sprechen, das ich dem braven Manne gab, etwas spät nach und freue mich, dabei bemerken zu können, daß seine Uneigen- nützigkeit ihm nicht gestattete, irgend eine Vergütung anzu- nehmen. An der Perlenküste sieht es allerdings so armselig aus, wie im "Gold- und Diamantenland", in Choco und Brasilien; aber mit dem Elend paart sich hier nicht die zügel- lose Gewinnsucht, wie sie durch Schätze des Mineralreiches erzeugt wird.
Die Perlenmuschel ist auf den Untiefen, die sich vom Kap Paria zum Kap Vela erstrecken, sehr häufig. Die Insel Margarita, Cubagua, Coche, Punta Araya und die Mündung des Rio la Hacha waren im 16. Jahrhundert berühmt, wie im Altertum der Persische Meerbusen und die Insel Ta- probane. 1 Es ist nicht richtig, was mehrere Geschichtschreiber behaupten, daß die Eingeborenen Amerikas die Perlen als Luxusartikel nicht gekannt haben sollen. Die Spanier, die zuerst an Terra Firma landeten, sahen bei den Wilden Hals- und Armbänder, und bei den civilisierten Völkern in Mexiko und Peru waren Perlen von schöner Form ungemein gesucht. Ich habe die Basaltbüste einer mexikanischen Priesterin bekannt gemacht, 2 deren Kopfputz, der auch sonst mit der Calantica der Isisköpfe Aehnlichkeit hat, mit Perlen besetzt ist. Las Casas und Benzoni erzählen, und zwar nicht ohne Ueber- treibung, wie grausam man mit den Indianern und Negern umging, die man zur Perlenfischerei brauchte. In der ersten Zeit der Eroberung lieferte die Insel Coche allein 1500 Mark Perlen monatlich. Der Quint, den die königlichen Beamten vom Ertrag an Perlen erhoben, belief sich auf 15000 Dukaten, nach dem damaligen Wert der Metalle und in Betracht des starken Schmuggels eine sehr bedeutende Summe. Bis zum Jahre 1530 scheint sich der Wert der nach Europa gesendeten Perlen im Jahresdurchschnitt auf mehr als 800000 Piaster belaufen zu haben. Um zu ermessen, von welcher Bedeutung dieser Handelszweig in Sevilla, Toledo, Antwerpen und Genua sein mochte, muß man bedenken, daß zur selben Zeit alle Bergwerke Amerikas nicht zwei Millionen Piaster lieferten
1Strabo Lib. XV. Plinius Lib. IX, c. 35, Lib. XII, c. 18. Solinus, Polyhistor. c. 68; besonders Athenaeus, Deipnosoph. Lib. III, c. 45.
2 Humboldt, Atlas pittoresque Tafel 1 und 2.
ſprechen, das ich dem braven Manne gab, etwas ſpät nach und freue mich, dabei bemerken zu können, daß ſeine Uneigen- nützigkeit ihm nicht geſtattete, irgend eine Vergütung anzu- nehmen. An der Perlenküſte ſieht es allerdings ſo armſelig aus, wie im „Gold- und Diamantenland“, in Choco und Braſilien; aber mit dem Elend paart ſich hier nicht die zügel- loſe Gewinnſucht, wie ſie durch Schätze des Mineralreiches erzeugt wird.
