Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

und daß die Flotte Ovandos für unermeßlich reich galt, weil
sie gegen 2600 Mark Silber führte.

Die Perlen waren desto gesuchter, da der asiatische Luxus
auf zwei gerade entgegengesetzten Wegen nach Europa ge-
drungen war, von Konstantinopel her, wo die Paläologen
reich mit Perlen gestickte Kleider trugen, und von Granada
her, wo die maurischen Könige saßen, an deren Hof der ganze
asiatische Prunk herrschte. Die ostindischen Perlen waren
geschätzter als die westindischen; indessen kamen doch die letzteren
in der ersten Zeit nach der Entdeckung von Amerika in Menge
in den Handel. In Italien wie in Spanien wurde die Insel
Cubagua das Ziel zahlreicher Handelsunternehmungen. Benzoni
erzählt, was einem gewissen Ludwig Lampagnano begegnete,
dem Karl der Fünfte das Privilegium erteilt hatte, mit fünf
"Caravelen" an die Küste von Cumana zu gehen und Perlen
zu fischen. Die Ansiedler schickten ihn mit der kecken Antwort
heim, der Kaiser gehe mit etwas, das nicht sein gehöre, allzu
freigebig um; es stehe ihm nicht das Recht zu, über Austern
zu verfügen, die auf dem Meeresboden leben.

Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts nahm die Perlen-
fischerei rasch ab, und nach Laets Angabe 1 hatte sie im Jahre
1633 längst aufgehört. Durch den Gewerbfleiß der Venediger,
welche die echten Perlen täuschend nachmachten, und den starken
Gebrauch der geschnittenen Diamanten 2 wurden die Fischereien
in Cubagua weniger einträglich. Zugleich wurden die Perlen-
muscheln seltener, nicht, wie man nach der Volkssage glaubt,
weil die Tiere vom Geräusch der Ruder verscheucht wurden,
sondern weil man im Unverstand die Muscheln zu Tausenden
abgerissen und so ihrer Fortpflanzung Einhalt gethan hatte.
Die Perlenmuschel ist noch von zarterer Konstitution als die
meisten anderen kopflosen Weichtiere. Auf der Insel Ceylon,
wo in der Bucht von Condeatchy die Perlenfischerei sechs-

1 Insularum Cubaguae et Coches quondam magna fuit
dignitas, quum unionum captura floreret, nunc, illa deficiente,
obscura admodum fama. Laet. Nov. Orbis p.
669. Dieser
sorgfältige Kompilator sagt, wo er von der Punta Araya spricht,
weiter, das Land sei dergestalt in Vergessenheit geraten, "ut vix
ulla alia Americae meridionalis pars hodie obscurior sit".
2 Das Schneiden der Diamanten wurde im Jahre 1456 von
Ludwig de Berquen erfunden; in allgemeinen Gebrauch kam es
aber erst im folgenden Jahrhundert.

und daß die Flotte Ovandos für unermeßlich reich galt, weil
ſie gegen 2600 Mark Silber führte.

Die Perlen waren deſto geſuchter, da der aſiatiſche Luxus
auf zwei gerade entgegengeſetzten Wegen nach Europa ge-
drungen war, von Konſtantinopel her, wo die Paläologen
reich mit Perlen geſtickte Kleider trugen, und von Granada
her, wo die mauriſchen Könige ſaßen, an deren Hof der ganze
aſiatiſche Prunk herrſchte. Die oſtindiſchen Perlen waren
geſchätzter als die weſtindiſchen; indeſſen kamen doch die letzteren
in der erſten Zeit nach der Entdeckung von Amerika in Menge
in den Handel. In Italien wie in Spanien wurde die Inſel
Cubagua das Ziel zahlreicher Handelsunternehmungen. Benzoni
erzählt, was einem gewiſſen Ludwig Lampagnano begegnete,
dem Karl der Fünfte das Privilegium erteilt hatte, mit fünf
„Caravelen“ an die Küſte von Cumana zu gehen und Perlen
zu fiſchen. Die Anſiedler ſchickten ihn mit der kecken Antwort
heim, der Kaiſer gehe mit etwas, das nicht ſein gehöre, allzu
freigebig um; es ſtehe ihm nicht das Recht zu, über Auſtern
zu verfügen, die auf dem Meeresboden leben.

Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts nahm die Perlen-
fiſcherei raſch ab, und nach Laets Angabe 1 hatte ſie im Jahre
1633 längſt aufgehört. Durch den Gewerbfleiß der Venediger,
welche die echten Perlen täuſchend nachmachten, und den ſtarken
Gebrauch der geſchnittenen Diamanten 2 wurden die Fiſchereien
in Cubagua weniger einträglich. Zugleich wurden die Perlen-
muſcheln ſeltener, nicht, wie man nach der Volksſage glaubt,
weil die Tiere vom Geräuſch der Ruder verſcheucht wurden,
ſondern weil man im Unverſtand die Muſcheln zu Tauſenden
abgeriſſen und ſo ihrer Fortpflanzung Einhalt gethan hatte.
Die Perlenmuſchel iſt noch von zarterer Konſtitution als die
meiſten anderen kopfloſen Weichtiere. Auf der Inſel Ceylon,
wo in der Bucht von Condeatchy die Perlenfiſcherei ſechs-

1 Insularum Cubaguae et Coches quondam magna fuit
dignitas, quum unionum captura floreret, nunc, illa deficiente,
obscura admodum fama. Laet. Nov. Orbis p.
669. Dieſer
ſorgfältige Kompilator ſagt, wo er von der Punta Araya ſpricht,
weiter, das Land ſei dergeſtalt in Vergeſſenheit geraten, „ut vix
ulla alia Americae meridionalis pars hodie obscurior sit“.
2 Das Schneiden der Diamanten wurde im Jahre 1456 von
Ludwig de Berquen erfunden; in allgemeinen Gebrauch kam es
aber erſt im folgenden Jahrhundert.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="201"/>
und daß die Flotte Ovandos für unermeßlich reich galt, weil<lb/>
&#x017F;ie gegen 2600 Mark Silber führte.</p><lb/>
          <p>Die Perlen waren de&#x017F;to ge&#x017F;uchter, da der a&#x017F;iati&#x017F;che Luxus<lb/>
auf zwei gerade entgegenge&#x017F;etzten Wegen nach Europa ge-<lb/>
drungen war, von Kon&#x017F;tantinopel her, wo die Paläologen<lb/>
reich mit Perlen ge&#x017F;tickte Kleider trugen, und von Granada<lb/>
her, wo die mauri&#x017F;chen Könige &#x017F;aßen, an deren Hof der ganze<lb/>
a&#x017F;iati&#x017F;che Prunk herr&#x017F;chte. Die o&#x017F;tindi&#x017F;chen Perlen waren<lb/>
ge&#x017F;chätzter als die we&#x017F;tindi&#x017F;chen; inde&#x017F;&#x017F;en kamen doch die letzteren<lb/>
in der er&#x017F;ten Zeit nach der Entdeckung von Amerika in Menge<lb/>
in den Handel. In Italien wie in Spanien wurde die In&#x017F;el<lb/>
Cubagua das Ziel zahlreicher Handelsunternehmungen. Benzoni<lb/>
erzählt, was einem gewi&#x017F;&#x017F;en Ludwig Lampagnano begegnete,<lb/>
dem Karl der Fünfte das Privilegium erteilt hatte, mit fünf<lb/>
&#x201E;Caravelen&#x201C; an die Kü&#x017F;te von Cumana zu gehen und Perlen<lb/>
zu fi&#x017F;chen. Die An&#x017F;iedler &#x017F;chickten ihn mit der kecken Antwort<lb/>
heim, der Kai&#x017F;er gehe mit etwas, das nicht &#x017F;ein gehöre, allzu<lb/>
freigebig um; es &#x017F;tehe ihm nicht das Recht zu, über Au&#x017F;tern<lb/>
zu verfügen, die auf dem Meeresboden leben.</p><lb/>
          <p>Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts nahm die Perlen-<lb/>
fi&#x017F;cherei ra&#x017F;ch ab, und nach Laets Angabe <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Insularum Cubaguae et Coches quondam magna fuit<lb/>
dignitas, quum unionum captura floreret, nunc, illa deficiente,<lb/>
obscura admodum fama. Laet. Nov. Orbis p.</hi> 669. Die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;orgfältige Kompilator &#x017F;agt, wo er von der Punta Araya &#x017F;pricht,<lb/>
weiter, das Land &#x017F;ei derge&#x017F;talt in Verge&#x017F;&#x017F;enheit geraten, <hi rendition="#aq">&#x201E;ut vix<lb/>
ulla alia Americae meridionalis pars hodie obscurior sit&#x201C;.</hi></note> hatte &#x017F;ie im Jahre<lb/>
1633 läng&#x017F;t aufgehört. Durch den Gewerbfleiß der Venediger,<lb/>
