Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

tung des Gesteines schwer zu besiegende Hindernisse. Durch
das von den Gebirgen im Inneren und dem südlichen Abhang
des Cerro de San Antonio gebildete Längenthal fließt der
Manzanares. In der ganzen Umgegend von Cumana ist dies
der einzige ganz bewaldete Landstrich; er heißt die Ebene
der Charas,
1 wegen der vielen Pflanzungen, welche die
Einwohner seit einigen Jahren den Fluß entlang versucht
haben. Ein schmaler Pfad führt vom Hügel von San Fran-
cisco durch den Forst zum Kapuzinerhospiz, einem höchst an-
genehmen Landhause, das die aragonesischen Mönche für alte
entkräftete Missionäre, die ihres Amtes nicht mehr walten
können, gebaut haben. Gegen Ost werden die Waldbäume
immer kräftiger und man sieht hier und da einen Affen, 2 die
sonst in der Gegend von Cumana sehr selten sind. Zu den
Füßen der Capparis, Bauhinien und des Zygophyllum mit
goldgelben Blüten breitet sich ein Teppich von Bromelien 3
aus, deren Geruch und deren kühles Laub die Klapperschlangen
hierher ziehen.

Der Manzanares hat sehr klares Wasser und zum Glück
nichts mit dem Madrider Manzanares gemein, der unter seiner
prächtigen Brücke noch schmäler erscheint. Er entspringt, wie
alle Flüsse Neuandalusiens, in einem Striche der Savannen
(Llanos), der unter dem Namen der Plateaus von Jonoro,
Amana und Guanipa bekannt ist und beim indianischen Dorfe
San Fernando die Gewässer des Rio Juanillo aufnimmt.
Man hat der Regierung öfter, aber immer vergeblich, den
Vorschlag gemacht, beim ersten Ipure ein Wehr bauen zu
lassen, um die Ebene der Charas künstlich zu bewässern, denn
der Boden ist trotz seiner scheinbaren Dürre ausnehmend frucht-
bar, sobald Feuchtigkeit zu der herrschenden Hitze hinzukommt.
Die Landleute, die im allgemeinen in Cumana nicht wohl-
habend sind, sollten nach und nach die Auslagen für die
Schleuse ersetzen. Bis das Projekt in Ausführung kommt,
hat man Schöpfräder, durch Maultiere getriebene Pumpen
und andere sehr unvollkommene Wasserwerke angelegt.

Die Ufer des Manzanares sind sehr freundlich, von
Mimosen, Erythrina, Ceiba und anderen Bäumen von riesen-

1 Chacra, verdorben Chara, heißt eine von einem Garten
umgebene Hütte.
2 Der gemeine Machi oder Heulaffe.
3 Chihuchihue, aus der Familie der Ananas.

tung des Geſteines ſchwer zu beſiegende Hinderniſſe. Durch
das von den Gebirgen im Inneren und dem ſüdlichen Abhang
des Cerro de San Antonio gebildete Längenthal fließt der
Manzanares. In der ganzen Umgegend von Cumana iſt dies
der einzige ganz bewaldete Landſtrich; er heißt die Ebene
der Charas,
1 wegen der vielen Pflanzungen, welche die
Einwohner ſeit einigen Jahren den Fluß entlang verſucht
haben. Ein ſchmaler Pfad führt vom Hügel von San Fran-
cisco durch den Forſt zum Kapuzinerhoſpiz, einem höchſt an-
genehmen Landhauſe, das die aragoneſiſchen Mönche für alte
entkräftete Miſſionäre, die ihres Amtes nicht mehr walten
können, gebaut haben. Gegen Oſt werden die Waldbäume
immer kräftiger und man ſieht hier und da einen Affen, 2 die
ſonſt in der Gegend von Cumana ſehr ſelten ſind. Zu den
Füßen der Capparis, Bauhinien und des Zygophyllum mit
goldgelben Blüten breitet ſich ein Teppich von Bromelien 3
aus, deren Geruch und deren kühles Laub die Klapperſchlangen
hierher ziehen.

