mitten in der Nacht: "Nimm das Kind und seine Mutter, fliehe nach Aegypten; bleibe dort, bis ich es dir sage: denn Herodes strebt dem Kinde nach dem Leben." Welch' ein Befehl? Nimm das Kind, nimm die Mutter, die zarte Jungfrau; mitten in der Nacht brich auf, fliehe; denn die Mörder sind schon bereit, das Kind zu morden. Wohin. In ein Land, wo keine Freunde, sondern nur Feinde der Juden. Wie lange dort bleiben? Auf un- bestimmte Zeit. Und die Leiden der Flucht? Soweit die Gegend bewohnt ist, muß die hl. Familie die Menschen fliehen, um nicht in die Hände der Mörder zu fallen; dann kommt die Wüste mit den unabsehbaren Sandflächen. Aegypten ist erreicht, aber die Armuth bleibt. Ohne Ob- dach, ohne Geld finden sie endlich das Nothwendigste durch die Händerarbeit des hl. Joseph und die Milde guter Menschen.
Ist es etwa später in Nazareth besser geworden? Der göttliche Heiland war seinem Nährvater bei der Arbeit behilflich. So ärgerten sich die Juden bei seinem Auftreten; denn sie glaubten, ein Zimmermannssohn, der wegen Armuth nicht die Prophetenschule besucht, sondern in der Werkstatt gearbeitet habe, könne doch die heilige Schrift nicht verstehen. Aber noch mehr! Warum stirbt der hl. Joseph und wird die Mutter Gottes Wittwe? Warum nimmt sie allein Antheil an den Leiden ihres gött- lichen Sohnes bis unter das Kreuz? Warum überlebt sie ihren Mann, ihren Sohn? Warum bleibt sie nach der Himmelfahrt noch etwa 24 Jahre in diesem Jammer- thale? Fraget doch nicht, wenigstens ihr nicht, christliche Mütter. Denn, wenn auch schwere Prüfungen für ganze Familien bestimmt sind, so kommen doch die größten Schmerzen gewöhnlich über die Mutter. "Ich habe euch ein Beispiel gegeben." Wer? Christus selbst durch die hl. Familie. Wem? Allen christlichen Familien aller
mitten in der Nacht: „Nimm das Kind und seine Mutter, fliehe nach Aegypten; bleibe dort, bis ich es dir sage: denn Herodes strebt dem Kinde nach dem Leben.“ Welch' ein Befehl? Nimm das Kind, nimm die Mutter, die zarte Jungfrau; mitten in der Nacht brich auf, fliehe; denn die Mörder sind schon bereit, das Kind zu morden. Wohin. In ein Land, wo keine Freunde, sondern nur Feinde der Juden. Wie lange dort bleiben? Auf un- bestimmte Zeit. Und die Leiden der Flucht? Soweit die Gegend bewohnt ist, muß die hl. Familie die Menschen fliehen, um nicht in die Hände der Mörder zu fallen; dann kommt die Wüste mit den unabsehbaren Sandflächen. Aegypten ist erreicht, aber die Armuth bleibt. Ohne Ob- dach, ohne Geld finden sie endlich das Nothwendigste durch die Händerarbeit des hl. Joseph und die Milde guter Menschen.
Ist es etwa später in Nazareth besser geworden? Der göttliche Heiland war seinem Nährvater bei der Arbeit behilflich. So ärgerten sich die Juden bei seinem Auftreten; denn sie glaubten, ein Zimmermannssohn, der wegen Armuth nicht die Prophetenschule besucht, sondern in der Werkstatt gearbeitet habe, könne doch die heilige Schrift nicht verstehen. Aber noch mehr! Warum stirbt der hl. Joseph und wird die Mutter Gottes Wittwe? Warum nimmt sie allein Antheil an den Leiden ihres gött- lichen Sohnes bis unter das Kreuz? Warum überlebt sie ihren Mann, ihren Sohn? Warum bleibt sie nach der Himmelfahrt noch etwa 24 Jahre in diesem Jammer- thale? Fraget doch nicht, wenigstens ihr nicht, christliche Mütter. Denn, wenn auch schwere Prüfungen für ganze Familien bestimmt sind, so kommen doch die größten Schmerzen gewöhnlich über die Mutter. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben.“ Wer? Christus selbst durch die hl. Familie. Wem? Allen christlichen Familien aller
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mitten in der Nacht: „Nimm das Kind und seine Mutter,
fliehe nach Aegypten; bleibe dort, bis ich es dir sage:
denn Herodes strebt dem Kinde nach dem Leben.“ Welch'
ein Befehl? Nimm das Kind, nimm die Mutter, die
zarte Jungfrau; mitten in der Nacht brich auf, fliehe;
denn die Mörder sind schon bereit, das Kind zu morden.
Wohin. In ein Land, wo keine Freunde, sondern nur
Feinde der Juden. Wie lange dort bleiben? Auf un-
bestimmte Zeit. Und die Leiden der Flucht? Soweit
die Gegend bewohnt ist, muß die hl. Familie die Menschen
fliehen, um nicht in die Hände der Mörder zu fallen;
dann kommt die Wüste mit den unabsehbaren Sandflächen.
Aegypten ist erreicht, aber die Armuth bleibt. Ohne Ob-
dach, ohne Geld finden sie endlich das Nothwendigste durch
die Händerarbeit des hl. Joseph und die Milde guter
Menschen.
Ist es etwa später in Nazareth besser geworden?
Der göttliche Heiland war seinem Nährvater bei der
Arbeit behilflich. So ärgerten sich die Juden bei seinem
Auftreten; denn sie glaubten, ein Zimmermannssohn, der
wegen Armuth nicht die Prophetenschule besucht, sondern
in der Werkstatt gearbeitet habe, könne doch die heilige
Schrift nicht verstehen. Aber noch mehr! Warum stirbt
der hl. Joseph und wird die Mutter Gottes Wittwe?
Warum nimmt sie allein Antheil an den Leiden ihres gött-
lichen Sohnes bis unter das Kreuz? Warum überlebt
sie ihren Mann, ihren Sohn? Warum bleibt sie nach
der Himmelfahrt noch etwa 24 Jahre in diesem Jammer-
thale? Fraget doch nicht, wenigstens ihr nicht, christliche
Mütter. Denn, wenn auch schwere Prüfungen für ganze
Familien bestimmt sind, so kommen doch die größten
Schmerzen gewöhnlich über die Mutter. „Ich habe euch
ein Beispiel gegeben.“ Wer? Christus selbst durch die
hl. Familie. Wem? Allen christlichen Familien aller
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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