welche die echten Perlen täu&#x017F;chend nachmachten, und den &#x017F;tarken<lb/>
Gebrauch der ge&#x017F;chnittenen Diamanten <note place="foot" n="2">Das Schneiden der Diamanten wurde im Jahre 1456 von<lb/>
Ludwig de Berquen erfunden; in allgemeinen Gebrauch kam es<lb/>
aber er&#x017F;t im folgenden Jahrhundert.</note> wurden die Fi&#x017F;chereien<lb/>
in Cubagua weniger einträglich. Zugleich wurden die Perlen-<lb/>
mu&#x017F;cheln &#x017F;eltener, nicht, wie man nach der Volks&#x017F;age glaubt,<lb/>
weil die Tiere vom Geräu&#x017F;ch der Ruder ver&#x017F;cheucht wurden,<lb/>
&#x017F;ondern weil man im Unver&#x017F;tand die Mu&#x017F;cheln zu Tau&#x017F;enden<lb/>
abgeri&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;o ihrer Fortpflanzung Einhalt gethan hatte.<lb/>
Die Perlenmu&#x017F;chel i&#x017F;t noch von zarterer Kon&#x017F;titution als die<lb/>
mei&#x017F;ten anderen kopflo&#x017F;en Weichtiere. Auf der In&#x017F;el Ceylon,<lb/>
wo in der Bucht von Condeatchy die Perlenfi&#x017F;cherei &#x017F;echs-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0217] und daß die Flotte Ovandos für unermeßlich reich galt, weil ſie gegen 2600 Mark Silber führte. Die Perlen waren deſto geſuchter, da der aſiatiſche Luxus auf zwei gerade entgegengeſetzten Wegen nach Europa ge- drungen war, von Konſtantinopel her, wo die Paläologen reich mit Perlen geſtickte Kleider trugen, und von Granada her, wo die mauriſchen Könige ſaßen, an deren Hof der ganze aſiatiſche Prunk herrſchte. Die oſtindiſchen Perlen waren geſchätzter als die weſtindiſchen; indeſſen kamen doch die letzteren in der erſten Zeit nach der Entdeckung von Amerika in Menge in den Handel. In Italien wie in Spanien wurde die Inſel Cubagua das Ziel zahlreicher Handelsunternehmungen. Benzoni erzählt, was einem gewiſſen Ludwig Lampagnano begegnete, dem Karl der Fünfte das Privilegium erteilt hatte, mit fünf „Caravelen“ an die Küſte von Cumana zu gehen und Perlen zu fiſchen. Die Anſiedler ſchickten ihn mit der kecken Antwort heim, der Kaiſer gehe mit etwas, das nicht ſein gehöre, allzu freigebig um; es ſtehe ihm nicht das Recht zu, über Auſtern zu verfügen, die auf dem Meeresboden leben. Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts nahm die Perlen- fiſcherei raſch ab, und nach Laets Angabe 1 hatte ſie im Jahre 1633 längſt aufgehört. Durch den Gewerbfleiß der Venediger, welche die echten Perlen täuſchend nachmachten, und den ſtarken Gebrauch der geſchnittenen Diamanten 2 wurden die Fiſchereien in Cubagua weniger einträglich. Zugleich wurden die Perlen- muſcheln ſeltener, nicht, wie man nach der Volksſage glaubt, weil die Tiere vom Geräuſch der Ruder verſcheucht wurden, ſondern weil man im Unverſtand die Muſcheln zu Tauſenden abgeriſſen und ſo ihrer Fortpflanzung Einhalt gethan hatte. Die Perlenmuſchel iſt noch von zarterer Konſtitution als die meiſten anderen kopfloſen Weichtiere. Auf der Inſel Ceylon, wo in der Bucht von Condeatchy die Perlenfiſcherei ſechs- 1 Insularum Cubaguae et Coches quondam magna fuit dignitas, quum unionum captura floreret, nunc, illa deficiente, obscura admodum fama. Laet. Nov. Orbis p. 669. Dieſer ſorgfältige Kompilator ſagt, wo er von der Punta Araya ſpricht, weiter, das Land ſei dergeſtalt in Vergeſſenheit geraten, „ut vix ulla alia Americae meridionalis pars hodie obscurior sit“. 2 Das Schneiden der Diamanten wurde im Jahre 1456 von Ludwig de Berquen erfunden; in allgemeinen Gebrauch kam es aber erſt im folgenden Jahrhundert.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/217
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/217>, abgerufen am 26.04.2024.