Die Perlenmuſchel iſt auf den Untiefen, die ſich vom Kap Paria zum Kap Vela erſtrecken, ſehr häufig. Die Inſel Margarita, Cubagua, Coche, Punta Araya und die Mündung des Rio la Hacha waren im 16. Jahrhundert berühmt, wie im Altertum der Perſiſche Meerbuſen und die Inſel Ta- probane. 1 Es iſt nicht richtig, was mehrere Geſchichtſchreiber behaupten, daß die Eingeborenen Amerikas die Perlen als Luxusartikel nicht gekannt haben ſollen. Die Spanier, die zuerſt an Terra Firma landeten, ſahen bei den Wilden Hals- und Armbänder, und bei den civiliſierten Völkern in Mexiko und Peru waren Perlen von ſchöner Form ungemein geſucht. Ich habe die Baſaltbüſte einer mexikaniſchen Prieſterin bekannt gemacht, 2 deren Kopfputz, der auch ſonſt mit der Calantica der Iſisköpfe Aehnlichkeit hat, mit Perlen beſetzt iſt. Las Caſas und Benzoni erzählen, und zwar nicht ohne Ueber- treibung, wie grauſam man mit den Indianern und Negern umging, die man zur Perlenfiſcherei brauchte. In der erſten Zeit der Eroberung lieferte die Inſel Coche allein 1500 Mark Perlen monatlich. Der Quint, den die königlichen Beamten vom Ertrag an Perlen erhoben, belief ſich auf 15000 Dukaten, nach dem damaligen Wert der Metalle und in Betracht des ſtarken Schmuggels eine ſehr bedeutende Summe. Bis zum Jahre 1530 ſcheint ſich der Wert der nach Europa geſendeten Perlen im Jahresdurchſchnitt auf mehr als 800000 Piaſter belaufen zu haben. Um zu ermeſſen, von welcher Bedeutung dieſer Handelszweig in Sevilla, Toledo, Antwerpen und Genua ſein mochte, muß man bedenken, daß zur ſelben Zeit alle Bergwerke Amerikas nicht zwei Millionen Piaſter lieferten
1Strabo Lib. XV. Plinius Lib. IX, c. 35, Lib. XII, c. 18. Solinus, Polyhistor. c. 68; beſonders Athenaeus, Deipnosoph. Lib. III, c. 45.
2 Humboldt, Atlas pittoresque Tafel 1 und 2.
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freue mich, dabei bemerken zu können, daß ſeine Uneigen-
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nehmen. An der Perlenküſte ſieht es allerdings ſo armſelig
aus, wie im „Gold- und Diamantenland“, in Choco und
Braſilien; aber mit dem Elend paart ſich hier nicht die zügel-
loſe Gewinnſucht, wie ſie durch Schätze des Mineralreiches
erzeugt wird.
Die Perlenmuſchel iſt auf den Untiefen, die ſich vom
Kap Paria zum Kap Vela erſtrecken, ſehr häufig. Die Inſel
Margarita, Cubagua, Coche, Punta Araya und die Mündung
des Rio la Hacha waren im 16. Jahrhundert berühmt, wie
im Altertum der Perſiſche Meerbuſen und die Inſel Ta-
probane. 1 Es iſt nicht richtig, was mehrere Geſchichtſchreiber
behaupten, daß die Eingeborenen Amerikas die Perlen als
Luxusartikel nicht gekannt haben ſollen. Die Spanier, die
zuerſt an Terra Firma landeten, ſahen bei den Wilden Hals-
und Armbänder, und bei den civiliſierten Völkern in Mexiko
und Peru waren Perlen von ſchöner Form ungemein geſucht.
Ich habe die Baſaltbüſte einer mexikaniſchen Prieſterin bekannt
gemacht, 2 deren Kopfputz, der auch ſonſt mit der Calantica
der Iſisköpfe Aehnlichkeit hat, mit Perlen beſetzt iſt. Las
Caſas und Benzoni erzählen, und zwar nicht ohne Ueber-
treibung, wie grauſam man mit den Indianern und Negern
umging, die man zur Perlenfiſcherei brauchte. In der erſten
Zeit der Eroberung lieferte die Inſel Coche allein 1500 Mark
Perlen monatlich. Der Quint, den die königlichen Beamten
vom Ertrag an Perlen erhoben, belief ſich auf 15000 Dukaten,
nach dem damaligen Wert der Metalle und in Betracht des
ſtarken Schmuggels eine ſehr bedeutende Summe. Bis zum
Jahre 1530 ſcheint ſich der Wert der nach Europa geſendeten
Perlen im Jahresdurchſchnitt auf mehr als 800000 Piaſter
belaufen zu haben. Um zu ermeſſen, von welcher Bedeutung
dieſer Handelszweig in Sevilla, Toledo, Antwerpen und Genua
ſein mochte, muß man bedenken, daß zur ſelben Zeit alle
Bergwerke Amerikas nicht zwei Millionen Piaſter lieferten
1 Strabo Lib. XV. Plinius Lib. IX, c. 35, Lib. XII, c. 18.
Solinus, Polyhistor. c. 68; beſonders Athenaeus, Deipnosoph.
Lib. III, c. 45.
2 Humboldt, Atlas pittoresque Tafel 1 und 2.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/216>, abgerufen am 16.02.2025.
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