024.