Der Manzanares hat ſehr klares Waſſer und zum Glück
nichts mit dem Madrider Manzanares gemein, der unter ſeiner
prächtigen Brücke noch ſchmäler erſcheint. Er entſpringt, wie
alle Flüſſe Neuandaluſiens, in einem Striche der Savannen
(Llanos), der unter dem Namen der Plateaus von Jonoro,
Amana und Guanipa bekannt iſt und beim indianiſchen Dorfe
San Fernando die Gewäſſer des Rio Juanillo aufnimmt.
Man hat der Regierung öfter, aber immer vergeblich, den
Vorſchlag gemacht, beim erſten Ipure ein Wehr bauen zu
laſſen, um die Ebene der Charas künſtlich zu bewäſſern, denn
der Boden iſt trotz ſeiner ſcheinbaren Dürre ausnehmend frucht-
bar, ſobald Feuchtigkeit zu der herrſchenden Hitze hinzukommt.
Die Landleute, die im allgemeinen in Cumana nicht wohl-
habend ſind, ſollten nach und nach die Auslagen für die
Schleuſe erſetzen. Bis das Projekt in Ausführung kommt,
hat man Schöpfräder, durch Maultiere getriebene Pumpen
und andere ſehr unvollkommene Waſſerwerke angelegt.

Die Ufer des Manzanares ſind ſehr freundlich, von
Mimoſen, Erythrina, Ceiba und anderen Bäumen von rieſen-

