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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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Kind frommer Eltern oft nicht zur Taufe, wohl aber das
Kind der Feinde Christi; eine keusche Mutter beweint das
Kind, das die Taufe nicht erlangen konnte und nimmt
das ausgesetzte Kind einer Dirne an und läßt dasselbe
taufen.

Ist es daher nicht die heiligste Pflicht christlicher
Eltern ihre Kinder so bald als möglich taufen zu lassen?
Wenn sie aber damit nicht bloß Tage sondern Wochen und
Monate zuwarten, sind diese Kinder nicht in beständiger
Gefahr, ohne die Taufgnade wegzusterben? Wenn aber
dieser Trauerfall nicht eintritt, sondern das Kind endlich
doch zur Taufe gelangt, ist dann die Verantwortung der
Eltern vor Gott weniger groß? Und welche Erziehung
haben dann diese Kinder zu erwarten oder besser zu be-
fürchten? Urtheilet selbst. Und wenn dann die rein
bürgerliche, religionslose Schule das Unglück noch vollendet?

Doch kehren wir zum hl. Cyprian zurück, um in
seiner erhabenen Weltanschauung uns einmal wieder recht
hoch über alles Menschliche zu erheben. "Das Kind ist
in den ersten Tagen nach der Geburt noch unrein; des-
halb schickt es sich nicht, ihm in der Taufe den Friedens-
kuß zu geben."
So meinte Fidus. Was antwortete ihm
Cyprian? "Wenn auch das Kind erst neugeboren, so ist
es doch nicht so beschaffen, daß jemand bei Verleihung
der Gnade und des Friedens sich schämen soll, dasselbe
zu küssen. Warum? Denn beim Küssen des Kindes soll
ein jeder nach seiner Frömmigkeit die noch frischen Hände
Gottes sich denken, welche wir in dem neugebildeten und
soeben gebornen Menschen gleichsam küssen, wenn wir das
umarmen, was Gott gemacht."

Welche Erhabenheit der Auffassung! Dort, wo der
Sinnenmensch Possen reißt, und eine falsche Frömmigkeit
sich beleidigt zeigt, da erhebt sich die reine Seele im
Adlerfluge des Glaubens je nach der Schwungkraft ihrer

Kind frommer Eltern oft nicht zur Taufe, wohl aber das
Kind der Feinde Christi; eine keusche Mutter beweint das
Kind, das die Taufe nicht erlangen konnte und nimmt
das ausgesetzte Kind einer Dirne an und läßt dasselbe
taufen.

Ist es daher nicht die heiligste Pflicht christlicher
Eltern ihre Kinder so bald als möglich taufen zu lassen?
Wenn sie aber damit nicht bloß Tage sondern Wochen und
Monate zuwarten, sind diese Kinder nicht in beständiger
Gefahr, ohne die Taufgnade wegzusterben? Wenn aber
dieser Trauerfall nicht eintritt, sondern das Kind endlich
doch zur Taufe gelangt, ist dann die Verantwortung der
Eltern vor Gott weniger groß? Und welche Erziehung
haben dann diese Kinder zu erwarten oder besser zu be-
fürchten? Urtheilet selbst. Und wenn dann die rein
bürgerliche, religionslose Schule das Unglück noch vollendet?

Doch kehren wir zum hl. Cyprian zurück, um in
seiner erhabenen Weltanschauung uns einmal wieder recht
hoch über alles Menschliche zu erheben. „Das Kind ist
in den ersten Tagen nach der Geburt noch unrein; des-
halb schickt es sich nicht, ihm in der Taufe den Friedens-
kuß zu geben.“
So meinte Fidus. Was antwortete ihm
Cyprian? „Wenn auch das Kind erst neugeboren, so ist
es doch nicht so beschaffen, daß jemand bei Verleihung
der Gnade und des Friedens sich schämen soll, dasselbe
zu küssen. Warum? Denn beim Küssen des Kindes soll
ein jeder nach seiner Frömmigkeit die noch frischen Hände
Gottes sich denken, welche wir in dem neugebildeten und
soeben gebornen Menschen gleichsam küssen, wenn wir das
umarmen, was Gott gemacht.“

Welche Erhabenheit der Auffassung! Dort, wo der
Sinnenmensch Possen reißt, und eine falsche Frömmigkeit
sich beleidigt zeigt, da erhebt sich die reine Seele im
Adlerfluge des Glaubens je nach der Schwungkraft ihrer

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[165/0177] Kind frommer Eltern oft nicht zur Taufe, wohl aber das Kind der Feinde Christi; eine keusche Mutter beweint das Kind, das die Taufe nicht erlangen konnte und nimmt das ausgesetzte Kind einer Dirne an und läßt dasselbe taufen. Ist es daher nicht die heiligste Pflicht christlicher Eltern ihre Kinder so bald als möglich taufen zu lassen? Wenn sie aber damit nicht bloß Tage sondern Wochen und Monate zuwarten, sind diese Kinder nicht in beständiger Gefahr, ohne die Taufgnade wegzusterben? Wenn aber dieser Trauerfall nicht eintritt, sondern das Kind endlich doch zur Taufe gelangt, ist dann die Verantwortung der Eltern vor Gott weniger groß? Und welche Erziehung haben dann diese Kinder zu erwarten oder besser zu be- fürchten? Urtheilet selbst. Und wenn dann die rein bürgerliche, religionslose Schule das Unglück noch vollendet? Doch kehren wir zum hl. Cyprian zurück, um in seiner erhabenen Weltanschauung uns einmal wieder recht hoch über alles Menschliche zu erheben. „Das Kind ist in den ersten Tagen nach der Geburt noch unrein; des- halb schickt es sich nicht, ihm in der Taufe den Friedens- kuß zu geben.“ So meinte Fidus. Was antwortete ihm Cyprian? „Wenn auch das Kind erst neugeboren, so ist es doch nicht so beschaffen, daß jemand bei Verleihung der Gnade und des Friedens sich schämen soll, dasselbe zu küssen. Warum? Denn beim Küssen des Kindes soll ein jeder nach seiner Frömmigkeit die noch frischen Hände Gottes sich denken, welche wir in dem neugebildeten und soeben gebornen Menschen gleichsam küssen, wenn wir das umarmen, was Gott gemacht.“ Welche Erhabenheit der Auffassung! Dort, wo der Sinnenmensch Possen reißt, und eine falsche Frömmigkeit sich beleidigt zeigt, da erhebt sich die reine Seele im Adlerfluge des Glaubens je nach der Schwungkraft ihrer

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/177>, abgerufen am 21.05.2024.