Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.setzen. Die Natur erscheint in diesen Himmelsstrichen kraft- Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben Der Statthalter von Cumana hatte im Jahre 1797 mutige 1 Die Blauen Berge in Neuholland, die Berge von Carmarthen
und Landsdown sind bei hellem Wetter auf 67,5 km nicht mehr sichtbar. Nimmt man den Höhenwinkel zu einem halben Grad an, so hätten diese Berge etwa 1200 m absoluter Höhe. ſetzen. Die Natur erſcheint in dieſen Himmelsſtrichen kraft- Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben Der Statthalter von Cumana hatte im Jahre 1797 mutige 1 Die Blauen Berge in Neuholland, die Berge von Carmarthen
und Landsdown ſind bei hellem Wetter auf 67,5 km nicht mehr ſichtbar. Nimmt man den Höhenwinkel zu einem halben Grad an, ſo hätten dieſe Berge etwa 1200 m abſoluter Höhe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0182" n="166"/> ſetzen. Die Natur erſcheint in dieſen Himmelsſtrichen kraft-<lb/> voller, fruchtbarer, man möchte ſagen mit dem Leben ver-<lb/> ſchwenderiſcher.</p><lb/> <p>Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben<lb/> die Rede war, hat man, beſonders bei Sonnenaufgang, eine<lb/> ſehr ſchöne Ausſicht auf eine Gruppe hoher Kalkberge. Da<lb/> dieſe Gruppe im Hauſe, wo wir wohnten, nur unter einem<lb/> Winkel von 3° erſcheint, diente ſie mir lange dazu, die Ver-<lb/> änderungen in der irdiſchen Refraktion mit den meteoro-<lb/> logiſchen Erſcheinungen zu vergleichen. Die Gewitter bilden<lb/> ſich mitten in dieſer Kordillere, und man ſieht von weitem,<lb/> wie die dicken Wolken ſich in ſtarken Regen auflöſen, während<lb/> in Cumana ſechs bis acht Monate lang kein Tropfen Regen<lb/> fällt. Der höchſte Gipfel der Bergkette, der ſogenannte Bri-<lb/> gantin, nimmt ſich hinter dem Brito und dem Tetaraqual<lb/> höchſt maleriſch aus. Sein Name rührt her von der Geſtalt<lb/> eines ſehr tiefen Thales an ſeinem nördlichen Abhang, das<lb/> dem Inneren eines Schiffes gleicht. Der Gipfel des Berges<lb/> iſt faſt ganz kahl und abgeplattet, wie der Gipfel des Mauna-<lb/> Roa auf den Sandwichinſeln; es iſt eine ſenkrechte Wand,<lb/> oder, um mich des bezeichnenderen Ausdruckes der ſpaniſchen<lb/> Schiffer zu bedienen, ein Tiſch, eine Meſa. Dieſe eigentüm-<lb/> liche Bildung und die ſymmetriſche Lage einiger Kegel, die<lb/> den Brigantin umgeben, brachten mich anfänglich auf die<lb/> Vermutung, daß dieſe Berggruppe, die ganz aus Kalkſtein<lb/> beſteht, Glieder der Baſalt- oder Trappformation enthalten<lb/> möchte.</p><lb/> <p>Der Statthalter von Cumana hatte im Jahre 1797 mutige<lb/> Männer ausgeſchickt, die das völlig unbewohnte Land unter-<lb/> ſuchen und einen geraden Weg nach Neubarcelona über den<lb/> Gipfel der <hi rendition="#g">Meſa</hi> eröffnen ſollten. Man vermutete mit Recht,<lb/> dieſer Weg werde kürzer und für die Geſundheit der Reiſen-<lb/> den nicht ſo gefährlich ſein als der längs der Küſte, den die<lb/> Kuriere von Caracas einſchlagen; aber alle Bemühungen, über<lb/> die Bergkette zu kommen, waren fruchtlos. In dieſen Län-<lb/> dern Amerikas, wie in Neuholland <note place="foot" n="1">Die Blauen Berge in Neuholland, die Berge von Carmarthen<lb/> und Landsdown ſind bei hellem Wetter auf 67,5 <hi rendition="#aq">km</hi> nicht mehr<lb/> ſichtbar. Nimmt man den Höhenwinkel zu einem halben Grad an,<lb/> ſo hätten dieſe Berge etwa 1200 <hi rendition="#aq">m</hi> abſoluter Höhe.</note> im Weſten von Sydney,<lb/> bietet nicht ſowohl die Höhe der Kordilleren als die Geſtal-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0182]
ſetzen. Die Natur erſcheint in dieſen Himmelsſtrichen kraft-
voller, fruchtbarer, man möchte ſagen mit dem Leben ver-
ſchwenderiſcher.
Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben
die Rede war, hat man, beſonders bei Sonnenaufgang, eine
ſehr ſchöne Ausſicht auf eine Gruppe hoher Kalkberge. Da
dieſe Gruppe im Hauſe, wo wir wohnten, nur unter einem
Winkel von 3° erſcheint, diente ſie mir lange dazu, die Ver-
änderungen in der irdiſchen Refraktion mit den meteoro-
logiſchen Erſcheinungen zu vergleichen. Die Gewitter bilden
ſich mitten in dieſer Kordillere, und man ſieht von weitem,
wie die dicken Wolken ſich in ſtarken Regen auflöſen, während
in Cumana ſechs bis acht Monate lang kein Tropfen Regen
fällt. Der höchſte Gipfel der Bergkette, der ſogenannte Bri-
gantin, nimmt ſich hinter dem Brito und dem Tetaraqual
höchſt maleriſch aus. Sein Name rührt her von der Geſtalt
eines ſehr tiefen Thales an ſeinem nördlichen Abhang, das
dem Inneren eines Schiffes gleicht. Der Gipfel des Berges
iſt faſt ganz kahl und abgeplattet, wie der Gipfel des Mauna-
Roa auf den Sandwichinſeln; es iſt eine ſenkrechte Wand,
oder, um mich des bezeichnenderen Ausdruckes der ſpaniſchen
Schiffer zu bedienen, ein Tiſch, eine Meſa. Dieſe eigentüm-
liche Bildung und die ſymmetriſche Lage einiger Kegel, die
den Brigantin umgeben, brachten mich anfänglich auf die
Vermutung, daß dieſe Berggruppe, die ganz aus Kalkſtein
beſteht, Glieder der Baſalt- oder Trappformation enthalten
möchte.
Der Statthalter von Cumana hatte im Jahre 1797 mutige
Männer ausgeſchickt, die das völlig unbewohnte Land unter-
ſuchen und einen geraden Weg nach Neubarcelona über den
Gipfel der Meſa eröffnen ſollten. Man vermutete mit Recht,
dieſer Weg werde kürzer und für die Geſundheit der Reiſen-
den nicht ſo gefährlich ſein als der längs der Küſte, den die
Kuriere von Caracas einſchlagen; aber alle Bemühungen, über
die Bergkette zu kommen, waren fruchtlos. In dieſen Län-
dern Amerikas, wie in Neuholland 1 im Weſten von Sydney,
bietet nicht ſowohl die Höhe der Kordilleren als die Geſtal-
1 Die Blauen Berge in Neuholland, die Berge von Carmarthen
und Landsdown ſind bei hellem Wetter auf 67,5 km nicht mehr
ſichtbar. Nimmt man den Höhenwinkel zu einem halben Grad an,
ſo hätten dieſe Berge etwa 1200 m abſoluter Höhe.
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