1 Chacra, verdorben Chara, heißt eine von einem Garten
umgebene Hütte.
2 Der gemeine Machi oder Heulaffe.
3 Chihuchihue, aus der Familie der Ananas.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="167"/>
tung des Ge&#x017F;teines &#x017F;chwer zu be&#x017F;iegende Hinderni&#x017F;&#x017F;e. Durch<lb/>
das von den Gebirgen im Inneren und dem &#x017F;üdlichen Abhang<lb/>
des <hi rendition="#g">Cerro de San Antonio</hi> gebildete Längenthal fließt der<lb/>
Manzanares. In der ganzen Umgegend von Cumana i&#x017F;t dies<lb/>
der einzige ganz bewaldete Land&#x017F;trich; er heißt die <hi rendition="#g">Ebene<lb/>
der Charas,</hi> <note place="foot" n="1"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Chacra,</hi></hi> verdorben <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Chara,</hi></hi> heißt eine von einem Garten<lb/>
umgebene Hütte.</note> wegen der vielen Pflanzungen, welche die<lb/>
Einwohner &#x017F;eit einigen Jahren den Fluß entlang ver&#x017F;ucht<lb/>
haben. Ein &#x017F;chmaler Pfad führt vom Hügel von San Fran-<lb/>
cisco durch den For&#x017F;t zum Kapuzinerho&#x017F;piz, einem höch&#x017F;t an-<lb/>
genehmen Landhau&#x017F;e, das die aragone&#x017F;i&#x017F;chen Mönche für alte<lb/>
entkräftete Mi&#x017F;&#x017F;ionäre, die ihres Amtes nicht mehr walten<lb/>
können, gebaut haben. Gegen O&#x017F;t werden die Waldbäume<lb/>
immer kräftiger und man &#x017F;ieht hier und da einen Affen, <note place="foot" n="2">Der gemeine <hi rendition="#g">Machi</hi> oder Heulaffe.</note> die<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t in der Gegend von Cumana &#x017F;ehr &#x017F;elten &#x017F;ind. Zu den<lb/>
Füßen der Capparis, Bauhinien und des Zygophyllum mit<lb/>
goldgelben Blüten breitet &#x017F;ich ein Teppich von Bromelien <note place="foot" n="3">Chihuchihue, aus der Familie der Ananas.</note><lb/>
aus, deren Geruch und deren kühles Laub die Klapper&#x017F;chlangen<lb/>
hierher ziehen.</p><lb/>
          <p>Der Manzanares hat &#x017F;ehr klares Wa&#x017F;&#x017F;er und zum Glück<lb/>
nichts mit dem Madrider Manzanares gemein, der unter &#x017F;einer<lb/>
prächtigen Brücke noch &#x017F;chmäler er&#x017F;cheint. Er ent&#x017F;pringt, wie<lb/>
alle Flü&#x017F;&#x017F;e Neuandalu&#x017F;iens, in einem Striche der Savannen<lb/>
(Llanos), der unter dem Namen der Plateaus von Jonoro,<lb/>
Amana und Guanipa bekannt i&#x017F;t und beim indiani&#x017F;chen Dorfe<lb/>
San Fernando die Gewä&#x017F;&#x017F;er des Rio Juanillo aufnimmt.<lb/>
Man hat der Regierung öfter, aber immer vergeblich, den<lb/>
Vor&#x017F;chlag gemacht, beim er&#x017F;ten <hi rendition="#g">Ipure</hi> ein Wehr bauen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, um die Ebene der Charas kün&#x017F;tlich zu bewä&#x017F;&#x017F;ern, denn<lb/>
der Boden i&#x017F;t trotz &#x017F;einer &#x017F;cheinbaren Dürre ausnehmend frucht-<lb/>
bar, &#x017F;obald Feuchtigkeit zu der herr&#x017F;chenden Hitze hinzukommt.<lb/>
Die Landleute, die im allgemeinen in Cumana nicht wohl-<lb/>
habend &#x017F;ind, &#x017F;ollten nach und nach die Auslagen für die<lb/>
Schleu&#x017F;e er&#x017F;etzen. Bis das Projekt in Ausführung kommt,<lb/>
hat man Schöpfräder, durch Maultiere getriebene Pumpen<lb/>
und andere &#x017F;ehr unvollkommene Wa&#x017F;&#x017F;erwerke angelegt.</p><lb/>
          <p>Die Ufer des Manzanares &#x017F;ind &#x017F;ehr freundlich, von<lb/>
Mimo&#x017F;en, Erythrina, Ceiba und anderen Bäumen von rie&#x017F;en-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0183] tung des Geſteines ſchwer zu beſiegende Hinderniſſe. Durch das von den Gebirgen im Inneren und dem ſüdlichen Abhang des Cerro de San Antonio gebildete Längenthal fließt der Manzanares. In der ganzen Umgegend von Cumana iſt dies der einzige ganz bewaldete Landſtrich; er heißt die Ebene der Charas, 1 wegen der vielen Pflanzungen, welche die Einwohner ſeit einigen Jahren den Fluß entlang verſucht haben. Ein ſchmaler Pfad führt vom Hügel von San Fran- cisco durch den Forſt zum Kapuzinerhoſpiz, einem höchſt an- genehmen Landhauſe, das die aragoneſiſchen Mönche für alte entkräftete Miſſionäre, die ihres Amtes nicht mehr walten können, gebaut haben. Gegen Oſt werden die Waldbäume immer kräftiger und man ſieht hier und da einen Affen, 2 die ſonſt in der Gegend von Cumana ſehr ſelten ſind. Zu den Füßen der Capparis, Bauhinien und des Zygophyllum mit goldgelben Blüten breitet ſich ein Teppich von Bromelien 3 aus, deren Geruch und deren kühles Laub die Klapperſchlangen hierher ziehen. Der Manzanares hat ſehr klares Waſſer und zum Glück nichts mit dem Madrider Manzanares gemein, der unter ſeiner prächtigen Brücke noch ſchmäler erſcheint. Er entſpringt, wie alle Flüſſe Neuandaluſiens, in einem Striche der Savannen (Llanos), der unter dem Namen der Plateaus von Jonoro, Amana und Guanipa bekannt iſt und beim indianiſchen Dorfe San Fernando die Gewäſſer des Rio Juanillo aufnimmt. Man hat der Regierung öfter, aber immer vergeblich, den Vorſchlag gemacht, beim erſten Ipure ein Wehr bauen zu laſſen, um die Ebene der Charas künſtlich zu bewäſſern, denn der Boden iſt trotz ſeiner ſcheinbaren Dürre ausnehmend frucht- bar, ſobald Feuchtigkeit zu der herrſchenden Hitze hinzukommt. Die Landleute, die im allgemeinen in Cumana nicht wohl- habend ſind, ſollten nach und nach die Auslagen für die Schleuſe erſetzen. Bis das Projekt in Ausführung kommt, hat man Schöpfräder, durch Maultiere getriebene Pumpen und andere ſehr unvollkommene Waſſerwerke angelegt. Die Ufer des Manzanares ſind ſehr freundlich, von Mimoſen, Erythrina, Ceiba und anderen Bäumen von rieſen- 1 Chacra, verdorben Chara, heißt eine von einem Garten umgebene Hütte. 2 Der gemeine Machi oder Heulaffe. 3 Chihuchihue, aus der Familie der Ananas.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/183
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/183>, abgerufen am 22.11.2024.